Perfekte Sprengung mitten im Ortskern

07.06.2009 | Stand 03.12.2020, 4:54 Uhr

Gratulation: Sekunden nach der Sprengung schüttelten sich Bürgermeister Ludwig Diepold und Sprengmeister Roman Winkler (rechts) die Hände. Auch Florian Schneider, der stellvertretende Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Großmehring (links), und seine 30 Männer machten einen Top-Job.

Großmehring (DK) Ein Sprengspektakel lockte am Samstagabend die Großmehringer auf die Ingolstädter Straße. Die Schaulustigen kamen beim rasanten und perfekt inszenierten Abbruch des 25 Meter hohen ehemaligen BayWa-Getreideturms voll auf ihre Kosten.

Stefan Esch bringt so schnell nichts aus der Ruhe. Vor zwei Jahren wurde er für die Bergung einer Mutter mit ihrer kleinen Tochter aus den reißenden Donaufluten mit der Bayerischen Rettungsmedaille geehrt. Und er ist auch ein erfahrener Bauleiter. Doch das knifflige Projekt, das er jetzt in Großmehring verantwortete, machte ihn dann doch ein wenig nervös. "Bist du guter Dinge", fragte Esch und blickte angespannt auf das imposante Gebäude, das bis Samstagabend in der Gemeinde östlich von Ingolstadt sogar fast den Kirchturm überragte. "Wir haben alles Menschenmögliche getan", beruhigte Roman Winkler seinen Auftraggeber.

In der Tat: Der 52-jährige Sprengmeister aus Traunstein und sein vierköpfiges Team hatten sich ganz genau überlegt, wie sie den 1961 gebauten und 1984 stillgelegten Getreideturm der BayWa umlegen wollten. Die Herausforderung hatte es in sich: Das 25 Meter hohe Gewerbegebäude stand immerhin direkt neben einem Einkaufszentrum und grenzte auch im Südwesten an ein privates Grundstück. Die städtischen Lagerhallen im Hof befanden sich zudem genau in der Fallrichtung des Turms und sollten die Sprengung möglichst unbeschadet überstehen. Das Abrisskonzept sah daher vor, zunächst gezielt die tragenden Betonpfeiler zu sprengen, um die 100-Tonnen-Decke des ersten Geschosses zu Fall zu bringen. "Wenn diese Basis wegbricht", so Roman Winklers Kalkül, "dann stürzt der insgesamt 300 Tonnen schwere Oberbau ganz von alleine zusammen."

Ursprünglich sollte der Turm von Hand mit dem Presslufthammer Stück für Stück zerlegt werden. Doch auf dem Nachbardach konnte aus statischen Gründen kein Gerüst aufgebaut werden, und so entschloss sich Bauleiter Stefan Esch zusammen mit den Kommunalpolitikern für eine Sprengung. Bereits zuvor hatte der Gemeinderat grünes Licht für den 100 000-Euro-Abbruch gegeben. Die zukünftige Nutzung des Geländes im Ortskern, so Bürgermeister Ludwig Diepold, sei jedoch noch nicht geklärt. Klar ist jedoch, dass das angrenzende Wasserwachtheim und die Gemeindehallen vorerst erhalten bleiben.

Obwohl kein großes Aufsehen um die spektakuläre Sprengung gemacht werden sollte, sammelten sich am Samstagabend Hunderte von Schaulustigen an der Ingolstädter Straße. Florian Schneider, der stellvertretende Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr, und seine 30 Männer spritzten ab 20 Uhr großflächig Wasser auf die Baustelle vor dem Getreideturm, um von vornherein die Gefahr einer Staubwolke einzudämmen. Nach letzten Instruktionen – "wenn ich zweimal kurz hupe, steht die Sprengung unmittelbar bevor" – schickte Roman Winkler fast alle Beteiligten hinter die Absperrungen.

Termingerecht um Schlag 20.30 Uhr drückte der Sprengmeister den Knopf für die elektrische Zündung. Einen Sekundenbruchteil nach dem gedämpften Explosionsknall tat sich erst einmal nichts, bevor sich der Beton- und Ziegel- gigant wie von Riesenhand geschoben verneigte. Sofort sprangen die Wasserschläuche der Feuerwehr an, senkrecht stand die so genannte Hydrowand über der Straße. Der Staub über dem ehemaligen BayWa-Gelände hielt sich nur kurz in der Luft, dann lichtete sich die Szenerie: Fast in einem Stück lag der Getreideturm quer über dem Hof. Als erster betrat Roman Winkler das Trümmerfeld und jubelte: "Das war perfekt!"

Ein Bub, der sich zusammen mit den anderen Schaulustigen über das Geröll kämpfte, konnte seine Neugier nicht dämpfen: "Mit welcher Bombe haben Sie das gemacht", fragte der ehrfürchtig Staunende. Sprengmeister Winkler schmunzelte erst nur, erläuterte dann doch geduldig und stolz seine Technik. "Wir haben zwei Kilogramm eines Sprengstoffgemisches und verschiedene, zeitversetzte Zündsysteme verwendet", berichtete der Experte aus Traunstein. Das Ergebnis dieser optimalen Technik konnte sich denn auch wahrlich sehen lassen: Da der Turm genau wie berechnet gebrochen war, gab es keine ungewollte Beschädigung. Selbst Alois Schittler, der bis 1984 im Getreideturm gearbeitet hat, trauerte nur kurz über "meinen schönen Turm", bevor er sich auch an die mühselige Getreidearbeit erinnerte: "In der Erntezeit mussten wir da drin jeden Tag rauf und runter."