Ingolstadt
Nur ernten muss der Hobbygärtner noch selber

Sensorik soll ein Schwerpunkt des Digitalen Gründerzentrums werden - ein Farmbot ist ein Beispiel für die praktische Anwendung

16.10.2019 | Stand 23.09.2023, 9:01 Uhr
Der Farmbot am Makerspace des Digitalen Gründerzentrums gießt die Pflanzen, wenn seine Messungen ergeben, dass der Boden zu trocken ist. Michael Buthut hat das Gerät mit anderen zusammengebaut und programmiert - und schon mehrfach geerntet. −Foto: Hammer

Ingolstadt (DK) Die Paprika sehen zum Anbeißen aus, das Basilikum ist prächtig gewachsen und die Gurke wuchert üppig.

Dieses Hochbeet wäre die Freude eines jeden Hobbygärtners. Doch die kommen nur zum Ernten - die ganze Arbeit haben sie einer Maschine überlassen. Farmbot heißt das Gerät, das als Bausatz aus den USA kommt und von einer bunten Gruppe Enthusiasten im Makerspace des Digitalen Gründerzentrums brigk aufgebaut und programmiert wurde. An der Schollstraße, wo im August 2018 diese offene High-Tech-Werkstatt eröffnet hat, stehen freilich nicht der frische Salat, Erdbeeren und Kräuter im Mittelspunkt. Der Farmbot ist Teil des Technologieforums Smart Farming, das gestern dort stattfand.

Dabei ging es um Dinge wie Miniatur-Multispektralsensoren für Smart Farming, um den Einsatz von Sensoren für effizienten und umweltgerechten Einsatz von Dünger oder um Kamerasysteme, die automatisch erkennen, wenn Kühe lahmen. Allesamt Themen aus der Landwirtschaft, die die Digitalisierung der Arbeit im Feld, im Stall oder im Gemüsebeet aufzeigen. Das funktioniert jedoch nur, wenn die nötigen Daten zur Verfügung stehen. Und die werden mit Hilfe von Sensoren gewonnen, die gleichsam die "Sinnesorgane der digitalen Welt" sind, wie es brigk-Geschäftsführer Franz Glatz ausdrückt. Das Digitale Gründerzentrum will künftig viel mehr in Richtung Sensorik arbeiten, "Ohne Daten geht nichts", sagt auch Marc Erras vom brigk. Und das Technologieforum Smart Farming war gleichsam der Startschuss für diese Sensorik-Offensive.

"Am Anfang waren wir insgesamt an die 25 Leute", erinnert sich Michael Buthut an den Start im Februar. Später waren es jedesmal ein halbes Dutzend Interessierte, die zu den Treffen kamen. Die Altersspanne reicht von 22 bis 67 Jahren. Gut 1000 Arbeitsstunden haben sie in den vergangenen Monaten investiert, sowohl in den Farmbot als auch in die stabile Holzkonstruktion, auf der er ruht. Nicht aus Selbstzweck, sondern um den Bausatz, den man im übrigen auch als Einzelteile in Deutschland kaufen könnte, zu verbessern und Schwierigkeiten und Probleme im laufenden Betrieb zu beseitigen. Denn der Farmbot soll nicht nur im kommenden Jahr auf der Landesgartenschau laufen. Er ist ein Instrument für jeden, der gärtnern will - aber auch ein möglicher Ansatz für die Versorgung in der Dritten Welt oder für die Astronauten bei künftigen Weltraummissionen der Nasa zum Mars.

Im Rohzustand kann der Farmbot gar nichts. "Er muss programmiert werden", erzählt Buthut, wobei das nicht allzu schwer ist und auch für Laien möglich, wenn man das System einmal verstanden hat. Man gibt ihm die Koordinaten des Beets und sagt ihm, wo er welches Gewächs einpflanzen soll und wie oft er gießen muss - das war's. "Bis zur Ernte ist das Hochbeet autark", betont Buthut. Denn der Farmbot kann pflanzen, die Feuchtigkeit und die Temperatur messen und punktgenau gießen. "Das Wasser kommt nur dahin, wo man es wirklich braucht", sagt Buthut, was vor allem für regenarme Gebiete wichtig ist. Auf einem anderen Programm ist mittlerweile hinterlegt, wie viel Wasser und Platz welche Pflanze braucht. Das Gerät kann sogar Unkraut vernichten. Mittels einer Kamera erkennt er, wenn irgendwo eine Pflanze sprießt, die dort nicht hingehört. "Und dann macht er sie platt", berichtet Buthut.

Der Farmbot kann sich mittels einer Schleppkette und an einem Querträger selber an jeden Punkt des Beets bewegen. Der Bediener kann die Geschwindigkeit einstellen und auch den Weg, den er nimmt, also die Effizienz definieren. Mit der Kamera kann der Hobbygärtner sogar ein Tagebuch des Wachstums seiner Pflanzen erstellen. Alles dank der Sensoren und der Programmierung. Nur eines beherrscht der Farmbot nicht: "Er kann nicht ernten", sagt Buthut. Das muss und darf immer noch der Mensch machen - mit Erfolg. "Wir haben heuer schon ziemlich viel Salat gegessen", erzählt Buthut. Ein Beet von ein paar Quadratmetern und der Farmbot könnten seiner Einschätzung nach zur Versorgung von zwei Menschen ausreichen.

Mittlerweile läuft das System ziemlich stabil, nachdem manche Kinderkrankheiten beseitigt wurden, meist Kleinigkeiten wie etwa mechanische Begrenzer. Positiv habe sich die Zusammensetzung der Freiwilligen-Gruppe ausgewirkt, erzählt Buthut. So brachte ein älterer Teilnehmer den eher technik-affinen Beteiligten die Grundzüge des Gärtnerns bei, während er selber wiederum von den Jüngeren viel über Digitalisierung und Programmierung lernen konnte. Die ganze Aktion muss richtig Spaß gemacht haben, denn als nächste Aktion ist der Bau eines Mini-Farmbots geplant. Das Digitale Gründerzentrum will jedenfalls in Sachen Sensorik weitermachen, unter anderem mit dem LoRaWAN, ein seit Jahresbeginn bestehendes offenes Funknetz zur Übertragung von Daten über große Entfernungen, sowie mit dem zweiten Hackadon vom 22. bis 24. November,

Bernhard Pehl