Eichstätt
"Nichts ist in diesem Roman, wie es zu sein scheint!"

Akos Doma liest in Eichstätt aus seinem Buch "Der Weg der Wünsche"

26.09.2016 | Stand 02.12.2020, 19:15 Uhr

Verspricht schon das nächste Buch: Autor Akos Doma. - Foto: Buckl

Eichstätt (DK) Immer wieder spielt diese Frage eine Rolle im Gespräch nach der Lesung: Wie hoch ist der Anteil an Autobiografischem in Akos Domas neuem Roman "Der Weg der Wünsche"? Was ist wirklich passiert, was ist fiktiv? Denn der Plot des Romans besteht in der abenteuerlichen Flucht des Ehepaars Teréz und Károly mit ihren Kindern Misi und Borbála aus Ungarn, von wo aus auch Familie Doma 1972 mit dem damals achtjährigen Sohn Akos floh.

Bei der Eichstätter Lesung des Romanciers war das Publikum gespannt auf die Antwort des Autors, die differenziert ausfiel.

Wie Doma kürzlich schon im Interview des DONAUKURIER geantwortet hatte - "Da die Parallelen offenkundig sind, kann ich schwer leugnen, dass vieles biografisch ist. Er ist gewissermaßen biografisch von A bis Y, das Z nicht" - , gab er auch nun zu Protokoll, er habe sich für diese Roman "nicht so viel ausdenken und erfinden müssen, weil eben vieles selbst erlebt ist". Um dann deutlich hinzuzufügen: "Aber es ist definitiv nicht meine eigene Familiengeschichte!" Vielmehr stelle manches im Roman geschilderte Erlebnis auch "eine absolut deutsche Erfahrung dar", etwa ein narrativer Rückblick auf die Flucht vor den 1945 anrückenden Russen.

Domas Lesung strafte die Behauptung Lügen, der Prophet gelte nichts im eigenen Land: Mit rund 60 Besuchern war der "Gutmann"-Saal gut gefüllt, auch am Signiertisch hatte der Autor nach der Lesung alle Hände voll zu tun.

Drei Passagen aus "Der Weg der Wünsche", nach Domas Debüt "Der Müßiggänger" (2001) und dem Zweitling "Die allgemeine Tauglichkeit" (2011) sein dritter Roman, trug der Autor vor: eingangs aus dem ersten der insgesamt sieben Teile die Geschichte einer Budapester Familienfeier, in deren Verlauf insbesondere bei der Mutter Teréz der Plan reift, das Land zu verlassen, in dem die Familie nur Gängelung und Repression erfährt, Enge und Bedrückung verspürt, weil die Eltern nicht der Partei angehören. Dann bekommt man jene Szene zu hören, in der die Familie mit dem Auto grenzenlos naiv auf die Grenze zwischen Jugoslawien und Italien zurollt, in der trügerischen Hoffnung, einfach durchgewunken zu werden. Und drittens geht es um ein Rendezvous der knapp 16-jährigen Tochter Borbala mit der zwielichtigen Figur des jungen Attila, der "Bori" in einem Orangenhain verführt - womit sich eine zarte Liebesgeschichte zu entfalten scheint. Doch Doma, der mit ruhiger Stimme liest und ernste wie humorvolle Partien präsentiert, warnt: "Vorsicht! Nichts ist in dem Roman so, wie es zu sein scheint!"

Nach der Lesung beantwortet der 53 Jahre alte Autor, der längst mit zahlreichen Preisen und Stipendien ausgezeichnet ist und 2016 auf der Longlist, der Liste der 20 besten Bücher, für den Deutschen Buchpreis stand, bereitwillig Zuhörerfragen. Er nennt seine Prosa einen "Initiationsroman", denn: "Alle vier Familienmitglieder, besonders die Kinder, machen harte Erfahrungen, durch die sie sich ändern!" Warum er nicht ungarisch, sondern auf Deutsch schreibe? Die Antwort: Er sei froh, in Deutschland endgültig angekommen zu sein, auf der Flucht musste man ständig die Sprache wechseln: "Jetzt will ich nicht mehr umziehen, nirgendwohin!" Ob er andere ungarische Autoren in Deutschland kenne, Terezia Mora etwa? Die Antwort: "Gerade die zwar nicht, aber etliche andere schon, etwa Zsuzsa Bánk." Und sein heutiges Verhältnis zu Ungarn? - "Anfangs kribbelte es schon, da wieder hinzufahren, wir waren ja in Abwesenheit zu Gefängnis verurteilt worden. Heute läuft das aber ganz entspannt, einmal im Jahr bin ich dort!"

Dass dies nicht sein letztes Buch sein wird, macht Doma am Ende der Diskussion lächelnd klar: "In fünf Jahren sehen wir uns hier wieder!"