München
Paulaner macht Platz

Brauerei verlässt nach 400 Jahren den Nockherberg – Nun entstehen 1500 Wohnungen

04.06.2012 | Stand 03.12.2020, 1:25 Uhr

Geschichtsträchtig: Früher brauten Mönche am Nockherberg das erste Paulaner-Bier. Jetzt zieht die Brauerei nach Langwied - Foto: Huber

München (DK) Nach fast 400 Jahren räumt die Paulaner Brauerei ihren Standort am Münchner Nockherberg. Auf ihrem Areal entsteht ein neues Quartier mit 1500 Wohnungen. Die Nachbarn sind besorgt.

Im Jahr 1634 bekamen die Paulaner-Mönche aus der Au Ärger mit den Münchner Brauereien. Die Klosterbrüder schenkten Starkbier aus – und machten so den Privatunternehmen Konkurrenz. Das Beschwerdeschreiben an den Rat der Stadt betrachtet die Paulaner Brauerei heute als eine Art Gründungsurkunde. Denn die Mönche ließen das Brauen trotzdem nicht sein. Und über die Jahrhunderte wurde die einstige Klosterbrauerei unter dem Namen Paulaner zur Weltmarke.

Zur Marke gehört auch die Braustätte. Noch immer braut Paulaner an seinem ursprünglichen Standort am Nockherberg. Doch damit ist es in ein paar Jahren vorbei. Nach fast 400 Jahren verlässt die Brauerei den heutigen Münchner Stadtteil Au. Die Produktion wird an den Stadtrand nach Langwied verlagert. Zurück bleiben Bürogebäude, Wirtshaus, Biergarten und die Räume, in denen einmal im Jahr Starkbierfest und Politikerderblecken stattfinden.

Die Brauerei begründet den Schritt mit Platzmangel. Das Unternehmen wachse noch immer, heißt es. Und die Produktion wird aufwendiger. Mit dem Bierkasten ist es nicht mehr getan. Wer erfolgreich sein will, muss seine Ware auch schön verpacken. Sechserträger oder noch kleinere Gebinde werden immer beliebter. Aber für neue Anlagen und Lagerräume fehlt am Nockherberg der Platz. Schon jetzt müssen täglich etwa 300 Lastwägen auf das Gelände fahren. Das Unternehmen habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, sagt Geschäftsführer Andreas Steinfatt. Und er betont: „Wir sind und bleiben eine Münchner Brauerei.“

Der Umzug bringt aber nicht nur für die Brauerei, sondern auch für die Anwohner Veränderungen. Anders als im 17. Jahrhundert ist die Au heute kein Randgebiet mehr, sondern einer der beliebtesten Stadtteile. Das 90 000 Quadratmeter große Paulanergelände übernimmt die Bayerische Hausbau. Das Unternehmen gehört wie Paulaner zur Schörghuber Gruppe. Über den Kaufpreis ist Stillschweigen vereinbart.

Allerdings ist völlig klar, dass sich die Investition nur dann lohnen dürfte, wenn das Areal effizient genutzt wird. Wie sich die Bayerische Hausbau das vorstellt, wurde kürzlich in einem sogenannten Massenplan deutlich: 150 000 Quadratmeter Geschossfläche sollen entstehen. So sieht es auch das Münchner Planungsreferat. Das entspricht 1500 Wohnungen für etwa die doppelte Zahl an Einwohnern. Der noch immer eher beschaulichen Au steht eine Einwanderungswelle bevor.

Viele Anwohner sind alarmiert. Das wurde zuletzt auch in außerordentlichen Bürgerversammlungen deutlich. Pläne sehen Gebäude mit bis zu zehn Stockwerken vor. Aus den oberen Wohnungen wird man bei gutem Wetter Alpenausläufer sehen. Viele vermuten, dass vor allem Luxuswohnungen entstehen. Unbezahlbar für den Normalbürger.

Bei der Bayerischen Hausbau weist man die Ängste zurück. Die Höhe der Gebäude sei durch die Pläne in keiner Weise festgelegt, sagt ein Sprecher. Auch dass vor allem Luxuswohnungen gebaut werden sollen, bestreitet der Sprecher. Es werde auf dem Gelände Wohnraum „für unterschiedliche Geldbeutel“ geben.

Im Herbst soll der Münchner Stadtrat einen Aufstellungsbeschluss für das Projekt fassen. Ein Architekturwettbewerb zur Entwicklung des Geländes wird folgen. Zu klären ist dann auch, wie der Stadtteil die Betreuung der zuziehenden Kinder organisieren soll. Nach den bisherigen Planungen sind zehn Kindergarten- und neun Krippengruppen sowie zehn bis elf neue Grundschulklassen nötig.