Metropolregion
Palastmöbel kommen unter den Hammer

Alles muss raus: Die alte Siemensverwaltung in Erlangen wird zum neuen Uni-Zentrum umgewandelt

15.10.2020 | Stand 23.09.2023, 14:46 Uhr
Bis zum Samstag wird im Himbeerpalast vom Bürostuhl über den Konzertflügel bis zur Büropflanze das gesamte Mobiliar versteigert. Weitere Informationen rund um die Versteigerung gibt es im Internet unter www.restlos.com. −Foto: Karmann,dpa

Erlangen - Im berühmten Himbeerpalast in Erlangen geht es derzeit zu wie im Möbelhaus. "Wir versteigern gerade über 2000 Auktionslose. Mit 7000 Einzelpositionen veranstalten wir im Himbeerpalast derzeit Deutschlands größte Möbelversteigerung", sagt Fabian Altrichter, Chef der Nürnberger Industrieverwertungsgesellschaft "Restlos", und zeigt auf die vielen Drehstühle, Rollcontainer und Schreibtische, die für die Auktion fein säuberlich in den Zimmern und auf den Fluren der altehrwürdigen Industrie-Kathedrale in der Werner-von-Siemens-Straße in Erlangen aufgereiht sind.

"Bei uns kommen nicht nur kostspielige Konferenztische sondern auch einfache Büropflanzen unter den Hammer, die normalerweise einfach auf den Müll geworfen werden", erzählt Fabian Altrichter und lobt das gestiegene Umweltbewusstsein. "Es ist einfach schön, dass Unternehmen das alte Inventar heute nicht mehr einfach wegwerfen", betont er und freut sich, dass damit nicht nur den besonders wertvollen Teilen aus dem Innenleben des Industrie-Palastes ein zweites Leben gegönnt wird.

Diese kommen bei der Versteigerung des Mobiliars selbstverständlich ebenfalls unter den Hammer. "Auf der Liste stehen zum Beispiel zwei Konzertflügel", sagt Altrichter und zeigt auf die Auktionsliste. Für das schwarze Instrument mit dem wohlklingenden Namen "Grotrian-Steinweg" gibt es bereits vor dem Ende der Auktion an diesem Samstag zahlreiche Gebote. Fast genauso begehrt scheinen die historischen Sitzmöbel des bekannten Hersteller Thonet zu sein. Für die edlen Stühle aus Nordhessen geben sich die Online-Bieter im Internet ebenfalls die sprichwörtliche Klinke in die Hand. Aktuell liegen die Preise für zehn Möbelstücke bei vergleichsweise niedrigen 200 Euro. Bis zur Bekanntgabe der Zuschläge am kommenden Samstag werden die Preise für die besonders begehrten Posten wohl noch kräftig in die Höhe steigen.

Die Versteigerung findet übrigens nur statt, weil Siemens den Himbeerpalast im Herzen der Hugenottenstadt vor zwei Jahren an den Freistaat verkauft hat. In dem ehemaligen Siemens-Verwaltungsgebäude mit der rötlichen Fassade wird das Geisteswissenschaftliche Zentrum der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) entstehen. Nach dem Umbau soll der neue Himbeerpalast als Seminar- und Bibliotheksgebäude den größten Teil der Institute der Philosophischen Fakultät aufnehmen. Neben einem neuen Sprachenzentrum und einer Cafeteria ist auch noch ein zentrales Servicezentrum geplant. In dem neuen Uni-Palast mit knapp 30000 Quadratmeter ist auch noch Platz für die Theologie-Studenten. Rund 100 Millionen Euro lässt sich Bayern die Sanierung des markanten Gebäudes kosten, das künftig für fast 10000 Studenten und damit für gut ein Viertel aller FAU-Studenten zur akademischen Heimat werden soll.

Hintergrund der roten Immobilien-Rochade ist die Entstehung des neuen "Siemens Campus" im Erlanger Süden. Durch den Bau der neuen Firmenzentrale ist der 1953 eingeweihte Industrie-Palast mit dem früheren Sitz der Siemens-Hauptverwaltung überhaupt erst frei geworden.

Ursprünglich haben bis zu 3500 Mitarbeiter in dem zwischen 1948 und 1953 errichteten Wahrzeichen Erlangens gearbeitet, das 1991 als erstes Gebäude aus der Erlanger Nachkriegszeit den Sprung auf die Denkmalliste gemeistert hat. Den Namen hat der Himbeerpalast freilich eher scherzhaft bekommen. Schließlich versprüht die Industrie-Kathedrale kein Gefühl königlicher Dekadenz sondern eher den himbeerroten Charme nüchterner Sachlichkeit.

HK

Nikolas Pelke