Pfaffenhofen
Pfaffenhofener tritt bei Metzger-WM an

Thomas Schranz hat sich mit "Bayrischer Breznbrust" für die Fleisch-Olympiade in Sacramento qualifiziert

23.04.2019 | Stand 02.12.2020, 14:08 Uhr
Mit 17 Jahren für die Metzger-WM qualifiziert: Der Pfaffenhofener Azubi tritt im August 2020 im kalifornischen Sacramento gegen seine Konkurrenz an. −Foto: Herchenbach

Pfaffenhofen (PK) Thomas Schranz wetzt schon mal das Fleischermesser: Der 17-jährige Azubi der Pfaffenhofener Metzgerei Krammer hat sich vor wenigen Tagen für die World Butchers' Challenge, die Weltmeisterschaft der Metzger, qualifiziert.

Im August 2020 tritt er im kalifornischen Sacramento gegen 15 Teams aus aller Welt an - von Frankreich über Kanada bis Neuseeland.

Der Pfaffenhofener ist damit Mitglied des "Butcher Wolf Pack", der deutschen Nationalmannschaft. Das Rudel der "Fleischwölfe" gibt sich kämpferisch und bläst auf seiner Homepage schon mal zum Angriff auf den Rest der Welt: "Wir zeigen, wo die besten Metzger wohnen. Bequeme Filetstückverkäufer soll der böse Wolf holen. Das Pack reißt alles, verwertet alles, verwurstet alles. Kuh, Schwein, Lamm, Hendl - wir machen in drei Stunden Delikatessen draus. "

Bis dahin ist's noch etwas hin, aber schon jetzt gibt ihm seine Chefin Christine Krammer Zeit, sich auch außerhalb der Berufsschule in Ingolstadt monatlich auf der Fleischerschule in Augsburg auf die WM vorzubereiten. Nicht ganz uneigennützig: Christine ist seine Tante, Ludwig Krammer sein Opa, und die beiden wollen, dass der Betrieb in der Familie bleibt und ihr Neffe beziehungsweise Enkel die Metzgerei, die 1884 gegründet wurde, in der sechsten Generation übernimmt. Hat er denn überhaupt Lust, für ein Unternehmen mit 70 Mitarbeitern Verantwortung zu übernehmen? "Na klar", sagt Thomas und strahlt, obwohl er gerade erst ins Metzgerhandwerk reingeschnuppert hat. Was ihm am meisten Spaß macht? "Das Auslösen, Zerlegen und Zuschneiden von Fleisch. " Azubis müssen heute nicht mehr schlachten, das erledigt der Schlachthof in Ingolstadt. Aber sie müssen die neuesten "Cuts", die Schnitte beherrschen, um das gesamte Tier besser zu verwerten, "von der Nase bis zum Schwanz", sagt Ludwig Krammer. "Weil Fleisch", ergänzt Christine, "unser wertvollstes Lebensmittel ist. " So lässt sich durch die richtige Reifung aus dem Bauchlappen des Rindfleischs ein zartes Flanksteak zubereiten. Bei der "Apprentice-Challenge", dem Lehrlings-Wettbewerb, geht's darum, ein halbes Lamm, ein Hühnchen, Teile von Schwein und Rind zu zerlegen und innerhalb von zwei Stunden küchenfertig herzurichten. Eben so, dass die Stücke verlockend wie in einer Metzgerei-Theke angeboten werden könnten.

Wer jetzt denkt, das könne ja nicht so schwierig sein, aus einer Schweinehälfte ein Schnitzel herauszuschneiden, unterschätzt dieses Handwerk deutlich. Denn neben der Schnelligkeit wird bei der WM auch beurteilt, wie geschnitten wird. Dazu muss man die Anatomie des Tieres kennen, man muss wissen, wie Muskelfleisch aufgebaut ist und welche Struktur es hat. Außerdem wird die Präsentation bewertet. Und vor allem auch, wie das Fleisch hergerichtet wird. Innovationen, frische Ideen sind gefragt. Bei der Vorentscheidung hat sich der 17-Jährige mit einer "Bayrischen Breznbrust" qualifiziert: Er hat eine Hähnchenbrust mit einer Brezn-Frace gefüllt und das Ganze mit einer weiß-blauen Panade überzogen. Blaues Paniermehl, in Lebensmittelfarbe getränkte Semmelbrösel? Da rümpfen nicht nur Opa und Tante die Nase, ob soviel Unkenntnis, sondern erst recht Thomas. Getrocknete Kornblumen-Blüten hat er der Panade zugegeben. Darauf muss man erst mal kommen!

Es sind Ideen wie diese, sagt Opa Ludwig Krammer, die den Ruf seiner Metzgerei ausmachen. "Die Kunden wollen immer wieder was Neues", ist seine Erfahrung. Und deshalb hatte er sich als junger Metzger mit seiner Frau einem deutsch-österreichischen Kollegen-Kreis angeschlossen, der sich einmal im Monat übers Wochenende getroffen und ausgetauscht hat. 250 Metzger, von Flensburg bis Kärnten, haben sich samstags und sonntags die (Fleisch)-Bälle zugeworfen und Ideen gesammelt. "Da lernst du ungemein viel", sagt Krammer Senior, "weil du siehst, wie's andere machen. " Deshalb ist es ihm und Christine Krammer so wichtig, dass Thomas über die heimische Wursttheke hinausschaut und Erfahrungen sammelt. "Sacramento", sagt seine Tante, "das ist doch eine Riesenchance für ihn! " Weil ihr Neffe von anderen lernt. Von den Franzosen zum Beispiel, die bei der Präsentation immer ganz vorn mitmischen. Oder von den Iren, die 2018 beim Heimspiel in Belfast gewonnen haben.

Thomas Krammer tritt mit drei anderen Azubis jeweils im Einzelwettkampf an, quasi in der zweiten Liga. Das Hauptteam besteht aus sechs Metzgermeistern. Und denen über die Schulter schauen zu können, davon versprechen sich die Krammers und natürlich Thomas eine ganze Menge. Vor allem aber hoffen sie auf einen Image-Gewinn ihres Berufsstandes. "Eine junge Frau", sagt Ludwig Krammer, "tut sich in der Disco schwer, ihren Beruf zu nennen. " Metzgereifachverkäuferin - das hat wenig Charme. "Alle wollen heute Abi machen und zur Uni", klagt Christine Krammer, die selbst Wirtschaftspädagogik studiert hat. "Dem Handwerk gehen die Leute aus. "

Ganz konkret: Seit 2010 hat sich die Zahl der Auszubildenden im bayrischen Fleischer-Handwerk halbiert auf unter 700. Und während 1970 noch 2000 Metzger die Meisterprüfung ablegten, sind es jetzt noch nicht einmal 400 in ganz Deutschland. Am der Vegetarier- und Veganer-Welle kann's nicht liegen. Der Pro-Kopf-Verbrauch an Fleisch schwankt in Deutschland seit Jahren um die 60 Kilo und ist erst 2017 minimal auf 59,7 Kilo gefallen. Gleichzeitig aber, sagt Christine Krammer, steigen die Ansprüche der Kundschaft. Wenn schon Fleisch vom Metzger, dann Top-Qualität von ökologisch gehaltenen Tieren aus der Region.

Schwierige Zeiten für den zukünftigen Krammer-Erben. Damit er sich irgendwann einmal nicht nur durchwurschteln muss, sammelt er jetzt schon Qualifikationen.