Berching
Pferdeflüsterer und Politprofis

Berchinger Rossmarkt zieht die Massen an Finanzminister Söder hält eine Rede ohne große Attacken

07.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:50 Uhr

−Foto: Horst Richter

Berching (DK) Diese Schärfe vergangener Jahre - sie scheint an diesem Februartag gestern wie weggeblasen! Der erste Mittwoch nach Lichtmess ist traditioneller Rossmarkttag in Berching, in dieser überaus reizvollen Stadt im Kreis Neumarkt, und sie haben Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) als Redner eingeladen. Doch wer nun einen polternden Ministerpräsidenten in spe im Wahlkampfmodus erwartet hat, sieht sich enttäuscht.

Söder spult sein Programm ab, das auf einen kurzen Nenner gebracht die Vorzüge Bayerns und des politischen Systems hierzulande, also vornehmlich die Leistungen der Christsozialen, würdigt. Große Attacken gegen politische Gegner bleiben indes aus.

Warum soll Söder sich auch abmühen, wo es doch im Moment in seinem Sinne läuft? Als Kronprinz für das höchste politische Amt im Land war er zuletzt vor zwei Jahren zu Gast in Berching gewesen, nun steht er kurz vor dem Ziel. Alles nur noch eine Frage der Zeit, und er kokettiert auch auf dem Rossmarkt mit diesem Umstand.

Gut 15 000 Menschen dürften gestern nach Berching gekommen sein, es ist kalt, aber trocken. Ideales Wetter, freut sich Bürgermeister Ludwig Eisenreich. Marktstände ziehen sich wie an einer Perlenschnur gereiht durch die schöne Stadt - ob nun Brotzeit oder Büffelledergürtel, Socken ohne Gummi oder Schuhpflege, Pfannen oder Pferdewurst, es ist (fast) alles zu haben. Draußen an der Schule stellen sich derweil die Tierbesitzer mit ihren gut 90 Pferden auf, um ab 9 Uhr an den Zuschauerreihen vorbeizudefilieren. "Aaah!" und "oooh!" überall angesichts liebevoll herausgeputzter Kaltblüter oder prächtiger, mitunter nervöser Araber. Huföl sorgt da und dort untenherum für Nagellack-Optik.

Das Zugpferd ist heuer aber Markus Söder. Als er aus seiner BMW-Limousine steigt, begrüßen die Kinder der Grund- und Mittelschule ihn mit Musik. Manfred Gilch vom Bundesverband Deutscher Milchviehhalten nutzt die Gelegenheit, den angehenden Ministerpräsidenten um Unterstützung für die bayerischen Milchbauern zu bitten. Söder nimmt's zur Kenntnis. Plakate sind an diesem Mittwoch kaum zu sehen. Das war oft anders, man denke nur an die umstrittene Gleichstromtrasse vor vier Jahren - da war aber Ilse Aigner in Berching, nicht Söder, ein Spießrutenlauf. Diesmal bleibt alles ruhig. Später meldet sich noch ein Gegner des Nationalparks Donau-Auen aus Kelheim, er setzt auf den Einfluss des künftigen Landesvaters in seinem Sinne.

Derweil steht Hubert Aiwanger von den Freien Wählern am Tor des Türmers und sammelt Unterschriften für die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge. Will der Söder diese Gebühren nicht ebenfalls eliminieren? "Das ist wie mit dem G 9", sagt Aiwanger auf diesen Einwand. "Wir präparieren die Themen und die CSU greift sie hoffentlich auf. Sonst zünden wir die nächste Stufe." Er meint ein Volksbegehren. Immerhin: An diesem Mittwoch unterschreiben die Berchinger fleißig auf den Listen.

Markus Söder spricht es wenig später aus: Diese leidigen Beiträge für den Straßenausbau sollen weg. Das kommt gut an. Ansonsten singt er in seiner Ansprache in bekannter CSU-Manier ein Loblied auf Bayern, will im Freistaat keine Verhältnisse wie in Berlin sehen und verspricht unter anderem, mehr für die Pflege, die Polizei und die Sicherheit zu tun. Söder tritt für eine Amtszeitbegrenzung der bayerischen Ministerpräsidenten ein, will die Bauern mehr fördern, die Eigentumsquote bei Wohnbauten erhöhen und die Strukturen am Land stärken, auch was moderne und schnelle Internetanschlüsse betrifft.

Das Thema Flüchtlinge darf am Ende nicht fehlen, schließlich hat sich "die Seelenlage unseres Volkes seit 2015 verändert". Wer wirklich Hilfe brauche, bekomme sie. "Wer den Anspruch aber verwirkt, muss zurück." So einfach geht das in der Theorie. In der Praxis quillt gerade das Eichstätter Abschiebegefängnis über.

Mit einem relativ kurzen Gang durch die Menge verabschiedet Söder sich dann auch schon wieder. Im dichten Gedränge bahnen Polizisten ihm den Weg zum "Pflichtfoto" zwischen zwei stattlichen Rappen. Noch ein paar Worte mit Besuchern, und fort ist er. "Berching ist mir heute wichtiger als Berlin", hatte er bei seiner Begrüßung in Bezug auf die endlich erfolgreichen Koalitionsverhandlungen erwähnt. Aber jetzt will er wohl doch genauer wissen, was da oben alles abgegangen ist.