Papa ist in den Himmel geflogen

27.05.2008 | Stand 03.12.2020, 5:53 Uhr

Judith Craig ist stolz auf das Distinguished Flying Cross, eine hochrangige Auszeichnung des US-Militärs, die ihr im Afghanistankrieg gefallener Mann Heathe Craig am Montag erhalten hat. - Foto: Meyer

Hilpoltstein (mmr) Stolz hat der sechsjährige Jonas Craig aus Hilpoltstein am Montag das Distinguished Flying Cross in Mannheim in Empfang genommen. Eigentlich war die hohe Auszeichnung des US-Militärs für seinen Vater Heathe gedacht. Der US-Amerikaner ist mit 28 Jahren im Afghanistankrieg gestorben.

Der Flugsanitäter wollte seine schwer verletzten Kameraden aus bergigem Gelände retten. Und kam dabei selbst ums Leben. Wenige Stunden vorher hatte seine Frau Judith, die in Hilpoltstein geboren und aufgewachsen ist, noch Kontakt zu ihrem Mann. Sie telefonierten miteinander, eine Webcam übertrug Bilder. "Ich muss jetzt weg, ich habe einen Einsatz", sagte Heathe noch.

Bodensoldaten waren in bergigem Gelände in einen Hinterhalt geraten, vier von ihnen wurden schwer verletzt. Sie standen immer noch unter Beschuss. Heathe Craig und seine Crew, bestehend aus dem Flugsanitäter, zwei Piloten und einem Mechaniker, sollten die Verletzten in stockfinsterer Nacht retten. Heathe Craig ließ sich abseilen, schnallte einen der Verletzten an und zog ihn in den Helikopter. Er ließ sich wieder abseilen und hängte den zweiten Verletzten in den Sicherungshaken. Doch beim Hochziehen geriet das Seil ins Schwingen, schlug gegen den Helikopter – und riss ab. Heathe Craig und der verletzte Soldat stürzten ab.

"Mein Mann war gleich tot", erzählt Judith Craig (27). Jonas ist damals vier, die kleine Leona feiert zehn Tage später ihren ersten Geburtstag.

Wie das Unglück passiert ist, erfuhr Judith Craig erst Monate später. Das Militär wollte zunächst – wohl aus kriegstaktischen Gründen – keine Einzelheiten preis geben. Der Leichnam des Gefallenen wurde deshalb auch zur Obduktion in die USA gebracht. Judith Craig ließ ihren Mann aber nach Hilpoltstein überführen und auf dem hiesigen Friedhof beerdigen. "Hilpoltstein ist der sichere Hafen. Hier haben wir geheiratet, hier sind unsere Kinder getauft."

Im Hilpoltsteiner Ortsteil Patersholz leben auch Judiths Eltern, Petra und Harald Groß. Deshalb ist Judith Craig mit ihren beiden Kindern Jonas und Leona (2) heimgekehrt, hat sich vom Geld aus der Lebensversicherung ein Haus gekauft. "Unsere Tochter ist sehr tapfer, das macht sie einfach toll", sagt Petra Groß.

Ihren Mann hat Judith Craig Ende 1999 bei einem Kneipenbesuch im Green Goose in Nürnberg kennen gelernt. Damals war der junge Soldat noch in Vilseck stationiert und musste kurze Zeit später für ein halbes Jahr in den Kosovo. Nach seiner Rückkehr trafen sie sich zufällig im Green Goose wieder – und waren von da an unzertrennlich. Am 15. Juni 2001 wurde geheiratet – da war das erste Baby schon unterwegs.

Nach einer Zwischenstation in Kansas, USA, zog die Familie 2004 nach Wiesbaden. Für den 4. Februar kam der Einsatzbefehl für Afghanistan, den bewaffneten Kampf gegen die Terrororganisation Al Quaida und das Talibanregime – für 15 Monate. "Wir hatten alle Angst", erinnert sich Judith Craig. Während seines Afghanistaneinsatzes durfte Heathe für zwei Wochen nach Hause. Irgendwann fand ihn Judiths Schwester Hanna Tiffany, die auch mit einem US-Soldaten verheiratet ist, auf der Treppe sitzen und weinen. "Er hatte panische Angst davor, dass er nicht mehr heimkommt."

Jonas glaubt, dass sein Vater in den Himmel geflogen ist. Er geht aber trotzdem oft zum Friedhof und legt Blumen auf das Grab seines Vaters, der immer stundenlang mit ihm getobt und gespielt hat. "Für die Kinder ist es sehr wichtig, dass Heathe hier beerdigt worden ist", sagt Judith Craig.

Jonas sei sehr stolz gewesen, als er am Montag beim Memorial Day das Distinguished Flying Cross entgegen nehmen durfte. "Mein Mann wäre mir lieber", sagt die junge Witwe, aber sie freue sich, dass die Auszeichnung so viel Ansehen habe und ihrer Familie so viel Respekt und Dank entgegengebracht werde. Ihrem Mann, glaubt sie, hätte die Verdienstmedaille nicht sehr viel bedeutet. Er brauche keine Belohnung, das ist sein Job, habe er immer gesagt und habe deshalb Auszeichnungen immer abgelehnt. Für ihren Mann stand das Helfen im Vordergrund, ob im zivilen Leben oder im Krieg. Der Kamerad, den Heathe Craig gerettet hat, hat überlebt. Auch er ist Familienvater.