Pfaffenhofen
"Plötzlich wanderten Hände nach unten"

25-Jährige zeigte ihren Freund an, der ihr den Rücken massieren sollte

23.12.2018 | Stand 25.10.2023, 10:23 Uhr
Sechs Monate Haft auf Bewährung erhielt der Angeklagte. −Foto: Gentsch/dpa

Pfaffenhofen (PK) Eine Fummelei mit schlimmen Folgen: Weil Nikolaj F. offenbar mehr wollte, als seiner verheirateten Freundin nur eine Entspannungsmassage anzudienen, wurde die Polizei gerufen. Mit beiden Fäusten wehrte sich der 28-Jährige gegen eine Festnahme. Deshalb verurteilte ihn das Amtsgericht zu sechs Monaten auf Bewährung.

Eigentlich fing jener Augustnachmittag ganz harmlos an. Nikolaj F. (alle Namen geändert) war obdachlos geworden, das junge Ehepaar hatte ihn vorübergehend aufgenommen. Er zeigte sich erkenntlich, und das wohl nicht nur aus Verpflichtung: Hin und wieder verwöhnte er seine Logis-Geberin mit einer Rückenmassage, die allerdings auch bei ihm regelmäßig Wirkung zeigte und ihn in Wallung versetzte - was Vanessa M., 25, nicht verborgen blieb, wie sie vor Gericht zugab.

An jenem Nachmittag gegen zwei lag sie, die nach ihrem Beruf gefragt "Hausfrau" angab, leger in Jogginghose und leichtem Shirt gekleidet auf dem Bett, als Nikolaj F. hinzukam und höflich fragte, ob er sich dazulegen und sie massieren dürfe. Bitte sehr! Vanessa drehte sich in Bauchlage und wartete auf wohltuende Handgriffe.

Irgendwann allerdings wanderten die Hände von Nikolaj F. nach unten. Das war nicht verabredet. Vanessa M. versuchte, ihren Masseur wegzudrücken, was insofern misslang, weil er sich auf sie legte. Vanessa konnte schließlich ihren Bettnachbarn davon überzeugen, dass jetzt Schluss mit lustig sei.

Das Gericht hat sie als Zeugin vorgeladen. "Ich hab ihm eine gescheuert", erklärt sie dem Richter. Ob er sie anmachen wollte, fragt Amtsrichter Michael Herbert. "Er weiß, dass ich viel Spaß verstehe, aber er war auf mehr aus." Aber die Massagen, war das normal? "Ja, aber so nicht. Mehr als Freundschaft ist nicht, habe ich ihm vorher gesagt."

In aller Freundschaft ist sie dann mit ihm gegen fünf einkaufen gegangen, "was zu trinken holen". Wieder daheim, machte sich der Hausfreund ohne Umschweife über die Vorräte her und trank sich zweieinhalb Promille an.

Inzwischen waren auch Vanessas Onkel und ihre Schwester eingetroffen. Denen erzählte sie von der Massage mit abruptem Ausgang, was der Onkel überhaupt nicht lustig fand. Er stellte Nikolaj F. zur Rede und wollte ihn aus dem Zimmer schicken. Aber der - jetzt schon deutlich alkoholisiert - weigerte und wurde aggressiv, wie der Onkel als Zeuge vor Gericht erklärte. "So kannte ich ihn gar nicht." Der Onkel rief die Polizei.

Zwei Beamte versuchten, den 28-Jährigen festzunehmen. Weil sie aus der Küche auffällige Geräusche hörten ("Drinnen hat es gekracht und gescheppert", erklärte einer der Polizisten), habe man Onkel und Schwester vor die Tür geschickt und dann versucht, dem Randalierer Handschellen anzulegen. Vorerst keine Chance: Nikolaj F. schlug wie wild um sich. Alle drei Männer landeten schließlich auf dem Küchenfußboden. Einem Polizisten war es gelungen, sich auf den Angeklagten zu legen, was den aber nicht daran hinderte, dem jungen Beamten mit der Linken zielgenau einen Kinnhaken zu verpassen, an den sich der noch Tage später beim Kauen schmerzhaft erinnern sollte. Erst als Verstärkung eintraf, konnte Nikolaj F. in die Ausnüchterungszelle gebracht werden.

Der Angeklagte kann sich an nichts erinnern, aber er entschuldigt sich in aller Form bei den beiden Polizisten. Auch bei der Freundin? "Hab ich schon gemacht", sagt er, "ganz deutlich, und mehrfach." Vanessa M. kann sich daran erinnern, aber war das tatsächlich eine Entschuldigung? Sie war wohl nicht förmlich genug.

Das Gericht stellt das Verfahren wegen sexueller Belästigung ein, die Schuld des Angeklagten sei gering. 1200 Euro muss er an eine soziale Organisation zahlen. Kein Pardon aber gibt es wegen der Prügelei mit den Polizisten. Denn so betrunken sei Nikolaj F. nicht gewesen, stellt der Richter in seinem Urteil fest, dass er nicht vorsätzlich und gezielt einen Kinnhaken verpassen konnte. Erschwerend komme hinzu, dass der 28-Jährige zweimal einschlägig wegen Körperverletzung vorbestraft sei.

Sechs Monate Haft auf Bewährung sind die Quittung. "Eine allerletzte Chance", so der Richter, der mit diesem relativ milden Urteil Nikolaj F. nicht die Zukunft verbauen möchte. Der nämlich sieht sich inzwischen auf der richtigen Spur: endlich wieder ein Job, eine eigene Wohnung und eine Freundin, die vor dem Sitzungssaal sehnsüchtig auf ihn gewartet hat. Warten muss jetzt wegen der Geldauflage nur noch der Führerschein, auf den der Angeklagte spart.

Albert Herchenbach