OB Steppbergers Neujahrsansprache - Die leicht gekürzte Rede im Wortlaut

14.01.2016 | Stand 02.12.2020, 20:19 Uhr

"Wir haben gelernt, wie die Vögel zu fliegen, wie die Fische zu schwimmen, doch wir haben die einfache Kunst verlernt, wie Brüder zu leben." An diesen Satz des amerikanischen Bürgerrechtlers Martin Luther King fühle ich mich erinnert, wenn ich auf die dramatischen Ereignisse des abgelaufenen Jahres zurück blicke – weltweit, aber auch vor unserer Haustüre.

Wir alle sind betroffen von den Geschehnissen, die niemanden unberührt lassen können. Niemand von uns hätte es für möglich gehalten, dass Menschen ihre Heimat verlassen müssen und sich unter menschenunwürdigen Bedingungen auf eine Flucht voller Gefahren machen, um sich in einer völlig fremden Welt eine neue, sichere Bleibe zu suchen.

Wir dürfen bei dieser eher pessimistischen Betrachtung aber nicht stehen bleiben. Nicht allein die Vergangenheit darf unseren Blick bestimmen. Sehr viel mehr müssen wir uns trotz der gegenwärtigen Not in allen Teilen der Erde mit der Zukunft befassen. Gerade in diesen Tagen, die für viele von uns zum Nachdenken und Hoffen zugleich Anlass geben, ist dieser Blickwinkel besonders wichtig.

Wir neigen häufig dazu, mit der Gegenwart unzufrieden zu sein und die Vergangenheit dagegen zu verklären. Dabei übersehen wir völlig, dass es im Grund sehr viel mehr die Zukunft sein müsste, über die wir uns Gedanken machen sollten. Gedanken, die allzu häufig verdrängt werden. Der Philosoph Karl Jaspers erinnert uns daran, dass die Zukunft als Raum der Möglichkeiten der Raum unserer Freiheit ist. Und zwar unserer Freiheit, Zukunft nach unseren Vorstellungen zu gestalten. Zukunft erkennt man nicht, sondern man erschafft sie.

Ohne Zweifel gibt es genügend Gründe, um diese Zukunft besorgt zu sein. Wir nehmen uns zwar häufig vor, aus der Vergangenheit zu lernen. Doch wenn wir ehrlich sind, müssen wir einräumen, dass uns das nur selten gelingt. Sorgen um die Zukunft sind häufig in der atemberaubenden Geschwindigkeit begründet mit der sich vieles verändert – aber nicht immer zum Besten. Was heute noch sicher schien, kann morgen schon ganz anders sein. Nichts mehr scheint kalkulierbar – und dabei wüssten wir doch so gerne, was uns am nächsten Tagen erwartet.

Unser tägliches Leben mag von Wunschdenken bestimmt werden. Wir müssen uns aber stets vor Augen halten, dass Wahrheiten auch dann Wahrheiten bleiben, wenn sie für uns unangenehm sind. Wir suchen zwar die Wahrheit. Finden wollen wir sie nach der Erkenntnis von Marie von Ebner-Eschenbach meist aber nur dort, wo es uns beliebt. Deshalb mutet die Suche nach wahrer Erkenntnis oft an wie Fluchtwege aus der Wirklichkeit. Die Grenze zwischen Vision und Illusion bleibt nicht immer deutlich erkennbar. Das Spannungsfeld, in dem wir Kommunalpolitiker und die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt leben, wird auch in unserem überschaubaren Bereich deutlich spürbar. Der durchaus vorhandenen Versuchung, Wohltaten zu verteilen, darf nicht nachgegeben werden. Forderungen der unterschiedlichsten Gruppen und Vereinigungen sind ja zur Genüge vorhanden.

Als Kommunalpolitiker müssen wir die Interessen der Allgemeinheit genau im Auge behalten. Es darf nicht dazu kommen, einzelne Gruppen bevorzugt zu behandeln. Unsere begrenzten finanziellen Möglichkeiten lassen uns jedoch keine andere Wahl: Prioritäten bei der Entscheidung über Investitionen sind unumgänglich. Diese müssen wir in einem ergebnisoffenen Verfahren finden. Der Ort dafür ist der Stadtrat, den der Gesetzgeber zum Hauptorgan der Kommunen bestimmt hat.

Selbstverständlich werden die Beschlüsse von Diskussionen in der Öffentlichkeit begleitet. Das ist auch gut so. Denn die Festlegungen des Stadtrats müssen von den Bürgerinnen und Bürgern in einem möglichst großen Konsens mitgetragen werden. Dafür werben wir.

Dass dabei unterschiedliche Auffassungen geäußert werden, ist ganz selbstverständlich. Meinungsunterschiede sind Teil zu unserer demokratischen Verfassung. Artikel Fünf des Grundgesetzes sichert jedermann Meinungsfreiheit in Wort, Schrift und Bild zu. Schranken setzen verschiedene Schutzgüter, wie zum Beispiel das Recht der persönlichen Ehre. Diskussionen müssen offen und fair ausgetragen werden. Das gehört zu den Grundprinzipien des gesellschaftlichen Zusammenlebens – und nicht zuletzt ist das die wichtigste Voraussetzung für die Akzeptanz getroffener Entscheidungen.

So haben wir es 2015 geschafft, die Attraktivität unserer Stadt weiter zu stärken, sei es kulturell, städtebaulich, für die Lebensqualität oder im Hinblick auf ökologische Aspekte.

Themen innerhalb des integrierten städtebaulichen Konzeptes ISEK 2020, wie z. B. barrierefreies und fahrradfreundliches Eichstätt sowie Fußgängerleitsystem wurden vorangebracht. Die Einrichtung eines privat-öffentlichen Projektfonds „Aktive Zentren“ konnte realisiert und erste Fördermaßnahmen, wie z. B. die Kunstinstallation „Brückenschlag“ am Herzogsteg, Zwischennutzungen von Ladenleerständen und Baustellenmarketing konnten nicht zuletzt mit dem Ziel der weiteren Belebung der Innenstadt durchgeführt werden.

Daneben wird weiterhin intensiv an der Umsetzung des Wettbewerbsergebnisses „Spitalstadtplätze“ mit Neuerrichtung der ZOB-Dächer, Neugestaltung des Franz-Xaver-Platzes und des Bahnhofsplatzes sowie der Förderung kleinerer privater Sanierungsmaßnahmen im Rahmen des Kommunalen Förderprogramms gearbeitet. Umfassende Modernisierungen von seit Jahren leer stehenden Gebäuden in der Altstadt konnten so angegangen werden.

In Zusammenarbeit mit pro Eichstätt und dem Haus und Grund Verein ist es mittlerweile unter Federführung der Stadt Eichstätt auch gelungen, eine Plattform für gewerbliche Flächen als eigenständige Webseite zu entwickeln. Ein Blick darauf lohnt sich!

Aufgrund der bayernweit äußerst positiven wirtschaftlichen Entwicklung wird auch die Stadt Eichstätt im Jahr 2015, insbesondere bei der Einkommensteuer und der Gewerbesteuer, Steuermehreinnahmen erzielen, was zu einem positiven Jahresergebnis führen wird – eine gute Grundlage für die anstehenden, weiteren Investitionsmaßnahmen.

Dabei spielen nach erfolgreicher Vermarktung der Wohnbauflächen in der Weinleite-West und in Landershofen-Nord die geplante Neuausweisung weiterer Bau- und Gewerbegebiete, eine Kapitaleinlage an die Wohnungsbaugesellschaft für Geschosswohnungsbau im Rahmen sozialer Wohnungsbauprogramme, die Frage nach einer Verlagerung des städtischen Bauhofs nach dem Brand am alten Standort im Tiefen Tal sowie das Thema Konzepterstellung für die zukünftige Nutzung des Bahnhofsgebäudes und die Erarbeitung eines Sanierungsplanes für das Rathaus mit Einbau einer Aufzuganlage zur Erreichung von Barrierefreiheit eine beherrschende Rolle.

Auch die Grundlagen für eine Förderung der E-Mobilität im Stadtgebiet wurden 2015 im Bereich des Domplatzes und beim Infozentrum des Naturparks Altmühltal durch die Errichtung zweier E-Bike Ladesäulen gelegt, die im Rahmen der Stromtreter-Initiative des Naturparks Altmühltal auch durch den Landkreis Eichstätt gefördert wurden. Fortgeführt wird dieses Engagement im kommenden Jahr durch die Errichtung einer Fahrradabstellanlage im Bereich des Busbahnhofs, den Bau eines Ladeschranks sowie der Errichtung von Ladesäulen für Elektroautos.

Einen hohen Stellenwert müssen wir auch dem sozialen Klima einräumen. Es prägt unser Gemeinwesen. Immer mehr Mitbürgerinnen und Mitbürger stellen sich in den Dienst der Allgemeinheit. Das begrüße ich sehr. Dieses Engagement ist eine besondere, menschliche Form der Zukunftssicherung. Die Sorge um die Zukunft muss in aktives Tun münden. Von Victor Hugo stammt das Wort: „Die Zukunft hat viele Namen. Für die Schwachen ist sie das Unerreichbare. Für die Furchtsamen ist sie das Unbekannte. Für die Tapferen ist sie die Chance.“

Ich möchte dem hinzufügen: Für die Verantwortungsbewussten ist sie ein Aufgabe, die sie nicht mehr loslässt.

Wir alle sind dankbar für die Arbeit, die in den Vereinen und Organisationen unserer Stadt geleistet wird. Dahinter stehen Menschen, die sich dem Allgemeinwohl verpflichtet fühlen. Vieles davon geschieht im Verborgenen. Trotzdem ist gerade dieses Verhalten vorbildlich und nicht weniger wichtig als die Taten, die in der Öffentlichkeit registriert werden.Optimismus ist dann die Devise für die Zukunft, wenn nicht Zaghaftigkeit, sondern Selbstvertrauen die Oberhand behält. Wir müssen auch weiterhin Menschlichkeit und Toleranz praktizieren. Mit Augenmaß und Verstand Lösungen suchen – das ist unsere Aufgabe.

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, denken wir heute und morgen an die Menschen, die in wirklicher materieller und seelischer Not leben müssen. Vergessen wir nicht, dass alte, behinderte und kranke Mitbürgerinnen und Mitbürger vor allem durch persönliche Zuwendung vor Einsamkeit bewahrt werden können. Auch im abgelaufenen Jahr gab es zahlreiche Beispiele dieser nachbarschaftlichen Unterstützung und Anteilnahme am Schicksal des Nächsten. Ehrenamtliche Kräfte haben viel bewirkt. Sie weiter zu stärken, muss unser gemeinsames Ziel sein. Auch an dieser Stelle möchte ich dafür danken, dass durch die vielfältigen Aktivitäten, die oft im Verborgenen geleistet werden, manche Not gelindert wurde. Auch die Zahl der Flüchtlinge, die in unserem Land Zuflucht vor Terror, Gewalt und Verfolgung suchen, ist in ungeahnte Höhen gestiegen. Die Menge hat uns überrascht – das Engagement, die Hilfsbereitschaft und der Einsatz unserer Stadtgemeinschaft aber auch! Und ich finde, bislang haben wir das Miteinander gut, nein, sogar sehr gut hinbekommen.

Zu großen Teilen ist das neben vielen weiteren Ehrenamtlichen aus kirchlichen und sozialen Vereinen und Verbänden der tun.starthilfe zu verdanken. Die dort engagierten jungen Leute, zumeist Studentinnen und Studenten, investieren viel Freizeit in die Betreuung der Flüchtlinge. Sie managen die Sachspenden, sie stellen ein Programm für die Flüchtlinge auf die Beine, organisieren Sprachkurse, kurz: sie sind Ansprechpartner – für die Flüchtlinge, aber auch für die Bürgerinnen und Bürger und für die Verwaltung. Sie haben eine sehr wichtige Vermittlerrolle eingenommen und tragen so wesentlich zur Integration der Flüchtlinge bei.

Genauso wie zahlreiche Sportvereine - so trainieren bei einzelnen Gymnastikgruppen teilweise viele Flüchtlinge mit.

Genau das ist das Entscheidende: Jeden einzelnen Menschen mit seinen Fähigkeiten und Talenten zu sehen und nicht die Neuankömmlinge als eine bedrohliche Masse.

Für all dieses Engagement ein herzliches Dankeschön – ich denke, ich kann sagen: im Namen von uns allen!

Wir dürfen deshalb allen Grund zum Optimismus haben, wenn wir uns weiterhin um unser Gemeinwesen im Zeichen des Gemeinsinns bemühen. Jede Mitbürgerin und jeder Mitbürger darf und muss sich in unserer Gesellschaft angenommen fühlen. Dazu kann jeder einen Beitrag leisten. Diese Einstellung zum Nächsten möge uns im neuen Jahr begleiten. Wir alle können mithelfen, dass gegenseitige Achtung und Respekt unser Miteinander bestimmen.

Meine Damen und Herren,wir sind eine offene Stadt!

Wir haben eine Willkommenskultur.

Wir leben eine Willkommenskultur.

Es war und ist richtig, unsere positive und freundliche Seite zu zeigen! Zu zeigen: Wenn es hart auf hart kommt, dann halten wir hier zusammen.

Oder um es mit dem deutschen Philosophen Arthur Schopenhauer zu sagen: „Der Mensch für sich allein vermag gar wenig und ist ein verlassener Robinson: nur in der Gemeinschaft mit den anderen ist und vermag er viel.“

Das zeigen Sie, liebe Eichstätterinnen und Eichstätter schon lange, seit letztem Jahr zeigen Sie es aber besonders eindrucksvoll.

Besonders freut es mich daher, dass das Bistum Eichstätt Flüchtlingskindern aus der Eichstätter Erstaufnahmeeinrichtung Schulunterricht anbietet. Eine sogenannte Willkommensklasse hat mit dem Ende der Winterferien an der Maria-Ward-Realschule im Kloster Rebdorf ihre Arbeit aufgenommen.

Gut 20 an sich aufgrund des ungeklärten Asylstatus nicht-schulpflichtige Kinder und Jugendliche besuchen derzeit täglich für jeweils vier Schulstunden diese Klasse und werden von Lehrern in deren Freizeit und Schülern betreut. Die Flüchtlingskinder sollen in der Willkommensklasse vor allem mit dem Schulsystem und den Unterrichtsformen in Deutschland vertraut gemacht werden. Derzeit sind die Schüler zwischen 8 und 16 Jahre alt und kommen größtenteils aus Syrien, Afghanistan und Eritrea.

Den Mitinitiatoren dieser bislang wohl einzigartigen Idee Peter Nothaft, Leiter der Schulabteilung im Bistum Eichstätt und Prof. Dr. Barbara Staudigl, Direktorin der Maria-Ward-Realschule, gilt diesbezüglich mein großer Dank. Der Aussage der Schulleitung, dass gerade für den Zugang zur neuen Sprache jeder Tag kostbar sei, kann man insofern nur uneingeschränkt zustimmen.

Eichstätt ist eine Stadt der Achtsamkeit. In Eichstätt leben mittlerweile Menschen aus x-verschiedenen Nationen. Sie kommen aus allen Kontinenten und allen Kulturkreisen. Sie sind Anhänger der unterschiedlichsten Religionen und Weltanschauungen. An dieser Stelle sei hinzugefügt: Wo viele Menschen auf engen Raum miteinander leben – und das ist in den Städten der Fall – ist das Leben nie konfliktfrei. Das wäre es auch nicht, wenn statt Menschen aus etlichen Nationen nur welche aus einer Nation hier lebten.

Friedfertiges Zusammenleben funktioniert nicht von selber. Respekt und Achtsamkeit, verbunden mit einer Toleranz, die Anderssein nicht nur erträgt, sondern akzeptiert, und die neugierig macht, statt auszugrenzen, sind unbedingte, notwendige Voraussetzungen, dass Zusammenleben funktionieren kann. Und in Eichstätt funktioniert das – in der Regel – sehr gut.

Das macht mich als Oberbürgermeister sehr froh und auch ein Stück weit stolz auf das, was man heute Zivilgesellschaft nennt. Nämlich mutige Bürgerinnen und Bürger, die sich einmischen, die sich solidarisch mit anderen verhalten und die nicht urteilen nach Hautfarbe oder Religion, Geschlecht oder Herkunft, sondern allein nach Bedürftigkeit der Mitmenschen.

Bei aller Unterschiedlichkeit und Buntheit, bei allen Diskussionen über politische Wege und Ziele verbindet uns in Eichstätt ein gemeinsames Ziel: Es ist ein klares Ja der gesamten Stadtgesellschaft für ein gutes und menschliches Miteinander, für Achtung und Respekt gegenüber anderen Menschen, anderen Kulturen und Glaubensrichtungen.

Und weil das Ziel der vergangenen Anschläge genau auf diese Werte abzielt, um sie lächerlich und verächtlich zu machen, sie auszulöschen, ist es an der Zeit, offensiv für sie zu kämpfen. Freiheit gibt es nicht zum Nulltarif.

Freiheit kann nur auf der Grundlage von Achtung und Respekt vor allen Menschen gedeihen – das übrigens aus der Sichtweise beider Parteien. Selbstverständlich sind auch unsere Werte, die der Familie, die der Frau, die der älteren Generation unseren Flüchtlingen zu vermitteln, ist ihr Bewusstsein diesbezüglich zu schärfen.

Und Freiheit kann dauerhaft nur Wirklichkeit werden, wenn viele Menschen verantwortlich für sie eintreten und sie verteidigen. Nur so kann Integration gelingen!

Meine Damen und Herren, wir sollten Mördern und Fanatikern, die unsere Werte und die Art, wie wir leben, bedrohen, entschieden entgegentreten. Aber nicht, indem wir unsere eigenen Werte aufgeben. Sondern indem wir öffentlich und offensiv für unsere Werte eintreten.

Keine Religion rechtfertigt Mord im Namen Gottes. Das tut auch der Islam nicht. Es ist traurig, dass es notwendig war, aber trotzdem enorm wichtig, dass viele muslimische Verbände dies eindeutig klargestellt haben. Verbrecher sind Verbrecher und dürfen sich nicht auf Gott und den Koran berufen.

Das heißt für mich auch, dass wir keine rechtsextremen Handlungen und Äußerungen und Ausländerfeindlichkeit dulden werden. Wir in Eichstätt verurteilen auch keine Religionen. Wir stehen zur grundgesetzlichen Religionsfreiheit. In einer Fernsehdiskussion fiel ein bemerkenswerter Satz. Er lautet: „Nicht eine Religion bringt Menschen um, sondern Menschen bringen Menschen um.“

Und wir sollten bei diesen Gelegenheiten Menschen, die unter Berufung auf das Versammlungsrecht gegen Minderheiten hetzen, klarmachen: Nein, ihr seid nicht das Volk, in unserem Namen sprecht ihr nicht, wir sehen das anders – ganz anders.

Das Widersinnige an den aktuellen Demonstrationen „gegen das Fremde“ ist, dass die Menschen, die da auf die Straße gehen noch all das besitzen, was die Flüchtlinge bereits verloren haben, vor allem ihre Heimat, ihre Sprache, ihre Kultur, meinetwegen ihren Glauben, ihren Gott.

Dagegen haben die, gegen die sie demonstrieren bereits alles verloren: Hab und Gut, ihre Heimat, ihre Kultur, ihre Sprache, ihre sozialen Stellung, ihre Angehörigen manchmal auch ihren Glauben.

Beim Blick nach vorne stellt sich schnell die Frage, was mag uns die Zukunft bringen? Ich antworte darauf mit dem Satz des deutschen Aphoristikers Peter Benary. Dieser sagte kurz und knapp: „Die Zukunft bringt, „was wir der Zukunft bringen.“ Auch Ex-Bundeskanzler Willy Brandt hat es einmal so formuliert: „Der beste Weg, die Zukunft vorherzusagen, ist, sie zu gestalten.“

Derzeit sind laut UN über 50 Millionen Menschen auf der Flucht - eine moderne Völkerwanderung. Nicht alle diese Menschen werden wir als Flüchtlinge bezeichnen können und doch gibt es einen weltweiten Aufbruch von Menschen, die anderswo eine Zukunft in Wohlstand und Frieden suchen.

Für viele von ihnen erscheint Deutschland wie ein Paradies, mit seinen Möglichkeiten der Bildung, der beruflichen und kulturellen Weiterentwicklung. Und doch träumen die allermeisten Menschen von einer Rückkehr in die Heimat. Dort, wo sie ihre Wurzeln haben, ihre Kultur, wo sie eine Gesellschaft aufbauen und gestalten wollen.

Was mir persönlich aber bei der Diskussion um die sog. Flüchtlingswelle bis heute fehlt, ist die Frage nach dem Fluchtgrund.

Wenn wir nicht endlich beginnen, uns darüber ernsthaft Gedanken zu machen, scheint diese Problematik für mich nur schwer lösbar und in den Griff zu bekommen.

Betrachten Sie mit mir zusammen nunmehr kurz den Zusammenhang zwischen unserem Wohlstand, unserer daraus resultierenden Verantwortung und den eigentlichen Fluchtgründen.

Vergegenwärtigen wir uns zunächst einmal beispielsweise den Bürgerkrieg im Kongo - ein Krieg, in dem in den vergangenen Jahrzehnten – je nach Statistik – 5 bis 10 Millionen Menschen gestorben sind und täglich weiter sterben. Ein Krieg, in dem sexuelle Gewalt als Kriegsstrategie an der Tagesordnung steht. Ein Krieg, in dem Menschen abgeschlachtet werden.

Aber eben auch ein Krieg in einem Land, das über weltweit die größten Rohstoffreserven verfügt. Laut einem UN Bericht sei explizit eine deutsche Tochterfirma eines großen deutschen Chemiekonzerns ein Finanzier der Rebellen. Warum? Genau diese Rebellen sind es, die dem Chemie-Riesen Koltan lieferten, ein Mineral, das für unsere Handys benötigt wird.

So werden in Afrika riesige, illegale Minen betrieben, in denen die Menschen mit bloßen Händen nach Mineralien graben, teils auch nach radioaktivem Uran. Für ein paar Cent am Tag riskieren sie ihr Leben und liefern unseren Konzernen damit die Grundlage ihrer Produktion.

Das sog. „Land-Grabbing“, etwa in Äthiopien, also das Vertreiben der Ursprungsbevölkerung von fruchtbaren Ackerböden, darf ich als nächstes Beispiel nennen – ein Beispiel dafür, dass der Hunger in Afrika ein Stück weit von uns selbst gemacht ist.

Um das Land internationalen Lebensmittelkonzernen oder Blumenzüchtern zu überlassen werden die Menschen durch ein korruptes Regime aus ihrer Heimat vertrieben. Hunderttausende Menschen werden von dem Grund und Boden vertrieben, der ihnen seit Generationen die Grundlage ihres Überlebens war. Statt mit Lebensmitteln für die einheimische Bevölkerung werden überall in Afrika die fruchtbarsten Böden für den Anbau von Pflanzen oder für die Produktion von Biosprit verwendet. Damit wir im Supermarkt zu Billigstpreisen einkaufen können…

Hinzu kommt oft falsch verstandenen Entwicklungshilfe. Diese sog. Hilfe zur Selbsthilfe hat in den vergangenen Jahrzehnten systematisch den Aufbau einer Afrikanischen Landwirtschaft verhindert und damit die nächste Hungerkatastrophe vorbestimmt. Macht es wirklich Sinn, unsere Überschüsse in Form von Fleisch aus Europa oder Gen-Mais aus den USA auf den afrikanischen Markt zu werfen oder zerstören wir damit eher die Lebensgrundlage der einheimischen Bauern?

Nicht zuletzt ist der Klimawandel zu nennen. Es ist nicht zu bestreiten, dass es offensichtlich einen Zusammenhang zwischen dem Klimawandel, extremen Wetterverhältnissen und den CO2-Ausstößen der Industrienationen und zunehmend auch Staaten wie China und Indien gibt. Länder versinken im Ozean, Wüsten dehnen sich aus, Flüsse vertrocknen etc.

Die Klima-Flucht – ein Thema, das uns sicher ebenfalls noch viel intensiver als vielleicht auf den ersten Blick vermutet, beschäftigen wird.

Die großen Industrienationen waren es, die über viele Jahre in der Vergangenheit den Klimawandel verursacht haben. CO2, Treibhauseffekt, Erderwärmung seinen hier als Schlagworte genannt.

Sie waren es auch, die Waffen und Kriegswerkzeug in Krisenregionen verkauft haben.

Es sollte also zumindest keine Überraschung für uns sein, wenn Menschen vor diesen Waffen und der mit ihnen ausgeübten Gewalt fliehen und ihre Heimat verlassen.

Leider sind nur wenige dazu bereit und ist es eher an der Regel und für die Wirtschaft der angenehmere Weg, aus dem Missverhältnis von billigem Einkauf der Rohstoffe und teurem Verkauf unserer hochwertigen Produkte zu profitieren. Für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Produkte – für billiges Koltan - wird das oben beschriebene Szenario mit all seinen perversen Auswirkungen in Kauf genommen und die Demokratie mit Füßen getreten.

Da scheint es einfacher und vielleicht auch billiger zu sein, daran besser nichts zu ändern und stattdessen ein paar Flüchtlinge aufzunehmen, die diesen Terror-Regimen und den Bürgerkriegen entkommen können. „Fair“ sieht anders aus! Ich bin stolz darüber, dass unsere Stadt mit dem „Fair-Trade-Siegel“ ausgezeichnet wurde.

Leben wir es auch!

An dieser Stelle auch einen ganz herzlichen Dank an alle Mitglieder der Steuerungsgruppe „Fair Trade“ für Ihre Arbeit - ohne Sie geht es auch in Zukunft nicht. Gemeinsam mit Ihnen können wir uns heute und in Zukunft nicht nur über das Erreichte freuen, gemeinsam können wir auch daran weiterarbeiten, Eichstätt noch „fairer“ zu machen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,ich glaube, Ihnen ist bewusst geworden, worum es mir geht: Die Diskussion muss endlich mehr auf die Bekämpfung der wahren Gründe für die Flucht gelenkt werden und darauf, wie unsere Wirtschaft davon profitiert.

Zusammen fassend dazu darf ich hierzu unseren Bischof zitieren, der in seiner Silvesterpredigt dazu aufrief, „eine Entwicklungspolitik zu betreiben, die nicht unseren eigenen europäischen wirtschaftlichen Interessen dient, die nicht Almosen gibt, sondern teilt.“

Der Arbeitskreis Shalom für Gerechtigkeit und Frieden der KU Eichstätt knüpft genau daran an. Ziel des Arbeitskreises Shalom ist es, einen Beitrag zur Wahrung der Menschenrechte und des weltweiten Friedens zu leisten.

Jedes Jahr rückt dabei thematisch ein Land oder eine Region in den Mittelpunkt des Interesses. Höhepunkt des Engagements ist die jährliche Vergabe des Shalom-Preises. Die Preisträger engagieren sich in vorbildlicher Weise und unter erheblichen persönlichen Risiken für die Mit dem Preis werden Menschen ausgezeichnet, die sich:aus ihrer menschlicher Gesinnung heraus unter Einsatz ihres Lebens und ihrer persönlichen Freiheit, für Gerechtigkeit, Frieden, Freiheit aller, Solidarität mit Unterdrückten, Toleranz, für eine gerechte Wirtschaftsordnung, Demokratie und Schutz der Umwelt einsetzen und somit helfen, die Verwirklichung der Menschenrechte zu wahren bzw. zu fördern.

„Eure Handys haben etwas mit unserem Krieg zu tun“ – das sagte auch die Preisträgerin des vergangenen Jahres, die sich um vergewaltigte, traumatisierte Frauen kümmert. Sie kommt aus dem Land, das von den Vereinten Nationen als ‚das gefährlichste Land für Frauen’ bezeichnet wird – aus dem vorne bereits erwähnten Kongo.