stadtgeflüster
Plakate pflastern seinen Weg

03.04.2020 | Stand 02.12.2020, 11:36 Uhr

Sie strahlen uns an.

Tag für Tag, in der Früh, wenn wir in die Arbeit radeln, und am Abend, wenn wir heimfahren. Eisern halten sie die Stellung an unserem gewohnten Radlweg, stets an derselben Stelle. Nichts und niemand kann sie zu einer Veränderung bewegen, weder Kälte noch Corona. So viel Bodenständigkeit ist ja eigentlich eine schöne Sache. Auch einem gewissen Beharrungsvermögen kann man als Journalist durchaus etwas abgewinnen. Aber so ein bisschen Abwechslung wäre schön langsam auch nicht schlecht. So wie beim Essen. Die Leberknödelsuppe, die wir gestern selber zubereitet haben (Schlachtung aus ganzjährig frei laufendem Angus-Rind aus Pobenhausen) schmeckt einfach so, wie so eine Delikatesse schmecken muss. Aber jeden Tag möchten wir sie nun auch nicht essen.

Doch wir schweifen ab, obwohl (oder gerade) weil wir mittags wieder einmal mehr gegessen haben als geplant. Doch auch Unmengen von Süßlupinen ändern nichts daran, dass unsere Papp- respektive Hohlkammer-Kameraden am Wegesrand immer noch vor ihrem Platz auf uns herabschauen wie einst die Terrakottaarmee des Kaisers von China. Wie Walter Röhrl in seinen besten Zeiten können wir unsere Kommunalwahl-Roadmap schon im Schlaf aufsagen: Agnes Krumwiede: scharf rechts, Sepp Mißlbeck: links abbiegen, Martin Köster: hochschalten in den nächsten Gang , Christian Lange: kurz abbremsen und schauen, ob ein Auto von rechts kommt.

Es gibt jetzt zwei Möglichkeiten für die Parteien: Entweder Ihr lasst die Plakate hängen bis zur nächsten Wahl - oder Ihr nehmt sie ab. Und zwar bald, denn ansonsten gewöhnen wir uns daran. Und wenn sie dann mal weg sind, finden wir ohne die Roadmap-Plakate unseren Weg nicht mehr - und statt beim Mißlbeck-Sepp abzubiegen, fahren wir geradeaus in die Tanne der Herz-Jesu-Pfarrei, die im Advent als Christbaum dient.

peh