Pfaffenhofen
Patriarch, Pionier und Wohltäter

Vor 50 Jahren starb Georg Hipp Er schuf aus kleinsten Anfängen ein Weltunternehmen

27.12.2017 | Stand 02.12.2020, 17:01 Uhr

Foto: DK

Pfaffenhofen (DK) Er zählt zu den bedeutendsten Unternehmerpersönlichkeiten in der Geschichte des Landkreises. Vor 50 Jahren starb Georg Hipp, der Gründer des Pfaffenhofener Babynahrungsherstellers Hipp.

Der gelernte Konditor und Wachszieher schuf aus kleinsten Anfängen ein Unternehmen von Weltruf und legte als einer der Pioniere des ökologischen Landbaus den Grundstein für das seit Jahrzehnten gültige Erfolgsrezept des Familienunternehmens.

Georg Hipp wird am 23. Juli 1905 als viertes von acht Kindern des Wachsziehers und Lebzeltermeisters Joseph Hipp und dessen Ehefrau Maria in Pfaffenhofen geboren. Schon in jungen Jahren helfen Georg und seine Geschwister im elterlichen Betrieb am Hauptplatz mit, in der Wachszieherei, in der Backstube und auch bei der Herstellung von Kinder-Zwiebackmehl. Dieses war vom Vater schon um die Jahrhundertwende erstmals produziert worden - zunächst nur für den Eigenbedarf, weil seine Frau Maria Probleme hatte, die beiden 1899 geborenen Zwillinge Josef und Viktoria zu stillen. Die Zusatznahrung aus selbst gebackenem und fein zermahlenem Zwieback, der mit Milch oder Wasser zu einem Brei verrührt wurde, gibt es bald auch im Konditoreiladen am Hauptplatz zu kaufen, wenig später beliefert Josef Hipp auch Drogerien in der Umgebung. Bereits als Jugendlicher interessiert sich Sohn Georg sehr für den Ausbau und die Verbesserung der Zwiebackmehlproduktion. Als Josef Hipp im November 1926 stirbt, übernimmt Georg zusammen mit seiner Mutter die Führung des Betriebs. 1928 kann er die Produktion des Zwiebackmehls bereits auf über 10 000 Pakete jährlich steigern.

Am 1. Juli 1932 steht Georg Hipp an der entscheidenden Weggabelung seines Lebens, an diesem Tag wird der Grundstein für das Hipp-Werk gelegt. Er verzichtet auf seinen Erbteil am elterlichen Konditoreibetrieb, den später sein jüngerer Bruder Hans übernimmt, und erhält im Gegenzug das alleinige Recht zur Produktion des Hipp'schen Zwiebackmehls. Mit einer Handvoll Mitarbeiter und zwei Backöfen nimmt er noch im gleichen Jahr in einer von der Spedition Stocker an der Münchener Straße für 14 000 Reichsmark erworbenen ehemaligen Hopfenhalle die Produktion auf - der junge Firmenchef ist damals 27 Jahre alt.

Der Start ist mühsam, nicht nur wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage. Aufgrund ihrer christlichen Überzeugung geht die Familie offen auf Distanz zu den Nationalsozialisten. Weil die Anfeindungen zunehmen, entschließt sich Georg Hipp 1935, die Verwaltung des Unternehmens nach München zu verlegen. Ein Jahr später heiratet er Anna Metzner aus Solothurn in der Schweiz. Sieben Kinder gehen aus der Ehe hervor.

Während des Zweiten Weltkriegs läuft der Betrieb in Pfaffenhofen auf Sparflamme weiter. 1943 wird das Firmengebäude in München bei einem Luftangriff zerstört und die Verwaltung zieht wieder nach Pfaffenhofen um. In den ersten Nachkriegsjahren steht das Unternehmen zunächst vor einer höchst ungewissen Zukunft, Hipp muss sogar schweren Herzens langjährigen Mitarbeitern kündigen. "Die Verhältnisse zwangen mich, heute sieben Frauen aus der Fabrikation zu kündigen. Aus sozialen Gründen wählte ich nur Verheiratete aus, deren Männer in Arbeit stehen", schreibt der Unternehmer 1949 in sein Tagebuch.

Doch dann kommt die Wende: Von der amerikanischen Militärverwaltung wird Hipp beauftragt, Milchpulver, Kakao und Zucker für die sogenannte Schulspeisung zu mischen, die damals in den Volksschulen eingeführt wurde. Der Auftrag sichert die Weiterbeschäftigung der Belegschaft und mit dem allmählich beginnenden Wirtschaftswunder beginnt in den 1950er Jahren der steile Aufstieg des Unternehmens. Mit "Semolin", einem Getreideprodukt, das parallel zum Zwiebackmehl produziert wird, und dem Fertigmilchpulver "Hippon" steigert das Hipp-Werk seine Umsätze kontinuierlich. Die entscheidende Idee, mit der Hipp seinen Familienbetrieb schließlich zu einem Unternehmen von europäischem Rang macht, bringt er im Jahr 1955 von einer Studienreise aus den USA mit: In der Waschküche seines Wohnhauses auf dem Werksgelände an der Münchener Straße unternimmt er erste Versuche zur Herstellung von Baby-Fertignahrung in Dosen. 1956 werden ein neues Produktionsgebäude und ein siebenstöckiges Hochhaus für die Verwaltung errichtet. Zwei Jahre später verlassen bereits 56 000 Obst- und Gemüsekonserven täglich das Werk. Später wird die Produktion komplett auf Gläser umgestellt.

Parallel mit dem Ausbau der Babynahrungsproduktion stellt Georg Hipp in Sachseln in der Schweiz "Bircher Müesli" mit Rohstoffen aus rein biologischem Landbau her. Dieses Bio-Konzept übernimmt er kurz darauf für die Herstellung seiner Babynahrung am Stammsitz Pfaffenhofen. In die Hipp-Gläschen kommt nur noch Obst und Gemüse, das von Vertragsbauern auf naturbelassenen Böden ohne Einsatz von chemischen Düngern und Pflanzenschutzmitteln erzeugt wird. In den 60er-Jahren hat Hipp endgültig den Durchbruch geschafft: Aus kleinsten Anfängen hat er ein Unternehmen mit rund 700 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 100 Millionen Mark aufgebaut. Auch wenn sich Georg Hipp als Unternehmensführer der alten Schule jede Einmischung von außen verbat und keinen Betriebsrat in der Firma zuließ, lag ihm das Wohl seiner Belegschaft immer am Herzen. Wer Hilfe brauchte, bei familiären oder finanziellen Problemen, fand ein offenes Ohr. In den 1950er Jahren baute Hipp für seine Mitarbeiter an der äußeren Moosburger Straße die nach ihm benannte Hippsiedlung, wo er seinen Mitarbeitern kostengünstige Mietswohnungen zur Verfügung stellte. Der Unternehmer spendete auch hohe Geldbeträge für caritative Zwecke und war ein Förderer der Kunst, der Vereine und Wohlfahrtsverbände.

Als er am 22. Dezember 1967 in einer Münchner Klinik im Alter von nur 62 Jahren stirbt, verbreitet sich die Nachricht vom Tod des Firmenchefs wie ein Lauffeuer in der Kreisstadt. Legendär ist die am 27. Dezember im Ilmgau-Kurier veröffentlichte Todesanzeige, die Georg Hipp selbst aufgesetzt hatte. Ein Auszug:

"Ich armer Sünder Georg Hipp bin am 22.12.1967 um 19 Uhr im Alter von 62 Jahren gestorben. Wer ist mir jetzt noch neidig?

Bitte legt mir keine Kränze auf das Grab. Die Erde ist schon schwer genug.

Wenn manche Vielbeschäftigte gleich nach der Opferung die Kirche verlassen, bin ich ihnen nicht böse. Die Hauptsache ist, dass man "gesehen" wurde.

Mein Beerdigungstag soll ein Freudentag sein, besonders für die alten Leute, die Rentner, die Fürsorgeempfänger, die von der Caritas und Volkswohlfahrt Betreuten. Sie alle lade ich herzlich zu einem guten Mittagessen ein.

Und nun meine lieben Mitbürger, wünsche ich Euch alles Gute. Wenn ich Euch je beleidigt habe oder Euch Anlaß zu einem Ärger gab, so verzeiht mir bitte. Gottes Segen begleite Euch, bis auch für Euch die letzte Stunde schlägt."

Nach dem Tod des Firmenpatriarchen wird das Unternehmen von seinen Söhnen Claus, Paulus und Georg weitergeführt. Heute stehen Claus und Paulus Hipp als Geschäftsführende Gesellschafter an der Spitze, sie werden von Stefan und Sebastian Hipp, den Söhnen von Claus Hipp, bei der Leitung des Unternehmens unterstützt. Während Claus Hipp bereits über Jahrzehnte hinweg das Gesicht der Firma ist ("dafür stehe ich mit meinem Namen"), schlüpft nun sein ältester Sohn Stefan zunehmend in diese Rolle.

Rund 1200 Menschen arbeiten am Stammsitz Pfaffenhofen, der größte Teil davon lebt im Landkreis. Weltweit sind es 3500 Mitarbeiter an Standorten in Deutschland, der Schweiz, Österreich, Ungarn, Kroatien, Russland und der Ukraine. Mit seinen über 300 Artikeln, vorwiegend im Babynahrungsbereich, erwirtschaftete die Hipp-Gruppe im Jahr 2016 einen Umsatz von rund 950 Millionen Euro.