Dietfurt
Paddelnd zurück ins Berufsleben

Langzeitarbeitslose aus dem Landkreis bauen bei einer Weiterbildung ein Kanu – Jungfernfahrt in Dietfurt

28.08.2014 | Stand 02.12.2020, 22:18 Uhr

Vollgas: Bei einem Wettrennen testete Ludwig Vier (links) gestern das Kanu, das er gemeinsam mit Langzeitarbeitslosen aus dem ganzen Landkreis gebaut hat. Das Projekt war Teil einer Weiterbildungsmaßnahme der Beruflichen Fortbildungszentren der Bayerischen Wirtschaft. Für die Jungfernfahrt kamen die Bootsbauer nach Dietfurt - Fotos: Janda

Dietfurt (sja) Sie haben getüftelt und geschuftet, jetzt ist das Kanu einer Gruppe Langzeitarbeitsloser aus dem Kreis Neumarkt fertig. Bei der Jungfernfahrt im Erlebnisdorf Alcmona bei Dietfurt erwies sich das Boot als wassertauglich.

Die Verantwortlichen können sich nun ähnliche Maßnahmen vorstellen. Ein bisschen unsicher waren sich die Besucher in dem bronzezeitlichen Dorf vor der Generalprobe zwar schon. Denn ob das knallrote Gefährt wirklich über Wasser bleibt, hatten sie zuvor noch nicht getestet. Letztlich erwiesen sich die Sorgen allerdings als unbegründet. Das 4,7 Meter lange Kanu schwimmt nicht nur, wie die Bootsbauer sichtlich erleichtert feststellten. Es erwies sich obendrein als äußerst wendig und schnell. Den entsprechenden Beweis erbrachte Projektleiter Ludwig Vier, der gleich einige Runden im alten Kanal gleich neben dem Gelände drehte. Auch renntauglich ist das Gefährt. Einen Vergleich mit dem Einbaum des Alcmona-Vereins gewann Vier mit großem Abstand. Und dass, obwohl sich in dem wuchtigen Boot mit dem Vereinsvorsitzenden Horst Meier vier weitere Ruderer abmühten.

Dieses Erfolgserlebnis war für das Projekt ein ganz entscheidender Baustein, wie mehrere der Verantwortlichen gegenüber unserer Zeitung betonten. Über Monate hinweg hatten zehn Teilnehmer eines Qualifizierungskurses beim Beruflichen Fortbildungszentrum der Bayerischen Wirtschaft (BFZ) in Neumarkt an dem Boot gearbeitet. Viele von ihnen sind seit Jahren arbeitslos und finden nur schwer wieder zurück in den Beruf. „Sie müssen den Wert der eigenen Arbeit nun wiederentdecken“, erklärte Vier. Das Boot als Langzeitprojekt hat sich seiner Meinung nach bestens dafür geeignet. „Denn wer baut schon ein Kanu“ Von der ersten Idee über Konstruktion und Bau bis zur Jungfernfahrt seien die Kursteilnehmer rund ein halbes Jahr lang mit Feuereifer dabei gewesen – auch, weil sie mit dem gestrigen Tag ein Ziel vor Augen hatten. „Das ist kein trockener Unterricht gewesen“, lobte auch Joachim Simbeck, der stellvertretende Leiter der BFZ-Außenstelle in Neumarkt, den hohen Praxisanteil. Vielmehr seien die Teilnehmer des Kurses, der die Bereiche Garten- und Landschaftsbau sowie Holz abdeckt, oft in der Natur unterwegs gewesen. „Da ist Leben drin, das begeistert und macht Spaß“, zeigte er sich daher überzeugt. Entstanden sind auf diese Weise auch Hochbeete und Gewächshäuser.

Ziel der Maßnahme, bei der sich Langzeitarbeitslose aus dem gesamten Landkreis noch bis Mitte Oktober weiterbilden, ist laut Simbeck aber keineswegs eine simple Beschäftigungstherapie, sondern die Qualifizierung für bestimmte Tätigkeiten. „Das Hauptziel ist ganz klar die Berufsausübung“, erklärte er. Die psychologische Wirkung ist nach Ansicht der Fachleute jedoch ebenfalls wichtig. „Einige der Leute haben schon sehr lange keine Arbeitsstelle mehr, sie müssen nun neuen Mut und Hoffnung finden“, berichtete Maria Auhuber vom Jobcenter Neumarkt. „Das Potenzial, die fachlichen Kenntnisse sind ohne Zweifel vorhanden.“

Diese Erfahrung hat Projektleiter Ludwig Vier beim Bootsbau gemacht. „Speziell für ehemalige Schreiner ist das interessant“, erklärte der Zeller, der beim BFZ als freier Referent tätig ist und über die Erfahrung der Kursteilnehmer dankbar war. „Denn ich kann so ein Kanu zwar konstruieren, aber ich kann es nicht bauen.“ Bei der Arbeit griffen er und seine Helfer auf existierende Pläne zurück, die sich an indianischen Gefährten orientierten. Entstanden ist ein schlankes Kanu aus Holz und Kunststoff, das auf insgesamt 300 Kilogramm Gewicht ausgelegt ist.

Vier machte keinen Hehl daraus, dass die monatelange Arbeit ein gewisses Risiko barg. „Der Ausgang war völlig ungewiss“, sagte er, während sich die Teilnehmer vom Alcmona-Experten Richard Weidinger das Gelände zeigen ließen. Und auch das Ergebnis selbst – obwohl absolut wassertauglich – sei durchaus noch verbesserungsfähig. Pläne für einen Außenbordmotor und auch ein Segel existieren bereits, ebenso für ein zweites Kanu. „Das kann man unendlich erweitern“, erklärte Vier.

Ob sich damit wieder die Teilnehmer eines solchen Kurses beschäftigen werden, wird sich zeigen. Derzeit laufen beim Jobcenter Neumarkt laut Maria Auhuber zwei derartige Seminare. Die Fachstelle, die für die Langzeitarbeitslosen im Landkreis zuständig ist, hat bei dem Projekt die Kofinanzierung übernommen. Die Mittel für den Kurs selbst stammen aus den Fördertöpfen des Europäischen Sozialfonds (siehe eigenen Bericht). Auhuber verschwieg jedoch nicht, dass die gute wirtschaftliche Entwicklung mittlerweile auch Probleme für die Weiterbildung von Hartz-IV-Empfängern birgt. „Wir müssen inzwischen viele verschiedene Inhalte für einen Kurs finden“, sagte sie. Früher sei das noch anders gewesen.