Normalität an Schulen noch in weiter Ferne

Kultusminister Piazolo stellt Regeln für schrittweise Öffnung vor - Keine Mundschutz-Pflicht im Klassenzimmer

22.04.2020 | Stand 23.09.2023, 11:44 Uhr
Bayerns Kultusminister Michael Piazolo. −Foto: Hoppe, dpa

München - Einen normalen Schulbetrieb wird es in Bayern so schnell nicht geben.

Das machte Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) gestern in München deutlich. Wenn am Montag zumindest für die Schüler, die unmittelbar vor einer Abschlussprüfung stehen - etwa die Abiturienten an den Gymnasien, der Unterricht wieder beginnt - dann werde das "keine normale Schule sein", sagte Piazolo.

Die Maßnahmen, die er erläuterte, haben in der Tat nichts mit dem Bild der Schule zu tun, das man üblicherweise im Kopf hat - Kinder, die andere Kinder treffen, Nähe, Kommunikation, Interaktion und Austausch. Stattdessen: Mit den Prüfungsklassen dürfen vorerst nur rund 14 Prozent der Schüler zurück zum Unterricht, weitere 15 Prozent (diejenigen, die 2021 ihre Abschlussprüfungen haben) dann voraussichtlich Mitte Mai.

Die Schulen werden auf viele gespenstisch wirken: Klassen werden halbiert, jeder Schüler sitzt einzeln, mindestens anderthalb Meter Abstand auf jeder Seite zu den Mitschülern, es wird keine Gruppenarbeiten geben. Die Pausen werden in aller Regel im Klassenzimmer stattfinden, Toilettengänge gibt es nur einzeln und nacheinander, zudem werde auf den Umgang mit Seife und Desinfektionsmitteln geachtet und verstärkte Reinigung sichergestellt. Mundschutz im Unterricht wird nicht obligatorisch - aber niemand wird gehindert, wenn er es selbst will, versicherte Piazolo. Außerhalb des Unterrichts, etwa im Schulbus, sei der Mundschutz dann wieder verpflichtend. Lehrer würden auf jeden Fall damit ausgestattet. Ob das auch bei den Schülern so sein werde, werde im Moment besprochen, so der Kultusminister.

In dem Rahmen, in dem die Schulen sich dann nach und nach weiteren Schüler-Kohorten öffnen und damit das Abstandsgebot problematischer einzuhalten sei, werde auch an Schichtmodelle an den Schulen gedacht - verstärkt am Nachmittag, aber auch im tage- oder gar wochenweisen Wechsel mit dem Lernen zu Hause. Zudem werden die Schüler teilweise nicht auf die gewohnten Lehrer treffen: Schwangere werden freigestellt, Lehrer mit Vorerkrankungen können sich mit fachärztlichem Attest vom Präsenz-Unterricht befreien lassen und Lehrer, die älter als 60 Jahre sind, können selbst entscheiden, ob sie in die Schule kommen (die Alternative ist, für den digitalen Zuhause-Unterricht eingesetzt zu werden).

Jenseits der rein technischen Angelegenheiten ergeben sich aber weitere Herausforderungen, auf die auch Piazolo nur eingeschränkte Antworten liefern kann: Denn das Lernen zu Hause der letzten und wahrscheinlich vielen kommenden Wochen gelingt oft schon aus familiären Gründen bei manchen Schülern gut, bei anderen gar nicht. Nun gebe es ja eh nie eine Chancengleichheit von 100 Prozent, so Piazolo - aber sie solle wenigstens "möglichst hoch sein". Ihm sei schon "bewusst, dass in dieser Zeit die Schere wieder auseinandergehen" könne - er wolle wenigstens versuchen, "faire Bedingungen zu geben". Konkret: Man dürfe dieses Schuljahr nicht isoliert betrachten, sondern müsse "beide Schuljahre zusammen denken". Will heißen: Die Lehrkräfte sollen heuer mindestens das Basiswissen der Lehrpläne vermitteln, in denen gebe es ohnehin auch Luft, die man jetzt nutzen könne, macht Piazolo deutlich. Und dann müsse man eben auch im kommenden Jahr ein bisschen nacharbeiten, um so Wissenslücken zu vermeiden.

Das freilich ist eine Option, die die Prüflinge von heuer, für die der Präsenzunterricht am Montag wieder beginnt, nicht haben. Deshalb, so Piazolo, müssten sie jetzt keine Klausuren mehr schreiben, aus Gerechtigkeitsgründen aber eine Prüfung. Und wer dann meint, er könne oder müsse seine Abschlussnote noch verbessern, der erhalte heuer die Möglichkeit, nach der Abi-Prüfung doch noch eine Klausur zu schreiben.

Die FDP-Landtagsfraktion hatte Piazolo schon letzte Woche Planlosigkeit vorgeworfen. "Ich frage mich ernsthaft, woran Kultusminister Piazolo in den vergangenen fünf Wochen gearbeitet hat", so deren bildungspolitischer Sprecher Matthias Fischbach. Bei den Landtags-Grünen hieß es gestern: "Vier Wochen werden die bayerischen Schulen im Regen stehengelassen, jetzt sollen sie in kürzester Zeit einen Corona-Schulalltag auf die Beine stellen. "

Und die SPD meint: "Die Corona-Pandemie wird den Schulalltag noch bis weit in das nächste Schuljahr hinein beeinträchtigen. Viele Kinder besitzen aber kein digitales Endgerät, mit dem sie lernen können. Doch beim Homeschooling hängt der Lernerfolg davon ab, ob man die technischen Voraussetzungen zur Teilnahme hat. " Deshalb müsse der Freistaat für eine entsprechende Ausstattung sorgen, fordert die SPD-Landtagsfraktion in einem Dringlichkeitsantrag.

DK

Alexander Kain