Pfaffenhofen
Nur noch ein bisschen Feinschliff

Nach drei Monaten intensiver Proben fiebern die Schäffler dem Dreikönigstag entgegen

14.12.2018 | Stand 25.10.2023, 10:23 Uhr
Noch zwei Proben für den Feinschliff, dann feiern die Schäffler am Dreikönigstag die Premiere der Saison 2019. Insgesamtw erden es wohl mehr als 200 Auftritte. −Foto: Herchenbach

Pfaffenhofen (PK) Die Schäffler sind auf der Zielgeraden. Noch zwei Proben und dann wird es am 6. Januar mit der Premiere ernst. Seit drei Monaten kommen sie montags in der Aula der neuen Mittelschule zusammen, um ihre Tanzfiguren zu üben.

Laube, Schlangentanz, kleine Krone, Kreuz, große Krone. Klappt schon hervorragend. Oder doch nicht? "Na ja", sagt Trainer Dieter Sommer, "für den Laien sieht das perfekt aus, aber einiges muss noch besser werden." Sommer sitzt in der Schulkantine hinter der Aula, in der mittags die Schüler aus drei Menüs auswählen können. Auch die Schäffler können in den Pausen auswählen. Acht Getränkekisten, Wasser, Spezi und Bier, stehen auf den Tischen.

Sommer hat vor sich eine Anwesenheitsliste und immer wenn ein Schäffler reinschneit, macht er hinter seinem Namen einen Haken. Die Liste beginnt am 24. September, zwölf Probenabende haben die rund 30 Tänzer schon hinter sich, an denen mindestens drei-, eher viermal je 20 Minuten die Tanzfiguren geübt werden.

Fast 50 Proben für immer dieselben Schritte? Wer jetzt behauptet, in dieser Zeit könnten andere Tschaikowskys Nussknacker tanzen, der hat schlicht keine Ahnung vom Formationstanz (und von Ballett sowieso nicht). Denn der einzelne Schäffler sieht die Gruppe ja nicht von oben und erkennt deshalb nicht auf Anhieb, ob die Tänzer jetzt exakt im rechten Winkel stehen oder ob das Kreuz eher einem X gleicht. Da will Sommer noch ein bisschen Feinarbeit leisten.

Eine schrille Trillerpfeife bringt die 30 Männer auf Trab. Sie stellen sich in der Aula auf. Bisher wurde zur Musik vom Band getanzt, jetzt ist erstmals die Stadtkapelle bei der Probe dabei. Deren Chef Manfred Leopold gibt Takt und Tempo vor ("Tacktack - tacktack"), und dann erklingt die "Begrüßung". Für die rund 50 Bläser ist das nicht die große musikalische Herausforderung, die Melodie wird mehrmals wiederholt, "man kann es schnell auswendig", sagt eine Saxophonistin. Ein Trompeter ergänzt: "Ja, schon, aber man braucht auch viel Atem."

Den benötigen auch die Männer vor ihnen: Das linke Bein heben - zwei kleine Schritte - das rechte Bein heben - zwei Schritte. Wolfgang Herb, der Vortänzer, schreitet energisch voran und hebt seine Oberschenkel fast in die Waagerechte. Wenn er vorgehe, sagt er, könne er ja nicht so lasche Bewegungen machen, also etwa so: Demonstrativ schlenkert er mit dem rechten Bein. Herb gibt die Kommandos für die einzelnen Figuren, und zwar mit einer - natürlich - weiß-blauen Flagge. Dann biegen die Schäffler, die bisher zu zweit nebeneinander marschiert sind, rechts und links ab, bilden eine Schlange, gehen unter den Reifen ihrer Kameraden hindurch - und das alles im Takt zur Musik und choreografisch so selbstverständlich, als hätten sie nie etwas anderes gemacht. Ist ja auch so: "Das ist wie Fahrradfahren", sagt einer, "wenn du es einmal gelernt hast, dann vergisst du es nie wieder." Auch nicht nach sieben Jahren, denn der Tanz wird in diesem Turnus seit 1517 aufgeführt.

Neun Schäffler müssen das Fahrradfahren erst noch lernen, sie sind in dieser Saison zum ersten Mal dabei. Warum? "Weil es eine tolle Gemeinschaft ist", sagt Albert Gürtner und wischt sich in der Pause den Schweiß von der Stirn. Wie zum Beweis stimmt die Stadtkapelle "Happy Birthday" an und die kulturverbundenen Schäffler gratulieren einem ihrer Vereinskameraden nicht mit dem englischen, sondern mit dem deutschen Liedtext zum 50. Geburtstag. Gürtner (FW), Pfaffenhofens Zweiter Bürgermeister, ist seit 2012 dabei. Damals wurde der MTV, unter dessen Vereinsdach die Schäffler organisiert sind, 150 Jahre alt. Gürtner war da 1. Vorsitzender und nahm das Jubiläum zum Anlass, tiefer in die bayerische Lebensart einzutauchen. Denn natürlich gefällt es ihm auch, bayerisches Brauchtum und Traditionen hochzuhalten.

In der Mitte des Tanzkreises halten jetzt zwei Schäffler die Standarte, die der Kirchenmaler Robert Rolnik restauriert und und auf die er frisches Blattgold aufgelegt hat. Deshalb ist sie bei den Proben mit einem Stoffsack abgedeckt, "damit nichts beschädigt wird", sagt Rolnik. Er ist seit 41 Jahren bei den Schäfflern, anfangs als aktiver Tänzer, jetzt hat er mit seiner Frau Cita die Terminplanung übernommen. Firmen, Vereine, soziale Einrichtungen, Einzelpersonen - jeder kann die Schäffler an Wochenenden (beginnend mit dem Freitagabend) übers Internet buchen (www.schaefflertanz-pfaffenhofen.de). 140 Termine stehen schon im Kalender, "aber wir kommen sicher noch auf 200", ist sich Heinz Thalmeir, der 1. Vorstand, sicher. Von Weiberfastnacht bis Faschingsdienstag tanzen sie dann durch. An manchen Tagen haben sie bis zu zwölf Auftritte.

Was besonders für den Reifenschwinger eine Herausforderung ist. Manfred Schweigard hat sich am Schluss des Tanzes im Kreis der Schäffler auf ein Bierfass gestellt, je einen Holzreifen in der Hand, in den die sogenannten Kasperln ein Stamperl Schnaps gestellt haben. Schweigard schwingt die Reifen über seinem Kopf so gekonnt, dass sie sich weder berühren, noch etwas vom Hochprozentigen verschüttet wird. Applaus brandet in der Aula auf, der Reifenschwinger erntet den Lohn für langes und erfolgreiches Üben.

Nicht üben müssen die Kasperln, drei junge Damen, die abseits stehen und mit sichtbarer Freude zuschauen. Rolnik, dessen Berufsbezeichnung "Fassmaler" ist, hat sie geschminkt. Mit Fässern haben die schlanken Mädels aber genauso wenig zu tun wie Rolnik: Die Bezeichnung "Fassmaler" kommt von "einfassen". Anna ist 25 und eines der Kasperln. Muss sie da jetzt nicht mit aufs Parkett und üben? Nein, da gäbe es nichts zu üben. Ihre Aufgabe sei es, grantig dreinschauende Zuschauer zu bespaßen. Aha. Und wie macht sie das? Anna lacht: "Mal schau'n." Schon vor 500 Jahren haben die Schäffler-Kasperln nach den Jahren, in denen die Pest wütete, mit ihren Späßen die verängstige Bevölkerung aus ihren Stuben ins Freie gelockt.

Ihren ersten Auftritt haben die Pfaffenhofener Schäffler traditionell am Dreikönigstag. Zuvor gestalten sie morgens um halb elf den Gottesdienst in der Stadtpfarrkirche mit. Bis dahin müssen Laube, Schlangentanz, kleine Krone, Kreuz und große Krone wirklich perfekt sitzen.

Albert Herchenbach