stadtgeflüster
Nicht jeder ist zum Wirt geboren

01.01.2020 | Stand 02.12.2020, 12:17 Uhr

Generalabrechnungen sind genauso wie Pauschalkritiken in den seltensten Fällen richtig.

Aber selten sind sie derart mathematisch und rhetorisch überzeugend herübergekommen, wie in dem Theaterstück/Kultfilm "Indien", das/den unsere österreichischen Nachbarn der Welt geschenkt haben. "Wann du nimmst 90 Prozent vo die Wirt, san des zu 100 Prozent Trotteln", fasst da der Heinzi Bösel zusammen, der es wissen muss: Als Beamter tingelt er im Auftrag des Fremdenverkehrsverbandes über die Dörfer Niederösterreichs und kontrolliert eben diese Gastronomen.

Ausgestattet mit einem robusten Mandat redet sich so ein ewiger Grantler, wie der von Josef Hader brillant in Szene gesetzte Heinzi Bösel, natürlich leicht. Die Realität hält gewiss andere Rechenformeln als die Böselsche Prozentregel bereit. "Wer nichts wird, wird Wirt" ist aber ein ebenso falscher wie dummer Spruch. Logisch gehen viele Wirte ihrem Beruf mit Herzblut nach. Und doch, so muss der gelegentliche Gastronomiebesucher sagen, wäre es auch kein Verlust für die Menschheit, sollten sich bei dem einen oder anderen Lokal einmal die Türen für immer schließen. Manchem Ingolstädter wird da eine frühere Lokalität einfallen, in welcher der Betreiber bei jeder sich bietenden Gelegenheit den Satz "D'Leit genga nimma furt" einstreute, um sein persönliches Dilemma in einer sicherlich nicht einfachen Branche auszudrücken. Dabei standen d'Leit, die in einer reichen Stadt dann doch mehr denn je furt gingen, in den Nachbarlokalen fast Schlange, während hier die (immer weniger werdenden) Gäste seit gefühlten Stunden schon auf ihre leeren Gläser starren mussten.

Manchen fiele auch ein Ingolstädter Lokal ein, dessen Wirt den Namen der Gastronomie wohl irgendwann geradezu zwanghaft hatte ändern müssen, da die Bewertungen im Internet vernichtend klangen - und alles durch öffentliche Beschimpfungen dieser klagenden Gäste nicht besser wurde.

"Der Kunde ist König" ist dabei sicherlich wieder so ein falscher, wenn aber auch nicht ganz so dummer Satz. Schon klar, ein Wirt muss sich von einem Gast nicht alles gefallen lassen. Umgekehrt aber natürlich auch nicht, egal wie der Misserfolg oder Erfolg eine Lokalität heimgesucht hat. Zumindest wertgeschätzt möchte sich ein jeder Gast doch fühlen, was ja nicht gleich mit einem Krönchen auf dem Kopf zum Ausdruck gebracht werden muss.

Ein eher dahingerotzter Satz durch das Personal im Vorbeigehen gehört da sicherlich nicht dazu; wie unlängst aber wieder gehört. "Ja dann halt am Tresen oder so" - da wollten sich die derart freundlich empfangenen Gäste in einem Lokal mit freien Tischen dann doch nicht niederlassen für einen schnellen Drink eine satte Stunde vor der angeschriebenen Schließung ("Wir machen gleich zu! ! ! ") an einem Wochenendabend in Ingolstadt. Wer nicht will, der hat eben schon. Heinzi Bösel hätte es anders ausgedrückt.

reh