Vohburg
Nicht nur bewahren, sondern erziehen

In den vergangenen 40 Jahren haben sich Kindergärten wie das Spatzennest in Vohburg stark verändert

04.07.2018 | Stand 23.09.2023, 3:38 Uhr
Große Beteiligung an der 1100-Jahr-Feier der Stadt Vohburg: Mit selbst geschneiderten Kostümen beteiligten sich die Buben und Mädchen des Kindergartens Spatzennest bei dem Umzug. Der Aufwand, der damals betrieben wurde, war enorm. −Foto: Foto: Archiv Spatzennest

Vohburg (DK) Der Kindergarten Spatzennest in Vohburg feiert an diesem Wochenende sein 40-jähriges Bestehen. In dieser Zeit hat sich viel verändert. Eine gute Gelegenheit, um einen Blick zurückzuwerfen und mit der heutigen Situation zu vergleichen.

Vohburg schreibt sich auf die Fahnen, eine familien- und kinderfreundliche Stadt zu sein. Projekte zum Wohl der Kleinen passieren den Stadtrat in der Regel einstimmig. Erst in den vergangenen Monaten wurde das wieder deutlich. Die Stadt baut aufgrund der hohen Nachfrage im Ortsteil Menning einen neuen Kindergarten - ein Millionenprojekt. Die Umsetzung stand nie zur Diskussion.

Das war früher anders. Bis zu 100 Kinder und mehr wurden von einer und später von zwei Klosterfrauen betreut. Der Ausdruck Kinderbewahranstalt trifft die Situation wohl am besten. Erst 1970 endete nach fast 80 Jahren die Tätigkeit der Klosterfrauen. In den folgenden Jahren wurde der Bedarf für einen neuen Kindergarten immer größer, doch der Stadtrat bremste. Bürgermeister Joseph Piller schrieb in der damals zur Eröffnung (1978) erschienenen Schrift: "Trotz der dringenden Notwendigkeit war im Stadtrat keine Mehrheit für eine sofortige Auftragsvergabe zu erreichen." Selbst Landrat Traugott Scherg warb in Vohburg für einen neuen Kindergarten, das Jugendamt drängte seit Jahren, dass die Stadt die "völlig veraltete und den Vorschriften nicht mehr entsprechende Einrichtung" aufgibt.

Letztlich wurde der Druck zu groß. Baubeginn für den neuen Kindergarten war am 4. Oktober 1976, die Einweihungsfeier fand am 17. Februar 1978 statt. Auf einem 4500 Quadratmeter großen Grundstück entstand ein viergruppiger Kindergarten. Die Gesamtkosten betrugen gut 1,2 Millionen DM. Gruppenraum, Garderobe, Gymnastikraum - alles war vorhanden. Auch zwei Duschen gab es, ausgeführt in Vollplastik, knallrot. Und einen Warteraum für die Eltern. Die Architekten hatten an alles gedacht. In dem Warteraum waren zwei Aschenbecher integriert. Wer will schon Kippen auf dem Boden haben? Die Zeiten haben sich dramatisch verändert.

Damals gab es Wechselgruppen. Das heißt 25 Kinder am Vormittag, dann 25 Kinder am Nachmittag. Heute können die Eltern flexibel die Stunden buchen, wer es wünscht auch von früh bis spät. Verpflegung inklusive. "Das Essen einzuführen war ein großer Kampf", erinnert sich Silke Finger-Rechenauer. Sie leitet heute den Kindergarten Spatzennest, damals war sie im Elternbeirat. Harte Verhandlungen habe man geführt, sagt sie. Doch der Bedarf war da, und um die Jahrtausendwende ging es los mit 30 Kindern, verpflegt vom Gasthof Stöttner. Der Elternbeirat hat das Essen geholt - und später das Geschirr abgespült. Heute werden täglich 70 Kinder von der Metzgerei Pauleser verköstigt - und der Elternbeirat spült nicht mehr ab.

Legendär sollen früher die Faschingspartys im Kindergarten gewesen sein. Wohlgemerkt für die Eltern, nicht für die Kinder. Es gab ein großes Büfett, um Mitternacht noch eine deftige Suppe und natürlich eine gut bestückte Bar. Gefeiert wurde bis in die Morgenstunden. "Wer sich nicht rechtzeitig um Karten gekümmert hat, ging leer aus", erzählt Finger-Rechenauer. Ein Alleinunterhalter spielte, und das Personal eröffnete mit einem eigenen Lied den bunten Reigen. "Das war damals ein gutes Zubrot für den Kindergarten", sagt Finger-Rechenauer. Denn die Einnahmen kamen den Kindern zu Gute.

Die Faschingsbälle der Eltern gibt es schon längst nicht mehr. Die Kindergärten haben sich weiterentwickelt, haben heute einen Erziehungs- und Bildungsauftrag. Das Engagement der Eltern hat sich auf ein Minimum reduziert, oft sind Vater und Mutter berufstätig.

Eine langjährige Mitarbeiterin erinnert sich an die 1100-Jahr-Feier der Stadt Vohburg 1996 zurück. Der Kindergarten hat sich an dem großen Umzug beteiligt. Jedes Kind (!) hatte ein selbst geschneidertes Kostüm, an der Spitze marschierten Klein-Agnes-Bernauer und Klein-Herzog-Albrecht-III. Es haben sich praktisch alle Eltern daran beteiligt.

Das Engagement ist heute nicht mehr so groß, dafür sind die Ansprüche gestiegen. Zum einen an die Kindergärten, zum anderen an die Kinder selbst. Von einer Bewahranstalt kann keine Rede mehr sein.

Markus Meßner