Ellingen
Perlen im Ochsenstall

18.06.2019 | Stand 23.09.2023, 7:27 Uhr
Blechblasmusik trifft auf tanzbaren Rap: Dafür steht die zehnköpfige Brass-Band Moop Mama aus München, die in Ellingen alles bietet, was ihre Musikinstrumente so hergeben. −Foto: Luff

Ellingen (HK) Aller guten Dinge sind bekanntlich drei.

Das dritte Gutsfest im Ökonomiehof der Ellinger Resizenz am vergangenen Wochenende hat es daher in sich gehabt: Erstmals ging das junge Musikfestival über zwei Tage, erstmals stand für die Gäste eine Camping-Area zur Verfügung. Und nachdem die Veranstalter im vergangenen Jahr mit dem deutschlandweit bekannten Glasperlenspiel als Zugpferd einigermaßen Schiffbruch erlitten hatten - das Duo spielte kurz darauf gratis beim Bayern-3-Dorffest nur wenige Kilometer entfernt -, setzte man diesmal mit mehreren Perlen aus der zweiten Reihe Akzente. Mit Erfolg: Am Ende mehr als 1700 Gäste bedeuteten mal eben eine Verdoppelung der Besucherzahl. Und die bekamen einiges geboten: Nicht weniger als 16 Bands gaben sich auf der Hauptbühne und der kleineren Variante im so genannten Ochsenstall, einem Gebäudetrakt mit Kreuzganggewölbe, das Mikro in die Hand, zusätzlich unterhielten etwa Strabande, El Mago Masin oder Rainer von Vielen als Straßenmusiker diejenigen, die an den Foodtrucks und Verkaufsständen entlang schlenderten oder die Aktfotoausstellung besuchen wollten. Etwas abseits gelegen gab es auch ein Programm für Kinder, das mehr beinhaltete als das übliche Schminken: Andreas Schock, als Klinikclown in Roth und Nürnberg - im vergangenen Jahr tourte er als Clown sogar durch den Iran - unterwegs, brachte Interessierten dort das Jonglieren bei. Bei so viel familiärer Vertrautheit auf dem Gelände wollte auch die eine oder andere Band nicht hintanstehen. Die Donots, neben den Erlanger Blödel-Metallern von J. B. O. einer der Hauptacts des Freitags, gebe es seit 25 Jahren, sagte ihr Sänger Ingo Knollmann: "Aber zum ersten Mal haben wir den Backstagebereich in einem Pferdestall. " Die Punkrocker überzeugten mit einer energiegeladenen Bühnenshow, fettem Sound und einer klaren politischen Botschaft. Selbst Fünfjährige hatten sich unters Publikum gemischt, wie die Donots mit wenigen Fragen von der Bühne herab feststellten. "Kompliment an die Kids! ", rief Gitarrist Guido Knollmann. So sollten sie weitermachen, denn: "Hier sind die guten Leute, nicht beim Rechtsrock. "Das Gedränge auf dem Hof wurde beim nächsten Auftritt noch ein wenig stärker - von einer Band, die allzu ernster politischen Aussagen völlig unverdächtig ist: J. B. O. Als "Verteidiger des wahren Blödsinns" - so einer ihrer Titel - machen Hannes "G. Laber" Holzmann, Vito C. und Co. schon seit 30 Jahren vor allem den fränkischen Raum unsicher. Mit dem Erfolgsrezept, das sie in einem ihrer Lieder auch in Ellingen treffend beschrieben: "Das ist alles nur geklaut. Nur mit Metal und Gegrunze. " Die Blödelbarden mit dem Faible für harte Klänge trafen offensichtlich den Nerv des Publikums - auch mit dem mehr oder minder gelungenen Spaßparts, bei denen etwa der Langweiler und der Vier-Finger-Mann als alberne Tänzer im Background die Bühnenshow unterstützten. "Wer lässt die Sau raus? ", fragten J. B. O. statt "Who Let the Dogs Out? ?. Klar, die Fanmassen vor der Bühne. Ein gelungener Abschluss des ersten Tages. Den hatte mit Josh alias Johannes Sumpich ein Wiener Sänger eröffnet, dem mit "Cordula Grün? einer der Sommerhits 2018 gelungen war - "ein Lied, das der eine oder andere vielleicht schon einmal gehört hat?- wie Josh in gespielter Bescheidenheit ankündigte. Ohnehin überzeugte der sympathische Shooting-Star Österreichs mit Entertainer-Qualitäten auf der Bühne. Im benachbarten Ochsenstall, der kleineren Bühne unter Dach, verbreiteten im Anschluss Some Sprouts aus Regensburg einen Hauch von Flower Power - ganz entspannt vereinte das Regensburger Quintett tanzbaren Indie mit Sythie-Pop und einer Prise Lagerfeuer-Melancholie. Apropos Synthie: Als "Quetschn-Synthie-Pop? bezeichnet die österreichische Band Folkshilfe ihren Sound, mit dem sie sich am Abend zum Überraschungs-Stimmungssieger des ersten Gutsfest-Tages aufschwingt. Ein bisschen Alpenreggae, ein wenig Pop: Das Konzert war pure Energie und Hitze. Wer Folkshilfe gesehen hat, wird davon erzählen.

Ein wenig professioneller kamen da schon Moop Mama daher, eine zehnköpfige Brass-Band aus München, die Drums und Blechblasmusik mit tanzbarem Rap verknüpfen. Und Swing. Und ab und an ein wenig Ska. Sie bieten eben alles, was ihre Instrumente so hergeben. In Ellingen konnten sie am Samstag mit diesem Mix nicht ganz an die Stimmung des Vorabends anknüpfen, auch blieben die Reihen vor der Bühne deutlich lichter als noch bei den rockigeren Bands des ersten Tages.

Nicht so bei Malik Harris, dem wohl eine große Karriere bevorsteht. Einem größeren Kreis bekannt geworden ist er mit "Say The Name", einem Lied, das es beim Radiosender Bayern 3 in kürzester Zeit zum Hit-Tipp der Woche geschafft hat. Der 21-Jährige ist nicht nur Singer/Songwriter, sondern auch ein wahrer Sunnyboy - und Sohn des früheren Sat1-Talkmaster Ricky Harris, der den Auftritt seines Sohnes stolz wie Oskar mit dem Handy filmte, begeistert applaudierte, die Fan-T-Shirts hoch hielt und auch sonst einigen Wirbel am Bühnenrand veranstaltete. "Ich bezahl' ihn nicht dafür", versicherte der Filius treuherzig. "Wenn heute nichts verkauft wird, ist das allein deine Schuld?, wandte sich Malik Harris an seinen Dad. Das stand nicht zu erwarten, die jungen Mädels standen Schlange, um sein Autogramm zu ergattern.

Insgesamt kam der zweite Festivaltag nicht ganz an den ersten heran. Doch Bands wie Schmutzki, Heischneida, Rainer von Vielen und Eskalation brachten die fürstlichen Gemäuer trotzdem ordentlich zum Wackeln und selbst der nachts einsetzende Regen konnte der ausgelassenen Stimmung nichts anhaben.

Veranstalter Erik Scheffel jedenfalls zeigte sich mit der Resonanz auf das nun zweitägige Festival zufrieden: "Damit, dass gleich 300 Leute hier campen wollten, hatte ich nicht gerechnet?, sagt er. Das zeige den Wunsch der Leute nach einer mehrtägigen Veranstaltung in der Region. Er wolle auf jeden Fall weitermachen, 2020 soll der Schlosshof in Ellingen wieder rocken.

Volker Luff