Ingolstadt
Notiz an mich

Sechster Tag des Smartphone-Entzugs: Das Ende in Sicht, das Handy zum Greifen nah

22.01.2019 | Stand 23.09.2023, 5:44 Uhr
Zettel über Zettel: Statt Notizen auf dem Handy gibt es Blätterchaos am Arbeitsplatz der DK-Volontärin. −Foto: Hammer

Ingolstadt (DK) Endspurt meiner smartphonefreien Woche: Da kann man schon mal etwas sentimental werden.

Morgen wird das Handy endlich aus dem Schrank befreit, den meine Arbeitskollegen wie Wachhunde im Auge behalten. Alles soweit überstanden. Die Erfolge mögen zwar klein sein, aber ich habe endlich Zeit gefunden, ein Buch zu lesen, den tickenden Wecker aus der Vorhölle zu lieben und mich geduldig in der Unerreichbarkeit zu erproben.

Doch kleine Sorgen gehören dazu: Gestern habe ich immer wieder überlegt, ob ich die Woche nicht einen Zahnarzttermin habe. Bisher habe ich mich viel zu sehr drauf verlassen, dass alles auf meinem Handy ist, als handele es sich dabei um eine außerkörperliche Gehirnkapazität - geistiges Fassungsvermögen erweitert um 64 Gigabyte. Fotos, Erinnerungen, Gedächtnis, alles gespeichert auf einer kleinen SIM-Karte.

Selbst für die Arbeit ist das Handy unabdinglich: Nach Absprache wollte ich ein Gespräch aufzeichnen. Reden konnte ich noch selbst - das geht noch ohne Smartphone -, aber das Aufzeichnen musste ein Kollege für mich übernehmen. So unkompliziert und geradlinig alles ohne Handy war, genauso aufwendig erscheint mir es jetzt, alles andere zu erledigen. Kein Sicherheitsnetz mehr, kein Alltagshelfer mit Touch-Bildschirm. Genervt atme ich aus.

Gelbe Zettel flattern von meinem Schreibtisch. Schnell wieder aufgeklaubt. Notiz an mich: Eine Freundin hat heute Geburtstag. Neue Notiz: Der Interviewpartner hat angerufen. Nein, das hatte sich schon erledigt. Ich streiche sie durch. Kreise die nächste Notiz mit einem Textmarker ein. Und wo war nochmal mein Einkaufszettel für später? Vielleicht ist ein Handy auch die beste Entschuldidung für chaotisch veranlagte Menschen. Oder zumindest für Fans von wenig Papiermüll.

"Früher ging das auch alles ohne", sagt die Generation über mir. Ja, natürlich geht es auch alles ohne. Aber umständlicher. Und jeder erwartet, dass man online, ständig vernetzt ist. Weniger Mails landen in meiner Inbox, es ist eben doch unbequemer, so Kontakt zu halten. Das Smartphone ist sicher ein Gegenstand, dem wir viel zu viel Gewichtung geben, aber andererseits gehört es unbestritten mittlerweile einfach dazu.
 

Anna Hausmann