Schrobenhausen
Paralleluniversum im Pavillon

Das Berliner Quartett Clair-obscur entführte sein Publikum in der Musikschule in die Welt des Saxophons

04.12.2017 | Stand 02.12.2020, 17:07 Uhr
Sorgte für hell-dunkel-Kontraste in Musik, Kleidung und Beleuchtung: das Saxophonquartett Clair-obscur mit (v.l.) Christoph Enzel (Tenorsax), Adrian Tully (Baritonsax), Maike Krullmann (Altsax) und Jan Schulte-Bunert (Sopransax). −Foto: Erdle

Schrobenhausen (SZ) Das zweite Pavillonkonzert dieser Saison wartete am Freitagabend mit dem Berliner Saxophonquartett Clair-obscur auf. Zuletzt hatte das Ensemble 2011 in Schrobenhausen gastierte.

Fast müsste man Mitleid mit den Saxophonisten haben, wenn man den Zwischenmoderationen von Christoph Enzel folgt: Hat der Klarinettist Adolphe Sax ihr Instrument doch erst um 1840 erfunden, und damit so spät, dass viele der großen Komponisten gar nicht in die Verlegenheit kamen, für das immer noch häufig als reines Jazzinstrument angesehene Saxophon zu schreiben.

Doch unverzagt luden die vier Mitglieder von Clair-obscur mithilfe geschickter Bearbeitungen und Arrangements unter dem Titel "Journey in time" in ein Paralleluniversum ein, das vermeintliche Originalwerke auch von Barock bis Romantik möglich macht.

So erfuhr das amüsierte Publikum, dass die berühmten "555 Sonaten" des Bach-Zeitgenossen Domenico Scarlatti nicht, wie oft kolportiert, für Cembalo, sondern tatsächlich für Saxophonquartette entstanden seien. Und Clair-obscur bewies an dreien dieser in ihrer Spontaneität durchaus modern klingenden Sonaten sehr famos, wie gut sich Barockmusik für die Übertragung auf das Ensemble eignet: dynamisch beweglich, transparent im Stimmverlauf und doch klanglich geschlossen.

Sehr fein ausgehört gelang auch Mozarts Oboenquartett - ursprünglich ein Streichquartett mit Oboe statt erster Geige. Vom lebhaft-zarten Kopfsatz, dem elegischen Mittelsatz in moll bis zum virtuosen Schlussrondo widerlegte Jan Schulte-Bunert mit Leichtigkeit die alte Bosheit, wer seine Eltern ärgern möchte, solle sich entweder ein Schlagzeug oder ein Sopransaxophon wünschen - so filigran, lockend-leise und abgestuft ließ er sein Instrument die mitnichten unvertrackte Oboenstimme singen, professionell sekundiert gelegentlich nur auf eine Begleitfunktion reduzierten Rest des Ensembles.

Bisweilen von ganz eigener Klangcharakteristik erschien dann Edvard Griegs "Holberg Suite", hätten sich doch manche Wirkungen, wie der durchgehende Rhythmus des festlichen Präludiums, auf der Geige müheloser erreichen lassen, der Ohrwurmeigenschaft des Stückes tat das aber keinen Abbruch. Die Saxophone der Berliner klangen, wie es schon Berlioz in seiner Instrumentationslehre beschrieben hat, nämlich "sanft und durchdringend in der Höhe, voll und markig in der Tiefe".

Sogar noch heller leuchtete das Ensemble, dessen Name übersetzt "helldunkel" bedeutet, im zweiten Teil mit Stücken, die noch stärker auf den Saxophonton zugeschnitten schienen: einerseits der Parodieklang von Dmitri Schostakowitschs "Suite für Jazzorchester" (samt Nachahmung von Xylophon und Hawaii-Gitarre) und andererseits das "Quartett" von Christian Biegai, ein 2013 für Clair-obscur entstandenes Originalwerk, dessen drei Sätze Biegai, 1997 Gründungsmitglied des Ensembles und mittlerweile als Komponist für Film und Fernsehen tätig, den ehemaligen Mitspielern erkennbar und effektvoll in die Finger geschrieben hat.

Zum Schluss ein echter musikalischer Spaß mit Auszügen aus "Minimax - Repertorium für Militärmusik": Hatte der junge Paul Hindemith sich (und seinem Streichquartett) mit Sätzen wie der "Ouvertüre zu Wasserdichter und Vogelbauer" einen vergnüglichen Reim auf gängige Marsch- und Salonmusik gemacht, gab die schwungvolle Interpretation von Clair-obscur deutliche Hinweise darauf, dass das Ensemble auch erfolgreiches Musiktheater macht. Langanhaltenden Beifall gab's vom Publikum - und als Zugabe Astor Piazzollas "Libertango", allmählich zusammengesetzt aus vier Einzelstimmen und mit großem Solo für die Schwangerschaftsvertretung des Abends, Adrian Tully am Baritonsaxophon.