Schernfeld
Ostern vor 75 Jahren

1945: Die letzten Kriegsmonate in Schernfeld - Erinnerungen an die Kinderlandverschickung

08.04.2020 | Stand 02.12.2020, 11:34 Uhr
Freude über das Osternest in dem sich - zum Ende des Kriegs - nur ein einzelnes Ei pro Kind befand. Kurti Scheuerer (links) war damals vier Jahre alt. Das sogenannte "Russenkreuz" erinnert an drei Russen, die von der SS erschossen worden sein sollen. −Foto: Bauer

Schernfeld - Ostern 1945: "Im Frühjahr 1945, kurz vor Kriegsende, wurden die Kinder wegen der Bombenabwürfe aus den Städten aufs Land evakuiert.

Ich, der vierjährige Kurti, kam damals von Ingolstadt an der Donau zu einer Bauernfamilie nach Schernfeld hinter Eichstätt hoch oben überm Altmühltal. " Diese Zeilen schreibt Kurt Scheuerer in der Materialsammlung zum Brauchtum. Er ist pensionierter Lehrer, lebt in Ingolstadt, und ist 79 Jahre alt.

Er fährt fort: "Die Familie hatte selbst zwei Kinder, die etwas älter waren als ich. Meine Mutter, Emma Scheuerer, war an Ostern von der Stadt zu Besuch gekommen und hat uns fotografiert. Am Ostermorgen bekamen wir Kinder von den Gastgebern je ein Osternest aus Moos mit einem Ei darin. "

Bei welcher Familie er in Schernfeld untergebracht war, daran kann er sich nicht mehr erinnern. Auch in Schernfeld konnte die Familie bisher nicht mehr ausfindig gemacht werden. Scheuerer würde sich freuen, wenn die Familie herausgefunden werden könnte. Die Aktion verlief, wie Scheuerer sagt, im Rahmen der Kinderlandverschickung. Dadurch sollten Kinder aus den von Luftangriffen bedrohten Städten in weniger gefährdete Gebiete gebracht werden.

"Von Schernfeld aus konnten die schweren Bombenangriffe auf Ingolstadt, Neuburg und Treuchtlingen deutlich beobachtet werden. Die Fensterscheiben klirrten, Türen und Fensterläden klapperten. " Lehrer Paul Stahl hat das in der Schernfelder Chronik festgehalten. Weiter schreibt er, dass man die schweren Bombenangriffe auf Nürnberg bei Nacht deutlich mitbekommen hat. Aus seinen Aufzeichnungen wird weiter deutlich, dass es auch in dem Gebiet "hinter Eichstätt" gefährlich war: "Von Februar 1945 an zogen tagtäglich und nachts große Geschwader viermotoriger Feindbomber übers Dorf. Es verging kein Tag, an dem nicht feindliche Tiefflieger die Gegend heimsuchten. Sie griffen besonders die Bahnlinie, aber auch Autos und Fuhrwerke auf den Straßen und die Bauern mit ihren Gespannen auf den Feldern an. Ganz tief rasten die Feindflieger über unsere Häuser hinweg. Die Bauern getrauten sich kaum mehr auf ihre Felder. Einmal konnten wir ganz genau den Angriff auf einen Personenwagen bei Breitenfurt und auf zwei abgestellte Güterwagen bei Bubenroth beobachten. " Zurückgehende Truppen und einzelne Soldaten quartierten sich in Schenfeld ein. Die Last- und Personenwagen und die Panzer wurden in den Scheunen untergebracht oder standen getarnt neben Gebäuden. Mitte März 1945 rückte die Front von Westen her sehr heran. Es herrschte große Aufregung. Wertsachen, Wäsche, sogar Lebensmittel wurden vergraben. Auf dem Erzweg im Staatswald war eine Panzersperre errichtet. Der Volkssturm von Schernfeld hatte diese zu bewachen. Am 24. April rückte dann in Schernfeld Artillerie ein, nahm Stellung in Obstgärten und feuerte bis Mitternacht in nördliche Richtung. Die Bevölkerung hielt sich in den Kellern auf, da mit Feindbeschuss und auch Bombenabwurf zu rechnen war.

Gegen halb sechs Uhr morgens des 25. April kam aus Richtung Birkhof ein feindlicher Spähwagen in die Ortschaft und ließ am Ortsausgang eine weiße Flagge anbringen. Kurze Zeit später ratterten ebenfalls von Birkhof her zwei amerikanische Panzer ins Dorf. Sie hielten vor der Wirtschaft Herzner, wo die Besatzung durch Dolmetscher Fragen stellte und sich Milch und Bier geben ließ. Sämtliche Waffen, Schuss- und Stichwaffen, Luftgewehre, Photoapparate und Ferngläser mussten in Schernfeld abgegeben werden.

Zwei Tage bevor die Amerikaner hierherkamen, so schreibt Stahl, waren tausende von russischen Kriegsgefangenen, von wenigen deutschen Soldaten eskortiert, zurücktransportiert worden. Man sah anscheinend den Unsinn dieser Aktion ein und ließ sie dann bei Pfünz und Landershofen liegen, um sie dem "Feinde" bei dessen Eintreffen zu übergeben. Man sprach von 17000 Mann. Hunderte waren auf den nächtlichen Märschen in die Wälder geflüchtet. Nun waren die freigekommenen Kriegsgefangenen in der Gegend unterwegs. Es wurde gestohlen und geplündert. Im Schernfelder Staatsforst sollen nach Erzählungen alter Schernfelder drei Russen von der SS erschossen worden sein. Das so genannte Russenkreuz an der vermeintlichen Grablegung erinnert an sie.

EK