Neustadt
"Politik aus einer kraftvollen Opposition heraus"

Wahlkampfauftakt der Sozialdemokraten im Kreis Kelheim - Wenig Interesse an Regierungsbeteiligung

16.09.2018 | Stand 23.09.2023, 4:05 Uhr
Die sozialen Werte rückten die SPD-Kandidaten bei ihrem Wahlkampfauftakt zusammen mit ihrem Gast, dem Landtagsabgeordneten Bernhard Roos (Zweiter von rechts), in den Mittelpunkt: Stephan Schweiger (von links), Kirsten Reiter, Harald Unfried und Johanna Werner-Muggendorfer. −Foto: Bruckmeier

Neustadt (DK) Das Lokal in ihrer Heimatstadt hatte Johanna Werner-Muggendorfer mit Bedacht gewählt.

Zum einen wollte die SPD-Kreisvorsitzende aus Neustadt mit einem Heimspiel in den Wahlkampf starten. Zum anderen wollte sie zum Ausdruck bringen, dass ihre Partei trotz Umfragetief am 14. Oktober wie Phoenix aus der Asche emporsteigen wird. Damit das klappt, besannen sich die Sozialdemokraten auf die sozialen Werte, für die sie seit 100 Jahren in Bayern stehen und die sie einst stark gemacht haben.

Bekannte Themen, neues Format: Anstatt der üblichen Reden hatte sich der Landtagsdirektkandidat Harald Unfried für eine lockere Talkrunde mit Johanna Werner-Muggendorfer und ihrem Landtagskollegen Bernhard Roos aus Passau entschieden. Mehr als zwei Stunden stand das Trio den knapp 30 Gästen Rede und Antwort. "Das war ein guter Aufschlag für den Wahlkampf", lautete die Bilanz der SPD-Kreisvorsitzenden.

Gut zwei Stunden davor gestand die langjährige Landtagsabgeordnete Werner-Muggendorfer, die diesmal für den Bezirkstag kandidiert, dass es ihr momentan schwer falle, Politik zu machen. "Das ist eine grausame Situation und für mich schwer auszuhalten", räumte sie vor ihren Genossen ein. Und das liegt nicht allein am aktuellen Umfragetief ihrer Partei. "Die ganze politische Gemengelage lässt einen nicht gerade optimistisch bleiben. " Und dennoch: Das Kürzel "AfD" fiel an diesem Abend nur ein einziges Mal und das nur in einem Nebensatz.

Wirkliche Alternativen sehen für die Sozialdemokraten anders aus. Und so rückten Werner-Muggendorfer, Unfried und Roos die sozialen Themen in den Mittelpunkt. Kein Wort über Flüchtlingskrise, vielmehr waren Pflege, Wohnungsnot und Rente die Stichworte, um die sich der Talk drehte. Und da gibt es für Sozialdemokraten nach wie vor genug Gesprächsstoff, um einen Abend zu füllen. "Was hat die SPD in der vergangenen Legislaturperiode im bayerischen Landtag erreicht? " Diese Frage Harald Unfrieds richtete sich an die Parlamentarier an seiner Seite, die im Übrigen beide nicht mehr antreten. "Mein Resümee fällt auf alle Fälle positiv aus", meinte Bernhard Roos. "Auch aus der Opposition heraus konnten wir einiges durchsetzen. " Als Beispiele nannte der Passauer die Rückkehr zum neunstufigen Gymnasium (G9) als Erfolg in der Bildungspolitik und die Rauchmelderpflicht, "die das Leben der Bürger tatsächlich viel sicherer gemacht hat".

Auch wenn es schwer sei, sich gegen die Mehrheitsfraktion mit ihren ideologischen Scheuklappen zu behaupten, wusste auch Johanna Werner-Muggendorfer einen Punkt in der Bildungspolitik, den man machen konnte: "Die Inklusion war für die CSU über viele Jahrzehnte einfach nicht vorstellbar, aber letztlich haben wir uns durchgesetzt. " Mit der Schließung des "Bombodrom" bei Siegenburg erinnerte die Abgeordnete noch an einen weiteren Punkt, bei dem die CSU jahrzehntelang gebremst habe, bis es nicht mehr ging.

"Aus einer kraftvollen Opposition heraus lässt sich also auch gut Politik machen", meinte Harald Unfried. Gute Beispiele dafür sind in seinen Augen die Untersuchungsausschüsse des Landtags und hier speziell der zum umstrittenen Verkauf von 33000 Wohnungen der GBW-Gruppe. Mitglied dieses Ausschusses ist Bernhard Roos, der der Präsentation des Abschlussberichts am Dienstag nicht vorgreifen wollte, aber die Rolle des damaligen Finanzministers und heutigen Ministerpräsidenten Markus Söder doch kritisch hinterfragte. "Das war und ist ein undurchsichtiges Geflecht", so Roos.

"Mit welcher Vision gehst Du in den Landtag? " Die Frage an Harald Unfried kam von Kirsten Reiter, die selbst auf der Liste für den Bezirkstag antritt. Der bekennende "linke" Sozialdemokrat, Jahrgang 1964, antwortete mit einer Reihe an sozialen Themen, bei denen es nach seiner Überzeugung dringenden Handlungsbedarf gibt. "Wir brauchen eine Renaissance des sozialen Wohnungsbaus", ist eine seiner Forderungen, die er nicht müde wird zu wiederholen. Kommt die nicht, dann bleibe auch die Mietpreisbremse ein stumpfes Schwert. Seine Vision ist also eine große Wohnbauoffensive für bezahlbaren Wohnraum. Hier bevorzugt er genossenschaftliche Modelle genauso wie kommunale Initiativen.

Als Betriebsprüfer der Deutschen Rentenversicherung ist die Altersvorsorge natürlich das Spezialgebiet Unfrieds. Auch hier liegt nach seiner Meinung vieles im Argen. Die Initiativen der Großen Koalition in Berlin, der er nach wie vor kritisch gegenübersteht, reichen ihm nicht. Sein Modell sieht stabile Renten genauso wie stabile Beitragssätze vor. Und Hartz IV? Auch da wünscht sich der Kandidat "ein System mit menschlichem Antlitz", genauso wie in der Pflege mit mehr und besser bezahltem Personal.

Harald Unfried weiß ganz genau, dass dies bundespolitische Themen sind, die er als Sozialdemokrat, der sich für den Landtag bewirbt, allerdings nicht aus den Augen verlieren will. Zu seinen Prioritäten im aktuellen Programm zur Landtagswahl gehört aber ebenso die Bildungspolitik, und die ist Ländersache. Gleiche Bildungschancen beginnen für Unfried bereits in der Kinderbetreuung, die er kostenfrei stellen will. Dass die SPD gegen das Landesfamiliengeld der CSU-geführten Staatsregierung argumentiert, damit tun sich die Sozialdemokraten nach eigenem Eingeständnis schwer. Natürlich wollen auch sie die Familien unterstützen, wie Werner-Muggendorfer, Roos und Unfried unisono betonten. Sie halten allerdings das bayerische Modell aus formaljuristischen Gründen für den falschen Weg.

Blieb noch die Frage nach einer möglichen Regierungsbeteiligung der SPD. Eines war klar an diesem Abend: Nach 61 Jahren in der Opposition nun als Juniorpartner der CSU in die Staatsregierung einzutreten, das kann sich bei den Sozialdemokraten niemand vorstellen. Einer der größten Skeptiker ist Unfried.

Harry Bruckmeier