Riedenburg
Plädoyer für die Wirtshauskultur

Kabarettistin Andrea Limmer überzeugt bei ihrem Auftritt in der Dreiburgenstadt das Publikum

10.01.2016 | Stand 02.12.2020, 20:20 Uhr

Gratwanderung zwischen griesgrämiger Bodenständigkeit und leichtfertigem Scharfsinn: Andrea Limmer lieferte bei ihrem Auftritt in Riedenburg beste Unterhaltung. - Foto: Erl

Riedenburg (DK) Fast hätten die Gäste den kleinen Wirbelwind aus einem niederbayerischen Provinzdorf komplett übersehen. Kein Wunder auch, denn bei einer Körpergröße von 158 Zentimetern, einem geschätzten Alter von kaum 20 Jahren und einem Gewicht von etwas über 45 Kilo samt Ukulele fällt so ein „Wischerl“ kaum auf.

Darum beginnt Andrea Limmer ihren Auftritt in Riedenburg mit einer Überrumpelungsstrategie am Mikrofon. „Probier ma’s no amal“, sagt sie, verschwindet kurz hinter der Wand und schon bereiten ihr die Besucher im fast ausverkauften Wirtshaussaal einen herzlichen Begrüßungsapplaus. Limmer hat sich in ihrem Programm das Ziel gesetzt, die Wirtshauskultur in Bayern zu retten. Der Elan hinter diesem Vorsatz steht ganz im Gegensatz zu dem zerbrechlich scheinenden Persönchen. „Sigt mi a jeder“ fragt sie in die Runde der Leute, die im Sitzen fast so groß sind wie ihre aufrechte Gestalt hinter dem Mikrofon.

Schon in den ersten Texten und Anwärmern wird klar, dass diese Frau voller Selbstbewusstsein steckt, Lebenserfahrung hat und die rare Gabe der geistreich-witzigen Spontanität besitzt. Als hätten sie es abgesprochen, fällt bei ihrem Auftaktlied „Seit beim Koblerwirt nicht mehr gerauft wird“, am Nebentisch ein volles Gläsertablett um. „Ich hätt noch eine Wechselhose dabei“, bietet sie dem durchnässten Zweizentnermann unter dem Gelächter der Gäste an. Andrea Limmer ist nicht aufs Maul gefallen und immer nahe am Publikum. In ihren Texten erzählt sie mal überzeichnet sarkastisch und mal mit ruppiger Liebenswürdigkeit vom Leben auf dem Land, das nicht nur in Kilometern gerechnet sehr weit von den Großstädten entfernt ist. Die quirlige Kabarettistin erzählt von der Sanierung keimbelasteter alter Wirtshäuser und von renitenten Wallfahrern, von der verzweifelten Partnersuche in den überalterten Dörfern und vom Aufeinanderprallen der Kulturen. Mundart ist ihr dabei ganz besonders wichtig und so breitet sie auch die leidvollen Erfahrungen eines Ehepaares aus „Hochdeutschland“ in einem niederbayerischen Dorfwirtshaus aus.

Limmers Programm ist eine Gratwanderung zwischen griesgrämiger Bodenständigkeit und leichtfertigem Scharfsinn, derbem Humor und sprühender Wortdrechslerei. Die Mischung kommt gut in der Runde an, die Leute hängen aufmerksam an ihren Lippen und honorieren die Pointen mit heiterem Lachen. Immer wieder mal holt sie die Ukulele hervor und streut ein paar selbst geschriebene Lieder ein. Sie hat auch ein Büchlein verfasst. „Freilich!“ heißt das Werk mit ausgedachten unvermeidlichen niederbayerischen Wirtshausgrotesken, von denen sie gleichfalls ein paar vorstellt. Andrea Limmer bleibt aber nicht nur bei ihren skurril überzeichneten Dorf- und Liebeserlebnissen, sondern streift auch gesellschaftspolitische Themen. „Bloß weil’s auf jede Wiesn an Industriebau stellen, geht’s doch den Leuten ned besser“, schimpft sie und lässt die Oma in der Angst vor Überfremdung mit einer Mistgabel gegen die Sternsinger antreten.

Nicht alle der von ihr aufgespießten Themen offenbaren sich beim ersten Hinhören als offene Kritik. Beim Zwist zwischen dem Ober- und dem Unterbauer wird die Biogasanlage nur in einer Nebenrolle wahrgenommen und die Häme für Politiker wie etwa Horst Seehofer wäre besser mit gezielten Beispielen verknüpft. Das Gesamtkonzept der temperamentvollen Kabarettistin samt Zugabe aber begeistert die Zuhörer. Andrea Limmer wird im Herbst wieder kommen – der Abend ist jetzt schon empfehlenswert.