München
Pereiras Plan

1860 München kommt unter dem neuen Trainer immer besser in Schwung Gegner Nürnberg nach 0:2 im Niemandsland

21.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:37 Uhr

München (DK) Beim begeisternden 2:0-Derbysieg gegen den 1. FC Nürnberg zeigt der TSV 1860 eindrucksvoll, in welche Richtung es unter dem neuen Trainer Vitor Pereira gehen kann. Der Abstiegskampf sollte für die Löwen in dieser Saison ab sofort kein Thema mehr sein.

Als sich die Löwen-Spieler nach mehreren Minuten des gemeinsamen Derbysieg-Feierns von ihrer Fankurve verabschiedet hatten, wartete in der Kabine noch eine ganz besondere Überraschung auf sie. Hasan Ismaik, seit Kurzem Tribünen-Stammgast bei den Spielen "seines" TSV 1860, hatte es sich nach dem 2:0 gegen den Club nicht nehmen lassen, die Mannschaft zum ersten Mal in knapp sechs Jahren persönlich in der Kabine aufzusuchen. Die Worte, die der Jordanier dort an Trainer Vitor Pereira und seine Spieler richtete, dürften dem Anlass entsprechend euphorisch ausgefallen sein. Schon beim 1:0 durch Abdoulaye Ba war Ismaiks ausgelassener Jubel für alle Fans sichtbar auf die Stadionleinwand übertragen worden. Begeistert war beim Heimspiel am Montagabend aber nicht nur der Löwen-Investor, sondern jeder, der es mit den Löwen hielt. Stadionsprecher Stefan Schneider war sogar so begeistert, dass er vom "besten Spiel in zwölf Jahren Allianz-Arena" sprach. Nun, dieses Urteil wäre wohl ein wenig ungerecht den 1860-Mannschaften gegenüber, die seit dem Abstieg 2004 (wenn auch selten) immer wieder mal das eine oder andere tolle Heimspiel abgeliefert hatten. Doch im Grunde hatte Schneider schon recht: Emotionale Siege, wie zuletzt beim Last-Minute-2:1 gegen den KSC, gab es in der jüngeren Vergangenheit immer wieder. Einen derartig souveränen und spielerisch ansprechenden Auftritt wie gegen den Club hatten die Löwen ihrem Publikum aber schon lange nicht mehr vorgesetzt.

Zu verdanken haben die Löwen diesen Umstand nun in erster Linie einem Mann: Trainer Vitor Pereira, der in der kurzen Zeit seit Dezember 2016 Erstaunliches geschaffen hat. Statt Zweitliga-Rumpelfußball war beim 2:0 gegen den Club erstmals ganz deutlich zu erkennen, in welche Richtung es unter dem leidenschaftlichen Portugiesen gehen soll. Dass mit Ba (16.) und Lumor (39.) zwei von Pereiras Winterneuzugängen trafen, war nur ein Ausdruck dieser Entwicklung. Doch auch abgesehen davon scheint es, als sei Pereiras Vorstellung von Fußball langsam angekommen in den Köpfen seiner Spieler. "Die Handschrift des Trainers ist ganz deutlich zu erkennen", meinte Verteidiger Sebastian Boenisch. Ein bisschen spöttisch könnte man fast behaupten, es sieht inzwischen nach Fußball aus, was die Löwen abliefern.

Dass dies bei den Sechzigern möglich sei, darüber war sich Pereira vor Kurzem selbst noch nicht ganz im Klaren. In einem ausführlichen Interview mit der portugiesischen Zeitung "Tribuna Expresso" hatte er vor wenigen Tagen seine Gedanken offenbart: "Als ich 1860 zweimal live gesehen habe, dachte ich mir: Wie will ich dieses Team dazu bringen, meinen Fußball zu spielen" Nachdem sich Pereira beim peinlichen Pokalaus in Lotte wohl noch bestätigt sah, war das Heimspiel gegen Nürnberg ein "großer Schritt in die richtige Richtung", so Präsident Peter Cassalette. Das, was Pereira an der zweiten Liga störte ("Lange Bälle, drei Ballberührungen, Ball verlieren, Ball gewinnen, Ball verlieren, Ball gewinnen"), war wenn überhaupt dann nur beim Gegner zu erkennen. Die Taktik aus Ballkontrolle und situativem Pressing führte gegen (zugegebenermaßen ersatzgeschwächte) Nürnberger also nicht nur dazu, dass diese zum ersten Mal seit 41 Ligaspielen kein eigenes Tor erzielten, sondern in der Defensive gegen die technisch starken Löwen-Angreifer immer wieder Probleme hatten. Der Club steht nach dem 0:2 im Niemandsland der Tabelle. Immerhin kehrte der zuletzt verletzt pausierende Kapitän Miso Brecko gestern ins Teamtraining zurück.

Ganz anders die Löwen: Der Erfolg gegen den 1. FC Nürnberg führte zum dritten Münchner Sieg im vierten Ligaspiel unter Pereira und damit auch zu sieben Punkten Vorsprung auf die Abstiegszone. "Wir müssen jetzt nach vorne schauen, nicht mehr nach unten", meinte Abwehrchef Ba.

Ismaik würde dann wohl auch weiterhin in der Löwen-Kabine vorbeischauen. Denn, so erklärt es Präsident Cassalette, "wenn Sechzig gewinnt, ist auch Hasan glücklich." Nach einem Spiel wie gegen den Club gilt das - ganz unabhängig davon, wie man die aktuellen Entwicklungen beim TSV 1860 beurteilt - wohl auch für alle anderen Löwen-Fans.