Ingolstadt
Pizzagalli und Grippe kein Hindernis

Johannes Wolf verteidigt seinen Kickbox-WM-Titel – Veranstalter Jens Lintow ist dennoch unzufrieden

01.04.2012 | Stand 03.12.2020, 1:39 Uhr

Immer voll konzentriert: Johannes Wolf musste trotz einer Grippe gegen Roberto Pizzagalli antreten, sein WM-Titel geriet dabei nie in Gefahr. - Foto: Bösl

Ingolstadt (DK) So ausgepumpt wie am Samstagabend nach seinem WM-Kampf gegen Roberto Pizzagalli hat man Johannes Wolf selten erlebt. Nach seinem verdienten 3:0-Punktsieg brauchte der Ingolstädter Kickboxer ein paar Minuten, bis er sich wieder erholt hatte.

Das hatte jedoch weniger mit seinem Gegner zu tun als vielmehr mit seiner angeknacksten Gesundheit. Hatte ihn vor drei Wochen noch ein Nasenbeinbruch gehandicapt, so kam in der Woche vor dem Fight in der Klasse bis 58,2 kg noch eine Ellbogenverletzung hinzu. Das aber war noch nicht alles, denn am Kampftag erwachte Wolf mit einer schweren Grippe. „An eine Absage des Kampfes war nicht zu denken, zumal da sehr viel Logistik dahintersteckt. Also bin ich noch am Nachmittag zum Arzt und habe mir ein paar Vitamine verabreichen lassen“, schildert Wolf, nachdem er sich wieder einigermaßen erholt hatte. „Mir ging es heute richtig übel, deshalb bin ich sehr glücklich, dass es dann doch gereicht hat.“

Ob er nicht versucht habe, den Kampf frühzeitig zu entscheiden, um sich quälend lange zwölf Runden zu ersparen? „Versucht ja, aber nachdem ich festgestellt habe, dass er eine Menge einstecken kann, habe ich das aufgegeben, weil das ja auch brutal viel Kraft kostet.“ Das merkte man Wolf auch an, seine spektakulären Angriffsaktionen vermisste man dieses Mal über weite Strecken. Doch mit viel Routine brachte er den Kampf über die Runden. „Er hat ein paarmal versucht mich zu attackieren, aber dann habe ich ihn mit meinen Beinen immer wieder gebremst, dann wurde er schnell wieder ruhiger“, fasst Wolf den Kampf aus seiner Sicht zusammen. Dass er immer wieder kleine Pausen einlegte, in denen er Kraft sparen konnte, ist durchaus verständlich, denn, so Wolf: „Ich hatte ja keine Ahnung, wie lange das gut geht.“

Nun, es reichte locker bis zum Schluss, die erfolgreiche Titelverteidigung geriet nie ernsthaft in Gefahr. Was auch sein Trainer Jens Lintow so sah: „Dafür, dass er solche gesundheitlichen Probleme hatte, hat er das gut umgesetzt. Johannes hat bis zum Schluss mit seinem Gegner gespielt. Er ist eben Profi und weiß genau, was er zu tun hat.“

Das wusste auch Wolfs Mannschaftskamerad vom Kickboxtempel Ingolstadt, der 37-jährige Rene Kretschmar. Er brauchte nur knapp eine Minute, dann hatte er seinen Vorbereitungskampf auf seine EM-Titelverteidigung im Sommer in Augsburg gewonnen. Sein als „Mazedonischer Stier“ angekündigter Gegner Borje Iwanowski erwies sich bestenfalls als tibetanischer Flamingo und musste schon nach dem ersten Treffer bis acht angezählt werden. Als er Sekunden später erneut zu Boden ging, brach der Ringrichter den ungleichen Fight ab. „Ich habe heute beim Warmmachen mehr geschwitzt als beim Kampf selbst“, lachte Kretschmar nach seinem Kurzeinsatz. Überwiegt bei einem so kurzen Kampf eigentlich die Freude über den schnellen Erfolg oder der Frust, dass man nicht mehr zeigen konnte? „Man ist natürlich froh, wenn man so schnell gewonnen hat. Aber das ist man auch, wenn man sich über die kompletten Runden gequält und am Ende auch gewonnen hat.“ Den Kampfverlauf beschreibt Kretschmar dann kurz und knapp: „Ich habe erst einmal geschaut was er so macht. Dann dachte ich, ich lass’ mal einen Lowkick raus. Und weil er gerade günstig stand, hat das dann auch geklappt.“

Die knapp 200 Zuschauer des Dinnerboxens in der ausverkauften Byblos-Lounge in Ingolstadt waren zufrieden, die Ingolstädter Kämpfer auch (Johannes Müller landete in seinem ersten Kampf einen Punktsieg, nur Johann Kun musste eine Punktniederlage einstecken), doch Veranstalter Lintow hatte wenig Grund zur Freude. „Das war heute der letzte Kampfabend, den ich veranstaltet habe. Die Leute kommen alle nur her und wollen keinen Eintritt zahlen. Und viele Sponsoren sind kurzfristig abgesprungen“, macht er seiner Enttäuschung Luft. „Ich habe auch keinen Bock, immer nur den Steven Prinzing zu melken, obwohl der mir immer ausgeholfen hat“, bricht er eine Lanze für seinen langjährigen Hauptsponsor.

So werden die Ingolstädter Fans Johannes Wolf und Co. künftig wohl nur noch auswärts zu sehen bekommen. „Er hat von überall Angebote. Gerade im Ausland wollen sie ihn sehen, und dort zahlen sie auch richtig Geld für ihn.“ Wolf selbst muss das nur noch mit seinem Arbeitgeber abklären. Er ist nämlich seit wenigen Wochen bei der Bundeswehr und leistet dort derzeit seine Grundausbildung ab. Wobei er sich dort aber bei einer schweren Grippe vermutlich im Bett auskurieren kann – und nicht im Boxring.