Nürnberg
Nürnberg trägt Trauer

Enttäuscht, aber nicht wütend nach der Absage des Christkindlesmarkts - Kleiner Nachtarock der SPD

28.10.2020 | Stand 23.09.2023, 15:03 Uhr
Eigentlich wähnten sich die Schausteller auf der sicheren Seite, hatten sie doch mit den Nürnberger Sommertagen untere Beweis gestellt, dass sie für Corona-Zeiten gute Konzepte haben. −Foto: Karmann,dpa

Nürnberg - Von A wie Abstieg bis Z wie Zerstörung: Nürnberg hat in seiner langen Geschichte schon viel durchmachen müssen. Die Corona-bedingte Absage des Christkindlesmarktes scheint die Stadt jedoch ins Mark zu treffen. Wenn sogar das Christkind trauert, scheint ein wunder Punkt erreicht zu sein.

"Es tut mir persönlich sehr leid; auch für mich, für dieNürnbergerinnen und Nürnberger, die vielen Besucherinnen und Besucher von auswärts und natürlich vor allem für die Kinder", hat Benigna Munsi, das aktuelle Christkind, die Absage des weltberühmten Weihnachtsmarktes kommentiert.

Spürbar betroffen äußert sich auch Susanne Randel, die sich als "Christkind-Mama" um die Nürnberger Super-Botschafterinnen kümmert und den Christkindern in der Adventszeit seit Jahren nicht von der Seite weicht. "Es tut mir für Benigna leid, dass sie ihre zweite Amtszeit nicht wie gewohnt durchführen kann", versucht Susanne Randel das Christkind zu trösten. "Aber nicht nur für unser Christkind tut es mir leid, sondern auch für die Schausteller, die Bürgerinnen und Bürger und vor allem für die Kinder, dass es in diesem Jahr keinen Markt und kein Christkind zum Anfassen geben wird."

Trauerstimmung herrscht besonders bei den Nürnberger Schaustellern. Der Vorsitzende des Süddeutschen Schaustellerverbands habe mit gestandenen Kollegen gesprochen, die nach der Absage aus purer Existenzangst am Telefon geweint hätten. "Gnadenlos enttäuscht" ist Lorenz Kalb auch persönlich über die Absage. Besonders enttäuscht seien die Schausteller, weil er und seine Kollegen beispielsweise im Rahmen der "Sommertage" gezeigt hätten, wie Volksfeste trotz Corona unter freiem Himmel gefahrlos funktionieren könnten.

"Wir haben bewiesen, dass wir es können", findet Kalb und erklärt, dass es auf den Sommertagen "keinen einzigen Infektionsfall" gegeben habe. Ausdrücklich lobt der Schausteller die Zusammenarbeit mit dem Nürnberger Marktamt. Für den Christkindlesmarkt hätte man gemeinsam ein "tolles Konzept" mit Abständen, Einbahnstraßen und Maskenpflicht erarbeitet. Umso unverständlicher sei nun die Absage.

Kalb macht aus seinem Unmut kein Geheimnis. Nicht mehr nachvollziehen könne er, warum Möbelhäuser öffnen dürften und Weihnachtsmärkte ausfallen müssten. Von dieser ungleichen Behandlung hat Lorenz Kalb "langsam die Schnauze voll".

Für viele Schausteller-Familien sei der Christkindlesmarkt der Umsatzbringer im Kalenderjahr. Die Folgen der Abfuhr seien dramatisch, ist sich Kalb sicher. "Jetzt geht es ans Eingemachte. Viele Betriebe wird es bald nicht mehr geben, wenn wir jetzt nicht schnelle Hilfe bekommen", betont Kalb und erklärt, schon mit Florian Herrmann, dem Leiter der Bayerischen Staatskanzlei in München, über mögliche Finanzspritzen für die Branche gesprochen zu haben.

Derweil kritisiert SPD-Fraktionschef Thorsten Brehm das Vorgehen der Stadt. Bei sehr grundlegenden und weitreichenden Entscheidungen wie der Absage des Christkindlesmarktes müsse laut Brehm "der Stadtrat beraten und eingebunden werden", hat der SPD-Fraktionsvorsitzende in Richtung Oberbürgermeister gefordert. "Die Entscheidung zur Absage des Christkindlesmarkts kam für uns alle plötzlich", ärgert sich Brehm. Besser wäre es laut SPD gewesen, über das Für und Wider des Marktes und die angedachten Hygienekonzepte im Vorfeld zu diskutieren.

Bis vor kurzem hätten noch zahlreiche Varianten zur Rettung des Christkindlesmarktes wie beispielsweise eine deutliche räumliche Entzerrung im Raum, die auf einmal vom Tisch und kein Thema mehr gewesen seien. "Hier braucht es dringend mehr Transparenz und Beteiligung", kritisierte Brehm und startete im Internet auf Facebook eine kleine Umfrage unter seinen Freunden und Followern. "Leider richtig" lautet der unüberhörbare Tenor der fast 120 Kommentare. Auch die Schausteller wollen die Absage nicht zum Politikum machen. Sogar das Christkind hätte nicht anders entschieden. In Anbetracht der aktuellen Situation habe Nürnberg "die richtige Entscheidung" getroffen, so Christkind Benigna Munsi.

HK

Nikolas Pelke