Opernabend im Schwebezustand

29.01.2007 | Stand 03.12.2020, 7:06 Uhr

Nürnberg (DK) Allzu lange bewegt sich dieser "Freischütz" am Nürnberger Staatstheater in einem halbherzigen Schwebezustand: zwischen altdeutsch-traditioneller Bildersprache, modernisierender Reduktion (halbrundes Bühnenelement mit aufgemaltem Wald), sympathischen Albernheiten (Ännchen und ihre Verehrer) und pseudo-gruseligem Effekt (herumstapfende Untote, Samiel in schwarzem Ledermantel aus vernebelter Wolfsschlucht aufsteigend). Die Oberspielleiterin Helen Malkowsky musste die Regie für den erkrankten Uwe-Erik Laufenberg übernehmen, einen zwingenden Zugang zu Carl Maria von Webers genialer, aber heikel zu realisierender Oper hat sie jedoch nicht gefunden. Dass die Dorf- und Jägerwelt keine Idylle ist, wird zwar angedeutet, die Dimension der Ausgrenzung, in die der Bösewicht Kaspar seinen Kollegen Max hineinziehen will, ist indes nicht greifbar.

Am Ende dann aber ein überraschender Regieakzent: Der Eremit, der dem fehlgeleiteten Max eine zweite Chance gibt, scheint selbst Dreck am Stecken zu haben. Auch ihm ist offenbar ein dunkles Mal eingebrannt, Zeichen für einen Bund mit dem Bösen, wie ihn auch Kaspar und Max eingegangen sind. Agathe berührt es mit ihrer Hand, zwischen beiden scheint sich mehr als nur die Übergabe weißer Rosen abgespielt zu haben. Was das genau zu bedeuten hat, ob Agathe versucht hat, mit dunkler Magie das Schicksal zu ihren und zu Max’ Gunsten zu wenden, bleibt ungeklärt, weil Helen Malkowsky es versäumt, diesen nicht uninteressanten Ansatz frühzeitig einzuführen oder am Ende wenigstens eindeutig in Szene zu setzen.

Was bleibt, ist der Eindruck einer unausgegorenen, zum Teil langatmigen Produktion, die auch musikalisch nur bedingt mitreißt. Philipp Pointner versteht es, mit den gut aufgelegten Philharmonikern die herausstechenden Instrumentalfarben effektvoll auszukosten, weniger gut gelingen die Temporelationen, wodurch mehrteilige Nummern episodisch zu zerfallen drohen. Die wunderbare Anna Gabler als Agathe lässt er in den langsamen Passagen ihrer großen Szene ("Leise, leise . . .") an der ausgestreckten Dirigierhand verhungern, auch der Arie von Max fehlt die innere Spannkraft, woran Stefan Vinkes solider, in den lyrischen Momenten aber einfarbiger Tenor nicht ganz unschuldig ist.

Neben Agathe ist auch die zweite Frauenrolle hervorragend besetzt: Melanie Hirsch erfüllt die Auftritte des Ännchen mit vokaler Anmut und Wendigkeit. Guido Jentjens dagegen muss seine tadellos geführte Stimme für den Kaspar künstlich abdunkeln, ohne echte Dämonie entfachen zu können. Nebenrollen und Chor erfüllen ihre Aufgaben mit der notwendigen Präsenz, leiden aber wie die Protagonisten an der ein oder anderen Koordinationsschwankung mit dem Graben. Lebendige Pflege des Standardrepertoires sieht anders aus.