Lampertshofen
Plädoyer für ein Überdenken des westlichen Lebensstils

Referentin der KLB Augsburg spricht über Konsum, Spekulantentum und Agrarpolitik

17.02.2012 | Stand 03.12.2020, 1:49 Uhr

Josefine Anderer-Hirt war die Gastreferentin bei der Versammlung des VLF.

Lampertshofen (ahl) Zum Perspektivenwechsel lud Josefine Anderer-Hirt, Referentin der KLB Augsburg, die rund 60 Zuhörer ein. „Landwirtschaft im Spannungsfeld von Energie- und Nahrungsproduktion“ hatte sich die Agrarwissenschaftlerin, die einige Jahre als Entwicklungshelferin in Nigeria gearbeitet hat, als Thema vorgenommen.

Sie warnte vor Schwarz-Weiß-Malerei und kam zu dem Schluss, Nahrung und Energie seien beide lebensnotwendige Güter, daher könne Bioenergie das Weltklima nicht retten – Biomasse sei und bleibe eine knappe Ressource. Auch technischer Fortschritt eigne sich kaum, oft würden Einsparpotenziale durch ein Mehr an Sicherheit und Komfort wieder aufgefressen. Die Referentin rief vielmehr dazu auf, den persönlichen Lebensstil zu überdenken. Seit 200 Jahren strapaziere der westliche Lebensstil die Ressourcen der Erde weit über Gebühr. Anderer-Hirt zeigte verschiedene Schwachpunkte der Energiewende und der Agrarpolitik auf, ohne jedoch ein Patentrezept anbieten zu können, was einige Zuhörer nicht recht zufriedenstellte, wie sich in der anschließenden Diskussion zeigte.

Eine wachsende Weltbevölkerung müsse nicht zugleich mehr Hunger auf der Welt bedeuten. Das Hauptproblem sei Spekulantentum. Wenn Agrarpreise stiegen, witterten Geschäftemacher auf den Agrarmärkten Gewinne. „Es hat sich eingebürgert, dass landwirtschaftliche Erzeugnisse begehrtes Objekt für Spekulationen geworden sind“, berichtete Anderer-Hirt. Wenn Agrarprodukte teuer sind, würden die großen Händler die fettesten Gewinne einfahren. „Wie kann es sein, dass von einem Moment auf den anderen die Preise explodieren“, fragte sie. Spekulanten sahnten ab und verschärften den Hunger. Immer weiter klafften Spekulations- und Realpreis auseinander. Wenn Agrarpreise steigen, dann weckten Land und Wasser neue Begehrlichkeiten, Landraub in den Entwicklungsländern greife immer mehr um sich, zumal die Landgesetzgebung häufig unvollständig sei.

Ernährungssouveränität forderte sie ein. Jedes Land habe das Recht, seine Agrarprodukte selbst herzustellen und nicht von billigen Produkten anderer überschwemmt zu werden. Als Negativbeispiel der EU-Agrarpolitik berichtete sie von holländischen Zwiebeln, die in den Senegal importiert würden und dort den Markt kaputtmachten, so dass die dortigen Bauern auf ihren Zwiebeln sitzen blieben.

Biogasanlagen sieht Anderer-Hirt differenziert. Einerseits seien sie überall wie Pilze aus dem Boden geschossen und könnten den Bürgern schon langsam nicht mehr vermittelt werden. Die Gesetzgebung habe 2009 Biogasanlagen massiv gefördert, das neue Erneuerbare-Energien-Gesetz aber mache Biogasanlagen für die kleinbäuerliche Landwirtschaft in Süddeutschland völlig uninteressant. Andererseits sei hier eine hohe Wertschöpfung vorhanden, rund 145 Millionen Euro seien allein von den Lechwerken im Vorjahr an Biogasanlagenbetreiber ausgezahlt worden.

Die meiste Energie beziehungsweise Kohlenstoffdioxidausstoß könne durch Wärmedämmung der Häuser eingespart werden. Auch bei der Mobilität sah die Referentin Luft, die Autos seien viel zu groß und schwer, in den seltensten Fällen werde beim Kauf auf den Benzinverbrauch geachtet – „auch wenn ich das im Audi-Land vielleicht nicht sagen darf“.

Noch einen Aspekt nannte sie, der nicht unbedingt bei allen Zuhörern gut ankam. „Ich weiß es ist ein heikles Thema, aber es ist eine Tragik, dass je höher das Einkommen ist, umso mehr Fleisch konsumiert wird“, bedauerte Anderer-Hirt. In Deutschland gelte mengenorientierter Fleischkonsum aber mittlerweile als Unterschichtenphänomen. „Seien Sie also nicht traurig, wenn in Deutschland in 15 Jahren weniger Fleisch verzehrt wird“, adressierte sie die Fleischerzeuger im Publikum direkt. Sie plädierte dafür, bewusst einzukaufen. „Die Welt hat genug für Jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für Jedermanns Gier“, zitierte sie abschließend Gandhi.