Offener Widerstand

Kommentar

07.12.2016 | Stand 02.12.2020, 18:57 Uhr

Ein schwaches Ergebnis zu Beginn, ein Paukenschlag zum Schluss - der Essener Bundesparteitag war alles andere als eine Wellnessveranstaltung für Angela Merkel.

Da wächst der offene Widerspruch zum Kurs der Kanzlerin in der Flüchtlingspolitik, und schließlich kassiert sie noch eine Niederlage beim Thema doppelte Staatsangehörigkeit.

Es ist unverkennbar: Die Konservativen in der Partei machen mobil. Ein mäßiges Wahlergebnis, ein härterer Kurs in der Flüchtlingspolitik, Aufbegehren gegen den Kuschelkurs in der großen Koalition - es sind Warnungen, die Merkel ernst nehmen muss. Hielten sich ihre Kritiker bei ihrer Wiederwahl noch zähneknirschend zurück, probten sie an anderer Stelle den offenen Aufstand. Dabei geht es nur vordergründig um das Thema Staatsbürgerschaft und die Fragen von Identität und Integration. Vielmehr machen die Delegierten ihrem aufgestauten Ärger Luft, nutzen es als Ventil und lassen Dampf ab. Die Mehrheit der Partei will nicht Erfüllungsgehilfin der schwarz-roten Bundesregierung sein und setzt mit der Absage an die doppelte Staatsbürgerschaft ein Zeichen.

Dabei führt die bestehende Gesetzeslage nicht dazu, dass der Doppelpass immer mehr zur Regel wird, sondern auch weiterhin eher die Ausnahme bleibt. Weder sind zwei Pässe ein Allheilmittel für eine bessere Integration, wie es SPD und Grüne behaupten, noch müssen sie zwangsläufig zu Loyalitätskonflikten führen. Ziel der konservativen Merkel-Kritiker war es vor allem, zu zeigen, dass die Kanzlerin in der Partei nicht für jeden Richtungswechsel und faulen Kompromiss eine Mehrheit in der Partei hat. Dass sich die Parteichefin jetzt offen gegen den Beschluss des Parteitags stellt und gar nicht daran denkt, für seine Umsetzung zu kämpfen, ist mehr als nur bemerkenswert.

Das Essener Parteitreffen mit deutlichen Dissonanzen zeigt Merkels ganzes Dilemma. Und die Rebellen in der Partei, die die CDU wieder weiter nach rechts rücken und das konservative Profil schärfen wollen, dürften richtig auf den Geschmack gekommen sein.