Oh, wie ist das schön!

08.11.2018 | Stand 02.12.2020, 15:17 Uhr

Eine historische Nacht!

Revolution in Bayern! Die Mächtigen wurden gestürzt! Nein, ich rede nicht vom Ende der Monarchie 1918 - ich hab mich nur immer noch nicht erholt vom Siegestaumel der vergangenen Woche. Wie könnte ich auch! Jeden Tag gab es doch eine neue Lobpreisung zu lesen über den großartigsten Verein der Welt. Ich weiß nicht, ob ich jetzt irgendjemanden in seiner Würde verletze, aber eins ist klar: Der großartigste Verein der Welt, das war einmal der FC Bayern München. Spätestens seit letztem Freitag ist es der VfB Eichstätt.

Das stand nicht nur in meiner geliebten Heimatzeitung, sondern in allen wichtigen Blättern der Republik: "Grünes Wunder" titelte die Süddeutsche am Montag; "Etwas historisches" legte die TZ am Dienstag nach. Und auch ins Fernsehen haben es unsere Superduperjungs geschafft - nicht nur ins bayerische, Gott bewahre! Ein südkoreanischer Sender hat ebenfalls berichtet. Angeblich wegen irgendeinem 19-jährigen Bayernspieler. Wer's glaubt!

3:0 hat der VfB Eichstätt gegen die kleinen Bayern (und das ist jetzt kein Spott, es geht um die Zweite Mannschaft) gewonnen. In München! Meine Veteranen und ich hatten diesmal leider keinen Platz im Fanbus ergattern können, daher haben wir uns voller Neid die Videos von der rauschenden Siegesparty im Blue Adria angeschaut, die uns mein Ururururenkel Lenzi auf seinem smarten Telefon gezeigt hat.

Wer soll uns jetzt noch schlagen, frag ich mich. Da verwundert es doch ein wenig, dass von Vereinsseite immer noch lediglich der Klassenerhalt als Saisonziel ausgegeben wird. Klassenerhalt - das klingt ungefähr so aufregend wie ein Bausparvertrag. Sicher, aber sicher nicht sexy. Seit dem Sieg gegen den einstmals weltbesten und weltgrößten bayerischen Verein tragen jedenfalls meine Veteranen und ich täglich unsere grünen Schals mit stolzgeschwellter Brust über den Hof der Willibaldsburg spazieren: "Mia san jetzad mia - und nimmer ihr! " oder "Bayerischer Meister wird nur der VfB, nur der VfB, nur der VfB! " lauten unsere Schlachtrufe, natürlich stets gefolgt von einem "Hipp Hipp, Hipp Hipp, Hurraaa, die grün-weißen Bomber sind da! ".

Und abends, vor dem knisternden Feuer im Ofen, nach ein oder zwei Humpen Bier, malen wir uns die glorreiche Zukunft aus. Es ist eben kein Zufall, dass seit September ein Spieler mit Champions-League-Erfahrung im Eichstätter Kader steht. Das zeigt doch die wahren Ambitionen! Und zum Schluss murmelt immer einer meiner Mannen selig: "Jetzt steing ma auf und dann kaff ma an Brasilianer. . . "

Euphorisierte Grüße,

Ihr Schlossleutnant

Lorenz Krach