Eichstätt
Paradies für Spinnen und Libellen

20.07.2010 | Stand 03.12.2020, 3:50 Uhr

Betörende Vielfalt bei der Acker-Wildkraut-Flur. Lange wird dieser Inselteil nicht Bestand haben. Über kurz oder lang werden sich Büsche und dann Erlen und Weiden breit machen.

Eichstätt (EK) Eine junge Ringelnatter sonnt sich auf einem Stein. Fischchen wuseln im Flachwasser umher. Durchs Gras kämpft sich ein Glanzkäfer und Schmetterlinge naschen von rosa Blüten. Der Tisch ist reich gedeckt für die Lebewesen auf der neuen Altmühlinsel bei Wasserzell.

Im vergangenen Jahr hat das Wasserwirtschaftsamt bei Sperberslohe eine Altmühlschleife wieder geöffnet, die im Zug der Flussbegradigung Ende der 20-er Jahre des vorigen Jahrhunderts zugebaggert worden war. Da der bisherige Flussarm, wenn auch verschmälert, bestehen blieb, entstand eine etwa zehn Hektar große Insel, die sich selbst überlassen bleiben soll. Im Vorfeld allerdings hatte das Wasserwirtschaftsamt die Voraussetzung für vielfältige Strukturen geschaffen, hauptsächlich durch Bodenabtrag. Es entstanden Senken, Flachuferbereiche oder Kiesflächen, und in bestimmten Bereichen wurde die ehemals landwirtschaftlichen Flächen überhaupt nicht angerührt.
 

Bereits jetzt, nach einem Jahr, sind die unterschiedlichen Sukzessionsstrukturen zu erkennen. Die selbstständige Entwicklung, so die Umschreibung von Sukzession, hat eingesetzt und die Natur mit Kraft Besitz von der Insel ergriffen. "Dieser Artenreichtum ist sensationell", freut sich Martin Burkhart vom Sachgebiet Landespflege beim Wasserwirtschaftsamt. Das Amt wird die natürliche Entwicklung dieser Flächen per Monitoring begleiten. "Wir haben von 2004 bis 2005 eine Bestandsaufnahme gemacht, die so genannte Nullaufnahme", erklärt der Ingenieur. Das erste wirkliche Monitoring wird voraussichtlich erst 2012 gemacht. Dann gibt es den Vergleich, wie sich Flora und Fauna innerhalb dieser sieben, acht Jahre entwickelt haben.

Aber bereits in der Zwischenzeit beobachtet Burkhart die Insel genau. Vor wenigen Tagen kam er mit Stephan Daum, ebenfalls vom WWA, um sich einen weiteren Eindruck zu verschaffen. Burkhart weist auf das Ende eines der beiden neu angelegten "Altarme". Ein Strahlen huscht über sein Gesicht: "Da wächst Schilf, ein wertvoller Lebensraum für Libellen." Etwas weiter weg leuchten Blüten um die Wette. "Diesen Teil, der früher intensiv landwirtschaftlich genutzt war, haben wir so gelassen. Das ist nun eine typische Acker-Wildkraut-Flur", berichtet er. Ein idealer Lebensraum für Spinnen, Wildbienen, Schmetterlinge, Laufkäfer und andere wirbellose Tiere. Lange wird die Pracht nicht zu bewundern sein, denn auch dieses Areal entwickelt sich dynamisch. "Über die Jahre hinweg wird sich hier Gebüsch ansiedeln und Weiden und Erlen als Pioniergewächse keimen", prognostiziert der Experte. Langfristig wird dieses Gebiet einen Auwald ähnlichen Charakter bekommen. Auf den Kiesflächen habe schon der Flussregenpfeifer gebrütet, sagt Burkhart weiter. Auch das Schwarz- und das Braunkehlchen habe sich schon sehen lassen, aber noch keine Eier gelegt.

"Bis alles abgeschlossen ist, dauert es noch eine Weile." Aber auch der Fluss entwickle sich. "Hier kann er sich frei bewegen. Man sieht, wie Uferränder abbröckeln, die Außenkurven tiefer werden und dafür die Innenkurven verschlammen." Auf die Bedeutung der Insel als Retentionsfläche weist Stephan Daum hin. Obwohl er derzeit kaum Probleme mit Hochwasser gebe: "Wir schauen schon, dass in die Altmühl nichts reingebaut wird."

Sehr zufrieden mit der Entwicklung zeigen sich auch die Fischer. "Wir sind froh über die Renaturierung. Sie stellt für uns etwas Wertvolles dar", betont Hans Schneider, Vorsitzender des Eichstätter Anglervereins, der hier zum Teil die Fischrechte hat. Die neuen "Altarme", wichtig als Laichgewässer und bekannt für Fischreichtum, seien zwar noch nicht so weit. Aber: "Das wird mal ein schönes, zufrieden stellendes Wasser. Und außerdem ist unser Angelgewässer durch die Renaturierung länger geworden", schmunzelt Schneider.