Schrobenhausen
Plattln für Körper, Geist und Seele

Journalistin Ines Speck wagt Selbstversuch beim Plattl-Training in Waidhofen

01.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:34 Uhr

−Foto: Burg

Waidhofen (SZ) Die Plattler-Bixn sind mit ihrer Show, bei der sie zu moderner Musik traditionell platteln, mittlerweile im ganzen Schrobenhausener Land bekannt. Aber wie schwer ist das Schuhplatteln eigentlich? Journalistin Ines Speck hat den Selbstversuch gewagt und die zehn plattlnden Frauen beim Training in Waidhofen besucht.

Ich lern’ Schuhplattln, heißt meine Mission. Helfen werden mir dabei die Plattler-Bixn aus Waidhofen unter der Leitung von Sonja Burg. Der Weg ist kein leichter, eine Meisterin bin ich nicht geworden – aber ich hab’ da eine Idee: Wie wär’s mit Power-Plattln als neue Trendsportart? Tag 1: 30 Grad Außentemperatur. Ich komme schon als Fußgängerin ins Schwitzen. Um 18 Uhr steht meine erste Plattl-Stunde an. Zugegeben: Ich bin ein bisschen aufgeregt. In Sportkleidung tucker’ ich nach Waidhofen und denke darüber nach, was ich mir da eingebrockt habe.

In Waidhofen am Pfarrzentrum angekommen, werde ich sehr herzlich und unkompliziert von zwei Plattler-Bixn empfangen. Ich bin an diesem Abend nicht die einzige Neue: Mit mir feiert Nicki ihren Einstand. Sie hat fest vor, im September zum Geburtstag ihres Schwiegervaters mitaufzutreten. Und ich? Nein, nein, auftreten will „die Zeitungstante“ nicht. Sie lernt jetzt den Haushammer. Der Haushammer ist der Plattler, mit dem auch die Plattler-Bixn begonnen haben. Sie haben sich seinerzeit einen „ehemaligen Vorplattler aus der Umgebung“ geholt, der als ihr Lehrer fungierte, erzählt Sonja Burg, der Kopf der Plattler-Bixn. Frauen und Schuhplattln – das ist ja so eine Sache, hab’ ich am eigenen Ohr erfahren. In Pöttmes hieß es auf meine Anfrage, ob ich beim Heimat- und Volkstrachtenverein Schuhplattln lernen könne: „Schwierig. Wie ich höre, sind Sie eine Frau.“ Ja, da hat er recht. Weiter wurde mir erklärt, Plattln sei ja ein Werben, habe seinen Ursprung im Balztanz und sei deswegen den Männern vorbehalten. Der Heimat- und Volkstrachtenverein habe sich dem Bewahren von Traditionen verschrieben und daher würde man ja gewissermaßen mit der Tradition brechen, wenn . . .Ich habe verstanden und mir die Plattler-Bixn als Lehrerinnen gesucht. Die sehen das lockerer, und ihr Lehrmeister auch. „Dem hat das schon gefallen, dass wir das probieren wollen“, erinnert sich Sonja Burg.

Aus dem Probieren ist jetzt viel mehr geworden: Zu zehnt legen die Plattler-Bixn etliche Auftritte hin. Sie werden vor allem für Geburtstage und ähnliche Feiern gebucht, aber sie kommen auch auf dem Schrobenhausener Volksfest gut an. Seit etwa zwei Jahren gibt es die weibliche Plattler-Gruppe, die durchaus für Aufsehen sorgt. Als Erstes zeigen mir die anwesenden Bixn, was Plattln heißt. Sieht gut aus, professionell – und echt nicht ganz einfach. Da fliegen die Arme, pendeln die Beine, klatschen die Hände auf die Lederhosen. Tja, da hab ich mir was eingebrockt. Dann geht’s los. „Aaauufstelllung!“, ruft Sonja Burg, die 41-jährige „Oberbixn“, wenn man so will. Konkret heißt das: Die Bixn und ich stehen mehr oder weniger gruppiert in zwei Reihen hintereinander, die Arme im rechten Winkel und „gstarrig“ nach oben. Langsam geht’s von eins bis sieben. Eins – rechte Hand haut hinterm Rücken auf die linke Sohle, Zwei – linke Hand auf linken Oberschenkel, Drei – rechte Hand auf rechten Oberschenkel, Vier – linke Hand auf linken Schenkel, Fünf – rechte Hand klatscht die linke Fußsohle ab, Sechs – linke Hand auf linken Oberschenkel, Sieben – linke Hand haut auf linken Schenkel, der rechte Arm zeigt rechtwinklig nach oben. Ich fühl’ mich, als hätt’ ich einen Knoten im Körper. Oder im Hirn. Ohne volle Konzentration geht gar nichts. Nach ein paar Durchgängen, die ich nicht fehlerfrei durchstehe, erwacht der Ehrgeiz: „Mensch, Ines, du wirst das wohl hinkriegen, eine Abfolge von sieben Bewegungen, jetzt stell dich nicht so an“, feuert mich mein inneres Ich an. Also: volle Konzentration, eiserner Wille, verbissenes Mitzählen.

Arme gstarrig auf Schulterhöhe im rechten Winkel nach oben. In mir grinst’s. Ich muss an „YMCA“ denken. „Konzentrier dich“, zischt die strenge Stimme aus der anderen Ecke meines Hirnkasterls. Meine Kommandozentrale muss sich an diesem Abend echt bemühen. Zugegeben: Ich habe mich bisher nicht unbedingt für einen Bewegungslegastheniker gehalten. Heute bin ich zumindest knapp an der Grenze dazu. Übrigens: Beim Plattln strengt man beide Hirnhälften an. Das ist wissenschaftlich belegt, hab’ ich gelesen. Durch die Überkreuzbewegungen werden also Gehirn und Körper trainiert, das steigert Lern- und Konzentrationsfähigkeit. Aber das nur nebenbei, hier geht’s mehr um den Spaß. Allerdings ein schweißtreibender: Schon nach wenigen (nicht immer fehlerfreien) Durchgängen der Folge bis sieben (siehe oben) hab’ ich Schweißperlen auf der Stirn. Aber, red’ ich mir ein, das wird schon, geht doch schon ein bissl besser.

Doch das war’s noch nicht: Der Haushammer will mehr von mir: mit acht, neun, zehn geht’s weiter. Ist nicht ganz so schwierig: Ich dresch’ abwechselnd mit den Handflächen auf meinen rechten Oberschenkel. Sind wir durch? Nein. Bis zwölf muss ich’s noch schaffen. Elf – rechte Hand klatscht hinterm Körper auf die rechte Sohle, Zwölf – linke Hand patscht auf rechten Oberschenkel. Uuuuund wieder von vorne: eins, zwei drei, vier, fünf (Die Ferse!), sechs, sieben (Hah! Das kurze Innehalten!), acht, neun, zehn, elf, zwölf.

Wo ist gleich nochmal meine rechte Hand? Warum klatschen alle auf den rechten Schenkel, nur ich auf den linken? Nach etlichen Durchläufen, die die Bixn ausgesprochen geduldig mit mir mitplattln, sitzt’s dann einigermaßen. Der Schweiß läuft, aber Spaß macht’s. Der Ehrgeiz ist erwacht. „Jetzt mit Musik?“, fragt Sonja Burg mit bestimmtem Ton. Hmm, probieren wir’s. Schon nach einigen Schlägen ist mir klar: Das ist zu schnell für mich. Ich nehme mir vor: Ich schaff’ das, wenigstens einmal. In einer Woche darf ich wiederkommen. Ausgestattet mit einem Plattl-Video auf meinem Handy mach’ ich mich auf den Heimweg. Im Auto geht’s in mir weiter: eins, zwei, drei, vier, rechte Hand, linke Hand. Ich komme zu der Erkenntnis: Als Sport würde mir Plattln bestimmt Spaß machen. Es folgt eine, nun ja, bewegte Nacht: Ich träume vom Haushammer.

Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, links, rechts, Bein hoch, Arme gstarrig. Am nächsten Morgen erwache ich mit einem „Ui“. Mein rechter Oberschenkel hat ein interessantes Muster aus rot- und lilafarbenen Punkten. Meine Handflächen tuckern leicht, meine Fußsohlen fühlen sich an, als wäre ich zu weit ohne Schuhe gelaufen. Aber: Der Ehrgeiz ist noch da, mein Hirn zählt und spult den Film ab: eins, zwei, drei, vier. Ich beginne den Tag ausnahmsweise mit einem langsamen Haushammer. Eine echte Premiere im Schlafzimmer!

Ein erstes Fazit zwischendurch: Vergiss Aerobic, geh plattln! Mein Versprechen halte ich die nächsten Tage durch. Es gibt einen täglichen Plattler. Ich treff’ den Haushammer in meiner Küche nach dem Abwasch, vor dem Duschen, als Morgengymnastik. Ich freu mich schon fast, dass ich mich gar nicht so schlecht mache. Meine ich.

Beim nächsten Plattl-Treffen mit den Bixn warten zwei Gemeinheiten auf mich: Erstens hab ich einen Schlag immer überkreuz geübt, der aber grade runter geht. Zweitens beginnen die Bixn den Haushammer mit zwei Schlägen, die sie mir gar nicht gezeigt haben. Ja, so passt das natürlich nicht zur Musik. Also wieder: üben, üben, üben. Am falschen Siebener häng’ ich sehr, den mag ich aus meiner Choreographie nur ungern streichen. Muss aber. Und endlich, endlich klappt’s dann auch: Ich kann mit den anderen und mit Musik haushammern. „Und dann gibt’s da no was“, sagt Sonja Burg und legt einen Sprung ins Mutter-Kind-Zimmer des Waidhofener Pfarrheims hin, der sich gewaschen hat.

„Der Todessprung!“, fallen die andern Bixn mit ein. Also, ich weiß ja nicht. Ich will mich ja nicht verletzen. Aber lumpen lassen auch nicht. Nach einigen zaghaften Versuchen trau’ ich mich dann doch: Hoch das rechte Bein, gerade nach vorne, die Fingerspitzen berühren die Zehenspitzen, Landung in einer Art tiefem Ausfallschritt, die Arme in die Hüften gestemmt. Abschließend stellen mir die Bixn mündlich ein Zeugnis aus: „Sie macht des guad, oder?“ Ich bin zufrieden, zwar vom Können noch weit entfernt, aber ein bisschen stolz. Wie wär’s mit einem Volkshochschul-Kurs „Plattl-Aerobic“ oder „Power-Plattln“? Zum Abschied hat Sonja Burg eine CD für mich. Darauf natürlich der Haushammer und die übrigen Lieder aus dem vorigen Programm: die Amboß-Polka, der Holzhacker, „Rock mi“ und AC/CD. Da kann ich üben.
 

Plattler-Latein

 Auch wenn meine Lehrerinnen, die Plattler-Bixn, vollkommen unkompliziert und ohne Fachbegriffe arbeiten: Den Hochsprung hab ich unter „Todessprung“ kennengelernt, weiter den „Kreuzschlag rechts auf links“ (rechte Hand schlägt hinter dem Körper auf die nach hinten angebeugte Sohle des linken Fußes). Dann gibt es da noch den Kniesprung und verschiedene Schläge, den Fünfer-Schlag zum Beispiel. Andere Begriffe sind selbsterklärend: Fuß-Schlag rechts außen oder Schenkelschlag links. Die Lederhose, sie gehört zum Plattln – aus mehreren Gründen: Sie ist Bestandteil der Tracht, das Leder muss schnalzen, die Oberschenkel schonen und strapazierfähig sein. Deswegen haben die Bixn sich auch eigene kurze Plattler-Lederhosen schneidern lassen, die alle Anforderungen erfüllen. Die Plattler-Bixn sind zehn Frauen zwischen 25 und 43 Jahren, die durchweg Dialekt sprechen und das Plattln als Hobby für sich entdeckt haben. Die Gruppe wird sehr oft für Geburtstage oder andere Feiern gebucht; schon zum zweiten Mal waren sie auch auf der Bühne im Schrobenhausener Volksfestzelt zu erleben. Gaudi, Plattln und Musik sorgen stets für gute Stimmung. Als Sonja Burg, der Kopf der Plattler-Bixn, vor etwa zwei Jahren die Gruppe ins Leben gerufen hat – entstanden ist das Hobby und die Gruppe aus einer Geburtstagsüberraschung – sorgte das überregional für Schlagzeilen. Heute sind die Auftritte durchweg professionell, mit eigens angefertigten kurzen Krachledernen mit Herzerl, keckem knallrotem Hut, dazu ein farblich passendes Karohemd.