Wolnzach
Opa am falschen Haus, Arzt an falscher Adresse: Doppelte Straße sorgt für Probleme

Weil Straßenumbenennungen mit erheblichem Aufwand und Kosten verbunden sind, blieb bislang alles wie gehabt

05.02.2022 | Stand 22.09.2023, 23:36 Uhr
Wenn der Fußboden-Lieferant dieses Schild sieht, ist er laut Navi richtig, tatsächlich jedoch falsch: Raumausstattung Pauly liegt an der Wolnzacher Straße in Niederlauterbach - und nicht in Gosseltshausen. −Foto: Trouboukis

Die Wolnzacher Straße gibt es im Markt zweimal - das ist bekannt. In jüngster Zeit aber sorgt diese Doppelung zunehmend für Probleme. Für manche Anwohner ist deshalb jetzt Schluss mit lustig.

Das Pfarrheim Niederlauterbach liegt an der Wolnzacher Straße in Gosseltshausen. Nein, das ist kein Tippfehler, sondern so steht es im gebräuchlichsten Online-Telefonbuch. Demnach kümmert sich in der Hausnummer 2 auch eine Friseurin mitten im Wohnhaus eines Ehepaares in Gosseltshausen um die Schönheit ihrer Kunden. Vielleicht die Tochter der Eheleute? Weit gefehlt, denn tatsächlich wohnt das Ehepaar in Gosseltshausen und besagte Friseurin hat ihren Salon im rund sechs Kilometer entfernten Niederlauterbach. Und auch der Raumausstatter wartet in Niederlauterbach oft vergeblich auf Lieferungen, weil selbige immer wieder gerne an einem Privathaus in Gosseltshausen abgeladen werden.

Doppelte Straßennamen sind oft ein Streitthema

Den einen wäre es lieber, man würde darüber gar nicht mehr reden, geschweige denn, etwas schreiben. Denn dann ist immer Ärger vorprogrammiert. Von jenen, die am liebsten alles so lassen würden, wie es ist. Also keine aufwendige Adressänderung, dann lieber zwei Wolnzacher Straßen. Und von den anderen, die die Verwechslungen einfach satthaben. Klar. Streng genommen dürfte es gar keine Doppelungen mehr geben, denn seit 1993 mit Einführung der fünfstelligen Postleitzahlen - die aus 8069 Wolnzach 85283 Wolnzach machten - sollte jede Adresse durch ihre Straße eindeutig identifizierbar sein. Deshalb wurden Straßennamen geändert, auch in der Gemeinde Wolnzach, auch hier - man erinnere sich an die Hauptstraße, die es in Geroldshausen und in Königsfeld gab - war das mit großem Aufwand verbunden. Und mit Ärger.

Am Anfang gab es keine Probleme

Überdauert haben das die beiden Wolnzacher Straßen. "Ich vermute mal, das wurde damals einfach übersehen", sagt heute Josef Schäch, der seinerzeit Wolnzacher Bürgermeister war. Übersehen vielleicht auch deshalb, weil die Doppelung zunächst keine größeren Probleme bereitete: mal ein fehlgeleiteter Brief, mal ein Päckchen. Und das auch nur dann, wenn der Stamm-Postbote, der seine Leute ja kannte, vertreten werden musste. In diesem Fall verständigten sich die Gosseltshausener und Niederlauterbacher untereinander - und alles war wieder gut.

Eine ganz neue Dimension nahmen die Probleme jedoch mit fortschreitender Digitalisierung an. Denn auf einmal war unter der Angabe "Wolnzacher Straße 5, Wolnzach" entweder gar keine Unterscheidung mehr möglich, oder aber - noch schlimmer - nicht selten war nur ein Ortsteil hinter der Wolnzacher Straße hinterlegt. Beispielsweise beim Abfallwirtschaftsbetrieb, der der Niederlauterbacher Familie Pauly einmal online keinen Entleerungsplan zum Ausdrucken anbot, weil für die Wolnzacher Straße nur Gosseltshausen vorgesehen war. Oder aber damals, als die Gemeinde die Erfassungsbögen zur Versickerung der Niederschlagsmengen an alle Grundstückseigentümer verschickte - und die Niederlauterbacher die Lagepläne der Gosseltshausener bekamen.

Viele Geschichten kann die Familie Pauly erzählen. Nicht immer sind diese Geschichten lustig, stets aber kurios. Da ist zum Beispiel jene vom Großvater, den der Krankentransport bei seiner Heimkehr aus dem Krankenhaus geradewegs nach Gosseltshausen fuhr. "Da ghör i ned her", musste der alte Soller-Vater vehement beteuern, bis ihn die Fahrer endlich heim nach Niederlauterbach chauffierten. Oder der Tag im vergangenen Jahr, als ein Lieferant unter anderem 600 Quadratmeter Bodenbelag an der Wolnzacher Straße in Gosseltshausen an einem Privathaus ablud - und die komplette Lieferung bei strömendem Regen mit mehreren Fahrten dort abgeholt werden musste.

"Es vergeht gefühlt keine Woche, wo nicht irgendwas ist", sagt Brigitte Pauly - und spricht dabei für den Raumausstattungsbetrieb ebenso wie für das Friseurgeschäft von Tochter Martina oder die Privathäuser der Familie, die allesamt an der Wolnzacher Straße liegen.

"Die Bedeutung der Straßen ist gleichzusetzen", hieß es nach einer Bürgerversammlung, bei der die Niederlauterbacher Familie um eine Lösung des Problems gebeten hatte. Eine Rückfrage habe zudem ergeben, dass seitens der Rettungsleitstelle keine Verwechslungsgefahr bei Notfalleinsätzen besteht. Deshalb sollte, so die Entscheidung damals im Bauausschuss, alles so bleiben, wie es ist.

Ärztin fährt zur falschen Adresse

Das war vor zwölf Jahren. Werner Hammerschmid, Dritter Bürgermeister, Notfallsanitäter und zudem Leiter des Helfer vor Ort Wolnzach, bestätigt, dass es seitens des Rettungsdienstes und des HVO keine Verwechslungen zwischen Gosseltshausen und Wolnzach gegeben hat: "Wir sind immer richtig gefahren." Nicht richtig gefahren ist allerdings eine ortsunkundige Ärztin, die die Familie der Paulys einmal wegen eines kranken Kindes über den Bereitschaftsdienst alarmieren musste: Sie fuhr nach Gosseltshausen und musste telefonisch gelotst werden. Für die Familie verrannen derweil bange Minuten.

Bürgermeister Jens Machold kennt das Problem der beiden Wolnzacher Straßen, hat darüber erst im vergangenen Jahr wieder mit den Paulys gesprochen. Geendet habe das Gespräch mit einem Vorschlag: Man möge es doch mit der Dreiwort-Adresse versuchen, dann gäbe es keine Verwechslungen mehr. Für diese Dreiwortadressen haben deren Macher die Welt in dreimal drei Meter große Quadrate aufgeteilt und jedem davon eine unverwechselbare Drei-Wort-Kombination zugeteilt (siehe auch Kommentar). "Wir waren der Ansicht, dass dieser Vorschlag ganz gut angenommen wurde", so Machold. Deshalb habe man aktuell auch keinen weiteren Handlungsbedarf gesehen.

Wenn dies aber seitens der betroffenen Niederlauterbacher Anwohner gewünscht sei, so müsse man einen entsprechenden Antrag einreichen: "Diesen werden wir dann auch sehr zeitnah behandeln", sichert der Rathauschef zu. Termin für die nächste Gemeinderatssitzung wäre schon der kommende Donnerstag.

WZ

Karin Trouboukis