Immer
Phantomtorschütze hat die Seiten gewechselt

01.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:36 Uhr

Immer wieder diese Sache mit dem Phantomtor. Thomas Helmer ist im Laufe seiner Karriere dreimal Deutscher Meister mit dem FC Bayern geworden, bestritt 68 Länderspiele, holte zudem zweimal den DFB-Pokal, einmal den Uefa-Cup - und zählte auch zu jenem deutschen Team, das 1996 in England Europameister wurde.

Dennoch wird er hauptsächlich immer wieder mit dem in Verbindung gebracht, was sich am 23. April 1994, einem sonnigen Samstagnachmittag, im Münchner Olympiastadion ereignete. Beziehungsweise nicht - denn dass sich der Ball nach einer Berührung durch Helmer im Tor des 1. FC Nürnberg befand, das sah eigentlich nur das Schiedsrichtergespann um den Bremer Hans-Joachim Osmers an der Spitze so. Der Nationalspieler, in unmittelbarer Nähe der Torlinie stehend, hätte den Irrtum der Unparteiischen sofort auflösen können, tat es aber nicht - was auf seinem Ruf als ehrbarer Sportsmann erhebliche Kratzer hinterließ.

"Mir gingen damals auf dem Platz tausend Gedanken durch den Kopf - aber keiner, der in diesem Augenblick der richtige gewesen wäre", gab der Westfale hinterher zerknirscht zu. "Als Spieler wusste ich in dieser Ausnahmesituation zwischen jubelnden Kollegen und eigenen Zweifeln für ein paar Momente wirklich nicht, was los ist und was ich machen sollte."

Wie der Journalist Helmer in jener Lage wohl mit dem Sportler Helmer umgegangen wäre? Fakt jedenfalls ist: Kaum hatte er im Jahr 2002 - mit einem Bezirksliga-Einsatz für den oberpfälzischen SV Seligenporten - seine aktive Fußballerlaufbahn beendet, begann der bisherige Defensivakteur eine Karriere in der Medienbranche. "Dadurch konnte ich die blöden Fragen plötzlich selbst stellen, anstatt sie beantworten zu müssen", erinnert er sich mit einem Lächeln zurück.

Also keine Engagements als Trainer beziehungsweise Manager, wie sie viele seiner früheren Berufskollegen anstrebten. "Ich hatte einfach keine Lust mehr darauf, so viel Zeit in Stadien, Trainingslagern und Hotels zu verbringen", erzählt der mittlerweile 51-Jährige. Und nur ein Fragen beantwortender Experte im TV? Das war eben auch nicht so sein Ding. Prompt rutschte er so richtig in seinen aktuellen Job rein. "Aber genau geplant war das Ganze nicht", gibt Helmer zu. "Anfangs ist es mir sogar schwer gefallen, vor der Kamera zu stehen. Gerade im Studio ohne Publikum - ganz schlimm: Da schaut man plötzlich in ein schwarzes Loch und soll was machen."

War er nun ein Naturtalent als Fernsehjournalist? Oder arbeitete er sich einfach nur fleißig in die neue Aufgabe hinein? Helmer kletterte auf jeden Fall sehr schnell Stufe um Stufe die Karriereleiter nach oben - um als vorläufigen Höhepunkt im August 2015 die Leitung des "Doppelpasses" übernehmen zu dürfen, also jener Kult-Talksendung an jedem Sonntagvormittag auf Sport 1. Souverän, sachlich, aber auch witzig - so seine Haupteigenschaften, die bei einem Millionenpublikum regelmäßig sehr gut ankommen.

Auch privat scheint Helmer mittlerweile sein Glück gefunden zu haben. So ist er nun schon seit 2005 in zweiter Ehe mit der Schauspielerin Yasmina Filali verheiratet, hat mit ihr eine gemeinsame Tochter und einen gemeinsamen Sohn. Ob der Westfale momentan, in einer ruhigen Minute, vielleicht auch an die Geschehnisse vor 20 Jahren zurückdenkt? Er war ja damals, beim grandiosen EM-Titelgewinn 1996, einer von nur sechs Deutschen, die in allen sechs Partien zum Einsatz kamen.