Die
Oberhaus ohne Oberstübchen?

12.12.2017 | Stand 02.12.2020, 17:05 Uhr

Die Fußballwelt ist aus den Fugen, Entrüstung allerorten. Verantwortlich dafür: Nils Petersen. Hauptberuflich Fußballer und Torjäger beim Bundesligisten SC Freiburg, seit Kurzem allerdings auch scharfsinniger Gesellschaftskritiker und Philosoph.

Und was der 29-Jährige vor einigen Tagen einem verdutzten Journalisten in den Block dozierte, sorgte für ein stattliches Beben. "Oberflächlich" sei die Fußballbranche. "Schämen" würde er sich dafür, dass er so wenig Wissen besitze. "Verblöden" würde er seit zehn Jahren, deklamierte Petersen. Rums. Das hatte gesessen.

Was den Freiburger zu diesen drastischen Aussagen getrieben hat, bleibt auch Tage später schleierhaft. Die Bundesliga, ein Sammelbecken der Halbbehirnten und Einfältigen? Ein Oberhaus ohne Oberstübchen? Mitnichten, ganz im Gegenteil! Denn die deutsche Eliteliga - die konsequenterweise so heißt, weil dort die deutsche Elite verkehrt - hat bereits vor Petersen eine Riege großer Denker hervorgebracht. Den renommierten Naturökonomen Thomas Tuchel beispielsweise ("Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht"), den Realphilosophen Rudi Völler ("Wenn es ein Elfmeter ist, ist es ein Elfmeter") und den Psychoanalytiker Alexander Nouri ("Wir wissen, dass diese Brücke zwischen Realität und Traum harte Arbeit ist"). HSV-Legende Uwe Seeler wiederum kann bahnbrechende Verdienste in der Metaphysik vorweisen ("Das Geheimnis des Fußballs ist ja der Ball") und gilt als einer der wegweisenden Pragmatiker unserer Zeit ("Hamburger geben niemals auf").

Dass sich die hellsten Köpfe des Landes dabei auch ihres Bildungsauftrages gegenüber der gemeinen Bevölkerung stets bewusst sind, veranschaulicht folgender Satz des namhaften Didaktikers Ousman Manneh von Werder Bremen: "Ich spreche jeden Tag mit meiner Mutter. Sie ist sehr stolz, obwohl sie nichts von Fußball versteht."

Und Petersen? In dessen Fall erhärtet sich nun der Verdacht einer großen Farce. Denn der nachdenkliche Vollblutstürmer scheint am Ende doch nicht so blöd zu sein, wie er selbst postulierte. Wie sonst ist es zu erklären, dass der 29-Jährige auch ohne ein fünfjähriges Wirtschaftsstudium Woche für Woche als Meister der Kosten-Nutzen-Rechnung in Erscheinung tritt? Denn um seinen persönlichen Cashflow aufrechtzuerhalten, rackert Petersen in der Regel nicht wie der Großteil seiner Kollegen 90 Minuten lang über den Platz, sondern lässt sich lieber spät in der zweiten Halbzeit einwechseln. Um dann den Gegnern natürlich gewohnt zuverlässig die Bälle in die Maschen zu hauen. Mehr Netto vom Brutto hat er dadurch zwar nicht, aber eben einen wesentlich entspannteren Nachmittag. Ziemlich clever, eigentlich. ‹ŒAnton Kostudis