Pfaffenhofen
Osteuropa-Experte fordert Rücksichtnahme

Hannes Hofbauer hält in Pfaffenhofen Vortrag über das Feindbild Russland und plädiert für mehr Verständigung

22.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:05 Uhr

Pfaffenhofen (PK) "Feindbild Russland" heißt das neue Buch des österreichischen Osteuropa-Experten Hannes Hofbauer. Dieser sprach am vergangenen Freitag auf Einladung der "Freunde von Valjevo" vor knapp 35 Zuhörern im Hofbergsaal.

Der neue US-Präsident Donald Trump hatte sein Amt noch nicht angetreten, da warnten ihn bereits Anfang Januar führende europäische Politiker in einem offenen Brief vor der Aufhebung der Sanktionen und einer Verständigung mit Russland. Wenige Wochen vorher, am 23. November, hatte das Europäische Parlament eine Resolution angenommen, in der es in einem Atemzug stärkere Maßnahmen gegen die Propaganda durch Russland und den Islamischen Staat forderte. Dass Russland und der IS so auf eine Ebene gestellt worden seien, ist laut Hofbauer nur eines von vielen Beispielen für das "Feindbild Russland", das heute wieder propagiert würde. Es seien die eigenen politischen und ökonomischen Interessen, die das Bild des Westens über Russland prägten: Vor 30 Jahren, erinnerte Hofbauer, wurden Gorbatschow und Jelzin gefeiert, weil sie Schlüsselbereiche der sowjetischen Wirtschaft privatisierten und das Land für ausländische Investoren und als Absatzmarkt öffneten. Dass ihre Politik zum Zerfall des Landes geführt habe, eine Handvoll Oligarchen bei den Privatisierungen den Reichtum des Landes und ein Milliardenvermögen an sich gerafft hätten, während die breite Bevölkerung in Armut stürzte, habe nicht gestört. Das Russland-Bild im Westen habe sich erst eingetrübt, als Präsident Putin die Autorität des russischen Staates wiederhergestellt und 2003 den größten Erdöl- und Petrochemie-Konzern des Landes, Jukos, verstaatlicht habe. Die hohen Einkünfte dieses Konzerns hätten zur erneuten Konsolidierung Russlands beigetragen. Sein Eigentümer, der Oligarch Chodorkovsky, hatte dagegen Jukos an den US-Konzern Exxon verkaufen wollen. Als "Feind" werde Russland wieder seit der Auseinandersetzung um die Ukraine 2013/14 betrachtet, sagte Hofbauer. Damals hatte der demokratisch gewählte Präsident der Ukraine Janukowitsch entschieden, das Assoziierungsabkommen mit der EU nicht zu unterzeichnen. Gegen die ökonomische und militärische Einbindung der Ukraine in die westliche Einflusssphäre habe sich nicht nur Russland, sondern auch der stark industrialisierte, sprachlich, wirtschaftlich und kulturell nach Russland orientierte Ostteil des Landes gewehrt, so der Experte. Als Janukowitsch mit westlicher Unterstützung bei den Maidan-Unruhen gestürzt wurde, spalteten sich der Donbass und die Krim nach Volksabstimmungen von der Ukraine ab. Wäre die Krim, so Hofbauer, unter die Kontrolle des Westens geraten, hätte die russische Flotte ihren Stützpunkt Sewastopol am Schwarzen Meer und damit ihren Zugang zum Mittelmeer verloren. Auf den Anschluss der Krim nach Russland antwortete der Westen bekanntlich mit Wirtschaftssanktionen.

Zu dem Stellvertreterkrieg in Syrien, den immer wieder aufflammenden Kämpfen in der Ukraine, kommt somit noch der Wirtschaftskrieg mit Russland hinzu, argumentierte der Osteuropa-Experte. Für Hannes Hofbauer eine explosive Situation: Er plädierte für eine Rücksichtnahme auf die Sicherheitsinteressen Russlands, das sich bereits durch die Osterweiterung der Nato bedroht fühle. Hofbauer forderte die Aufhebung der Sanktionen. Sie würden auch der europäischen Wirtschaft schaden. Von Verständigung und friedlicher Zusammenarbeit dagegen könnten beide Seiten profitieren.