Ohne Kampfgeschrei zum Ziel

Stefan Haider bei den Kabaretttagen in der Neuen Welt

05.02.2020 | Stand 23.09.2023, 10:24 Uhr
Humor ohne Angriff: Stefan Haider macht ein Programm, bei dem der tiefere Sinn am Ende wichtiger ist als der Klamauk. −Foto: Leitner

Ingolstadt - Ein Religionslehrer als Kabarettist?

Geht das überhaupt? Hat der nicht schon von Amtswegen einen Maulkorb? Ist der überhaupt ernst zu nehmen als Vertreter eines Faches, das eh keiner ernst nimmt? Darf er als einer, der doch die Nächstenliebe propagiert, überhaupt jemanden verbal in die Pfanne hauen? - Fragen über Fragen, die sich manch einer in der wieder einmal anlässlich der Kabaretttage ausverkauften Neuen Welt gestellt haben mag, Fragen über Fragen, die sich jedoch recht schnell im Luft auf­lösen.

Denn Stefan Haider, der im Rahmen der Reihe "Ösi Special" auf der Bühne steht, ist einer, der auch ohne Kampfgeschrei und Kriegsgeheul zum Ziel kommt. Wenn man es sich recht überlegt, greift er den ganzen Abend über niemanden an, überschüttet niemanden mit Spott und Häme. In dieser Hinsicht ist er in der Tat ein absoluter Sonderfall. Seine Ausgangsfrage lautet "Kann ich ein guter Mensch sein und trotzdem erfolgreich? " Woran sich die daraus resultierende Forderung nach dem neu einzuführenden Schulfach "Herzensbildung" anschließt.

Nachdem ja eh als Ergänzung zum bestehenden Fächerkanon ständig Projektwochen oder gleich komplette Fächer wie "Umgang mit Medien", "Internetkompetenz", "Alltagsbewältigung", "Benehmen und Anstand" oder "Natur und Klima" eingefordert werden, nun also auch das noch? - Ja, und zwar mit folgenden Lernzielen: Öffne dein Herz! Betrachte die Welt positiv! Setzte deine Talente richtig ein! Alle halten sie für richtig, die wenigsten aber setzten sie um, weil es doch so viel weniger anstrengend und vermeintlich doch viel befriedigen­der ist, mal so richtig um sich und dem widerwärtigen Gegenüber aufs Maul zu schlagen.

Haider ist dieser Meinung nicht. Er findet genau die richtigen Worte, um sein Plädoyer für Herzensbildung, Empathie und Toleranz zu untermauern. Er ist kein heuchlerischer Gutmensch, kein säuerlicher Missionar, macht sich selber über sich lustig, redet flapsig und gerade heraus, fordert die Lacher ebenso heraus wie die Nachdenker.

In seinem Programm sind durchaus Elemente der Comedy enthalten, aber der tiefere Sinn ist ihm am Ende doch wichtiger als der Klamauk. Durch die richtige Dosierung beider Komponenten schafft er es, ein schlecht greifbares und in der Schulsituation auch nur schlecht abprüfbares Thema so zu präsentieren, dass man hingerissen lauscht. Was ist wichtiger: Vermögensbildung oder Herzensbildung? Autos oder Autonomie? Lernen für die Schule oder Lernen fürs Leben? Ist es überhaupt sinnvoll, möglichst viel zu wissen? Und ist auch die Antwort "Ich weiß es nicht! " erlaubt?

Stefan Haiders Programm hat trotz dessen beruflicher Tätigkeit wenig bis gar nichts zu tun mit biblischen Geschichten, den Gleichnissen Jesu oder seelsorgerischen Angelegenheiten, recht viel allerdings mit Sinnfragen, Lebensbewältigung und Überlebensstrategien. Und es ist zugleich ein Beleg dafür, dass "Reli" nicht von vorne herein immer nur trocken oder langweilig sein muss.

DK

Karl Leitner