Kösching
"Nur gute und schöne Filme"

Für ein paar Pfennige zu Clint Eastwood: Am 18. Dezember 1926 eröffnet Magnus Kastl das erste Kino in Kösching

16.12.2016 | Stand 02.12.2020, 18:54 Uhr

Überbleibsel aus längst vergangenen Zeiten: Die Aufnahme aus den 1960er-Jahren zeigt Rudolf Kastl, der in diesem Jahr gestorben ist, in seinem Vorführraum. Auch alte Filmplakate, die Friedrich Lenhardt (unten, links) und Stefan Balassa vom Geschichtsverein zeigen, liegen im Köschinger Archiv. ‹ŒRepr - Foto: Geschichtsverein/Stephan

Kösching (DK) An diesem Sonntag vor 90 Jahren öffnete das erste Kino in Kösching seine Pforten. Die Lichtspielära in dem kleinen Ort währte rund vier Jahrzehnte. Heute zeugen einige Gebäude sowie Relikte im Archiv der Marktgemeinde von der Filmgeschichte in Kösching.

Der Heimatpfleger Friedrich Lenhardt steht vor einem weißen Häuschen mit Stufengiebel sowie blau angemaltem Erker in der Kugelstraße. Das Gebäude ist heute ein Wohnhaus, doch in den späten 1940er-Jahren richtete Max Pöppl hier das "Filmtheater Kösching" ein, wie Lenhardt auf einer alten Aufnahme zeigt. Er erinnert sich an sein erstes Kinoerlebnis in Kösching zurück. "1955 durfte ich als Kind den Erwachsenenfilm ,Ich denke oft an Piroschka' ansehen", erzählt er. Auch die Weihnachtsvorführungen mit einem Kasperletheater seien ihm gut im Gedächtnis geblieben.

Während Lenhardt in Erinnerungen schwelgt, lauscht eine Passantin - und hat ebenfalls einige Anekdoten parat. Als Schülerin der Klosterschule habe sie sich sonntags oft heimlich mit Freundinnen in den Kinosaal geschlichen. "Eigentlich sollten wir zum Rosenkranz, am Montag sind wir dann von einer Pritschen verpetzt worden", sagt sie lachend. Mit den ausgebrannten Kohlebogenlampen der Projektoren, die der Filmvorführer aus dem Fenster geworfen habe, hätten die Kinder gern gemalt, ergänzt Lenhardt. Ein weiterer Spaziergänger berichtet von einem Buben, der den Eintritt mit Eiern bezahlt hat, wenn er gerade kein Geld fürs Kino hatte. "60 Pfennige hat's gekostet, glaub' ich."

Die Kinoära in Kösching begann aber schon viel früher, wie einige Unterlagen wie Steuerbücher im Archiv der Marktgemeinde belegen. Demzufolge teilte der Mechanikermeister und Elektriker Magnus Kastl am 18. Dezember 1926 im "Köschinger Anzeiger" mit, im Saal des Bachbräukellers - in dem Haus an der Unteren Marktstraße ist heute eine Metzgerei - ein Lichtspieltheater eröffnet zu haben. "Wir werden eifrig bemüht sein, nur gute und schöne Filme vorzuführen", heißt es in der Anzeige. Für die erste Vorführung - damals noch mit einem von Hand betriebenen Filmapparat - sah Kastl den Ufa-Streifen "Die Liebe der Bajadere", ein "Abenteuer in sechs Akten aus dem dunkelsten Indien", vor.

Während der Zeit des Nationalsozialismus hat es den Gewerbeanmeldungen zufolge keine Kinos ins Kösching gegeben. "In einem Wirtssaal an der Oberen Marktstraße wurden aber Propagandafilme gezeigt", weiß Lenhardt und weist auf das Gebäude gegenüber der Sparkasse, in dem heute ein Friseursalon ist. Der Vorführraum im ersten Stock des ehemaligen Gasthauses Heidl war später auch der Arbeitsplatz von Rudolf Kastl. Die Liebe zum Kino hat der in diesem Jahr gestorbene Elektromeister wohl von seinem Vater Magnus geerbt und wurde selbst Filmvorführer. In dem winzigen Vorführraum beim Heidl sei die Hitze unerträglich gewesen, schrieb er in seinen Erinnerungen, die er dem Archiv zur Verfügung stellte. "Nachdem die damaligen Filme sehr leicht entzündbar waren, war das Vorführen in diesem kleinen Raum mehr als gefährlich. Bei einem Brand wäre es zu einer Katastrophe gekommen."

Ein Feuer hat es glücklicherweise nicht gegeben. So war Kastl 20 Jahre Filmvorführer in den beiden Köschinger Lichtspielhäusern nach dem Krieg, unter anderem im bereits erwähnten "Filmtheater Kösching" an der Kugelstraße mit Klimaanlage, neuen Vorführapparaten sowie rund 250 Besucherplätzen. Und auch der Bäckermeister und Konditor Emmeram Gulder eröffnete in der Scheune hinter seinem Café im ehemaligen "Kastlwirt" an der Unteren Marktstraße die "Filmbühne Kösching" - später "Gloria-Lichtspiele" - für rund 330 Gäste. Der Stadel ist heute als Outletlager eines Modehauses bekannt. Der Vorführraum soll laut Lenhardt bis heute erhalten sein.

Historische Filmplakate erzählen ebenso von der Köschinger Kinogeschichte. "Die Plakate hat uns jemand überlassen, der damit sein Zimmer zugeklebt hatte", sagt Lenhardt und zeigt die knallbunten Poster von "Für eine Handvoll Dollar" mit Clint Eastwood und "Harte Fäuste, heiße Liebe" mit Elvis Presley. Sogar die alte Verkaufstheke aus dem Kino an der Kugelstraße steht noch im Depot. "Die war damals sensationell aus der Sicht eines Sechsjährigen", sagt der Heimatpfleger und erzählt von den Süßigkeiten und Begleitheftchen, die in den Schubladen gelagert waren.

Auch wenn es wohl eher weniger Kritiker waren - nicht jeder war begeistert von den Kinos in Kösching. ",Die Sünderin' war ein Skandalfilm", sagt Lenhardt über den Film, in dem Hildegard Knef 1951 "drei Sekunden lang barbusig über die Leinwand huschte". Lenhardt zufolge hat es im Köschinger Kirchenblatt einen Aufruf gegeben, sich diesen Film als "braver Katholik" ja nicht anzusehen. "Die Sünderin" sei natürlich trotzdem ein Kassenschlager gewesen - doch solange der Streifen in Kösching lief, seien die Kirchenglocken nicht geläutet worden.

In den späten 1960er-Jahren ging die Kinoära in Kösching zu Ende. "Sie sind unrentabel geworden, als der Fernseher aufkam", sagt Lenhardt. Bereits 1955 lehnte die Gemeinde in einem Schreiben die Eröffnung eines weiteren Kinos ab, da es sich "bei 4000 Einwohnern nicht mehr rentieren" würde. Einen kurzen Aufschwung gab es Lenhardt zufolge noch einmal mit dem Bau der Raffinerien, da mit den Arbeitern "viele Männer ohne Frauen" gekommen seien und Abwechslung suchten. Am 31. August 1968 verkündete der DONAUKURIER aber: "Auch Kösching hat nun kein Kino mehr."