Kelheim
Plötzlich wird das Baby blass

Bei Kreißsaal-Simulationstraining lernen Mitarbeiter der Goldberg-Klinik die richtige Reaktion bei Problemgeburten

03.08.2012 | Stand 03.12.2020, 1:12 Uhr

Schnell reagieren in Notfallsituationen: Eineinhalb Tage lang lernte das Geburtshelferteam der Goldberg-Klinik unter anderem, die Babys kurz nach der Geburt mit Sauerstoff zu versorgen. Chefarzt Heinrich Düringer (links) erklärte die richtigen Handgriffe - Foto: Pickl

Kelheim (jpi) Im Konferenzsaal im sechsten Stock der Goldberg-Klinik herrscht betriebsame Hektik. Hebammen rubbeln Babys gleich nach der Geburt ab. Einige Kinder müssen beatmet werden, andere werden reanimiert. Bei einem weiteren klemmt ein Geburtshelfer die Nabelschnur ab.

Ein 60-köpfiges Team aus Hebammen, Kinderärzten, Gynäkologen, Anästhesisten und Geburtshelfern übte sich eineinhalb Tage darin, besonnen und umsichtig zu reagieren, wenn bei einer Geburt ein Notfall auftritt. Simparteam, ein Projekt des Aktionsbündnisses Sicherheit, hatte den Workshop initiiert, um die Fehlerursachen bei Risikosituationen im Kreißsaal zu reduzieren. „Gerade weil Geburtshilfefälle in Deutschland so selten sind, müssen wir sie üben“, erklärt Projektleiterin Katharina Jeschke. „Das Team lernt Dinge, die eigentlich gar nicht zum Standardprogramm gehören.“

Die Besonderheit an diesem Kreißsaal-Simulationstraining besteht darin, dass alle Berufsgruppen erstmals zusammen am eigenen Arbeitsplatz üben. „Ziel ist es, dass die Beteiligten instinktiv die richtigen Schritte in einer solchen Situationen einleiten und optimal auf geburtshilfliche Notfälle vorbereitet sind“, erklärt Klinik-Geschäftsführerin Dagmar Reich. Probleme entstünden nicht durch fehlendes Wissen, sondern durch viele kleine Fehler, die unter dem großen Druck schnell passieren können. „Die Teilnehmer müssen eiskalt bleiben – auch wenn die Emotionen hochkommen“, sagt Reich. Zwei wesentliche Punkte seien dabei die Zeitoptimierung und die Verbesserung der Kommunikation im Team.

Um die Situationen so real wie möglich darzustellen, übt das Team mit Puppen, die den Menschen detailgetreu nachempfunden sind. Die Baby-Puppen werden blass, wenn es ihnen nicht gut geht, haben einen Puls, den die Geburtshelfer tasten können, eine bewegliche Zunge, die anschwellen kann und auch das Gewicht entspricht dem eines „Originals“. Die Mütter-Puppen können Kinder gebären, Krampfanfälle simulieren und sogar sprechen, was über ein Mikrofon und einen Steuerraum funktioniert, in dem ein Projektteilnehmer sitzt. Kameras zeichnen die Übungen auf, damit sie später analysiert werden können. „Solch aufwendige Simulationen gibt es sonst nur in der Luftfahrt, wenn Attacken von Terroristen simuliert werden“, erklärt Jeschke.

Die Goldberg-Klinik ist eines von sieben Krankenhäusern in Bayern, die an dem Modellprojekt Simparteam teilnehmen. Kooperationspartner sind namhafte Organisationen wie die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, der Deutsche Hebammenverband oder die AOK Bayern. Eine Arbeitsgruppe hatte Geburtsschäden ausgewertet und die häufigsten Ursachen dafür erforscht. Daraus wurde dann das Trainingskonzept entwickelt.

„Studien aus Großbritannien und den USA, wo es solche Projekte schon länger gibt, zeigen große Verbesserungen“, erklärt Jeschke. In Deutschland werden die Zahlen nun auch ausgewertet. In der Goldberg-Klinik gilt es jetzt schon, die neuen Arbeitsanweisungen im Alltag umzusetzen.