Roth
"Niemand darf verloren gehen"

20.07.2011 | Stand 03.12.2020, 2:36 Uhr

Information zur Inklusion: Die verschiedenen Institutionen und Einrichtungen, die im Landkreis Roth und der Stadt Schwabach für die Kinder- und Jugendhilfe verantwortlich sind, stellen sich im evangelischen Gemeindehaus Roth am Rande der ersten Fachtagung zur Inklusion dar. - Foto: Weinig

Roth (HK) Es war nur ein kleiner Schritt hin zu einem großen Ziel. Aber diesen ersten Schritt, hin zu einer Kinder- und Jugendhilfe, in der die Grenzen zwischen Menschen mit und ohne Behinderung immer mehr verschwinden, taten die Beteiligten der ersten Rother Jugendhilfefachtagung landesweit als Erste.

Einen kleinen „Runden Tisch“, an den sich etwas zweimal im Jahr Vertreter des Rother Kreisjugendamtes, der Diakonie Neuendettelsau, der Rummelsberger und der Diakonie Roth-Schwabach zum Erfahrungsaustausch setzten, gibt es für Landkreis und Stadt Schwabach schon seit Jahren, so Ulrich von Brockdorff, Bezirksstellenleiter der Diakonie mit Sitz in Schwabach. „Aber jetzt waren wir an einem Punkt, an dem wir etwas tun wollten, um die bestehende Arbeit weiter zu entwickeln“, machte Petra Hinkl, verantwortlich für die Kindertagesstätten der Diakonie Neuendettelsau, deutlich.

Die Idee: Alle, die in der Kinder- und Jugendhilfe involviert sind, bei einer Fachtagung unter einem Dach versammeln, um dann Mittel und Wege zu finden, Hilfen für behinderte und nicht-behinderte Menschen zu bündeln, zu ergänzen, zu verbessern und insgesamt besser zu vernetzen.

Also luden die vier Initiatoren ein: Behördenvertreter genauso wie Mitarbeiter von Wohlfahrtsverbänden. Von der Frühförderung über die Koordinierende Kinderschutzstelle, von der Schwabacher Johannes-Kern-Mittelschule über die Erziehungsberatung bis hin zum Kreisjugendamt kamen sie alle: Am Ende saßen rund 100 Experten und Expertinnen in Sachen Kinder- und Jugendhilfe im Saal des evangelischen Gemeindehauses Roth. In dieser Bandbreite ein echtes Novum.

Das Ziel: die Inklusion (siehe Kasten), die in diesen Tagen politisch so klar wie noch nie formuliert wurde, in die Tat umzusetzen. „Nicht von heute auf morgen. Das geht nicht. Sondern in vielen kleinen Schritten. Und einer dieser Schritte ist diese beispielhafte Fachtagung.“ Diese Marschrichtung, verbunden mit einem ausdrücklichen Lob für den Willen zur praktischen Umsetzung, kam von Harald Britzke, dem Leiter des bayerischen Landesjugendamtes.

Wie wichtig die Arbeit an der Inklusion ist – und zwar aus pädagogischer wie auch aus finanzieller Sicht – wurde dabei deutlich. Allein im Landkreis macht das Budget für die Kinder- und Jugendhilfe heuer sechs Millionen Euro aus – damit hat sich dieser Posten in den vergangenen 15 Jahren verdoppelt. Diese Kostenstelle beinhaltet beispielsweise die Ausgaben für Schulsozialarbeit genauso wie Frühförderung.

Große Summen – aber nicht genug. Zumindest nicht auf kommunaler Ebene. Darauf machte Landrat Herbert Eckstein in seinem Grußwort aufmerksam. Deutlich formulierte er seine Kritik in Richtung „große“ Politik – diese fordere viel, „nun wünsche ich mir nur, dass sie dann auch für die entsprechende personelle Ausstattung sorgt“.

Ulrich von Brockdorff nannte es eine „Herausforderung für alle“, die der Nationale Aktionsplan der Bundesregierung für Kindertagesstätten, Schulen und Beratungsstellen bedeute. „Wir müssen uns miteinander auf den Weg machen. Diese Tagung ist ein erster Schritt auf diesem Weg.“

Für die Teilnehmer hieß dies im Laufe des Tages, tiefer in die Thematik einzusteigen. Vier Arbeitsgruppen setzten sich mit unterschiedlichen Aspekten aus der Kinder- und Jugendhilfe auseinander; Frühe Hilfen, Kindertagesstätten, Jugendhilfe nach dem Sozialgesetzbuch VIII (Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche) sowie Bildung und Betreuung waren die Workshops betitelt. Über allem stand und steht die Prämisse, die von Brockdorff formulierte: „Niemand darf verloren gehen.“ Eine schwierige Aufgabe. Daran ließ der Hauptreferent des Tages, Harald Britze, keinen Zweifel: „Die Zeichen stehen sichtbar auf Veränderung. Wir stehen vor einem langen Reformprozess.“