Hilpoltstein
"Nicht jammern, sondern fit machen"

Interview mit dem Landesehrenamtsbeauftragten des Bayerischen Fußballverbandes, Stefan Merkel

02.12.2018 | Stand 02.12.2020, 15:07 Uhr
Der Mann fürs Ehrenamt beim Bayerischen Fußball-Verband: Stefan Merkel aus Wolkersdorf. −Foto: Schmitt

Hilpoltstein/Wolkersdorf (HK) Seit dieser Saison ist Stefan Merkel aus Wolkersdorf der Landesehrenamtsbeauftragte des Bayerischen Fußballverbands (BFV). In dieser Funktion ist er gemeinsam mit den Bezirks- und Kreisehrenamtsbeauftragten verantwortlich für die Gewinnung, die Qualifikation und die Auszeichnung ehrenamtlich Tätiger in den bayerischen Fußballvereinen. "Der Verbandsehrenamtsbeauftragte ist also eine Art Personalmanager für die Ehrenamtlichen", erklärt Merkel im Interview mit unserer Zeitung.

Herr Merkel, auch im Sport macht sich der Rückgang der Ehrenamtlichen bemerkbar. Machen Sie sich Sorgen um die Zukunft des Ehrenamts?
Stefan Merkel: Nein. Das Ehrenamt ist tief in unserer Gesellschaft verwurzelt. Unser soziales Zusammenleben basiert zum großen Teil darauf, dass Menschen sich gegenseitig helfen. Jeder profitiert davon auf seine Weise und jeder ist sich dessen auch bewusst.

Warum reicht bei immer weniger Menschen die Motivation nicht mehr aus, um ein ehrenamtliches Amt zu übernehmen?
Merkel: Gesellschaftliche Entwicklungen wie der demografische Wandel, die zunehmende Individualisierung oder flexiblere Lebensformen machen vor dem Ehrenamt natürlich nicht Halt. Dennoch gibt es nach wie vor viele Menschen, die die Bereitschaft mitbringen, sich ehrenamtlich zu engagieren, die eben dieses Ehrenamts-Gen in sich tragen.

Das Ehrenamts-Gen? Das hat man oder hat man eben nicht?
Merkel: In jedem von uns steckt die Bereitschaft, Gutes zu tun, anderen zu helfen und auch unentgeltlich Aufgaben zu übernehmen. Diese Bereitschaft müssen wir stärken. Aktuell ist leider oft das Gegenteil der Fall.

Inwiefern?
Merkel: Ehrenamtliche Helferinnen und Helfer werden mit diversen gesetzlichen Vorschriften belastet und dadurch demotiviert. Da kommt schnell Frust auf. Nehmen wir beispielsweise das Thema Datenschutz. Welches Wissen diesbezüglich von den Ehrenamtlichen im Verein verlangt wird, ist unglaublich. Wer soll das leisten? Da kannst du nur in rechtliche Fallen hineintappen. Ich kenne daher viele Vereine, die ihre Homepage inaktiv geschaltet haben. Das ist nicht Sinn der Sache.

Wie sieht dann Ihre Forderung aus?
Merkel: Das Ehrenamt muss ein Hobby bleiben, das jeder ausüben kann ohne vorher eine langwierige Ausbildung zu durchlaufen.

Wie erfolgreich sind die Bemühungen des BFV, den Vereinen die Gewinnung von Ehrenamtlichen zu erleichtern?
Merkel: Unsere Schulungen werden gut angenommen. Vereine, die sich bei uns engagieren und insbesondere einen aktiven Vereinsehrenamtsbeauftragten haben, fällt es um einiges leichter, neue Ehrenamtliche zu gewinnen.

Die Vereinsehrenamtsbeauftragten haben demnach eine Schlüsselposition für moderne Vereine?
Merkel: Ja, das kann man durchaus so sagen. Der Vereinsehrenamtsbeauftragte ist ein überaus engagierter und verdienter Ehrenamtlicher, der den Verein, aber auch die Menschen kennt, sich um sie kümmert und auch unsere Verbandsthemen zum richtigen Ansprechpartner transportieren kann. Daher wollen wir uns künftig noch intensiver um die aktiven Vereinsehrenamtsbeauftragten kümmern und deren Anzahl erhöhen.

Für die jüngere Generation ist die Digitalisierung ein großes Thema. Welche Rolle spielt die Digitalisierung im Rahmen der Ehrenamtsbewegung?
Merkel: Digitalisierung ist bei uns momentan noch ein schwieriges Thema. Auch deswegen wollen wir enger mit unserer U30-Ehrenamtsorganisation zusammenarbeiten. Generell ist es allerdings nach wie vor so, dass man Personen am besten über persönliche Ansprache und Kontaktaufnahme für ein Ehrenamt gewinnt.

Wie sehen denn überhaupt konkrete Maßnahmen aus, um Menschen für ein Ehrenamt zu begeistern?
Merkel: Sicher lautet die bessere Frage, wie das Ehrenamt aussehen muss, dass es für die Menschen attraktiv ist. Dafür die optimalen Voraussetzungen zu schaffen, ist Aufgabe der Vereinsführung. Der moderne Verein bietet Ehrenamt in all seinen Facetten. Langjährig besetzte Ämter, Projektarbeiten oder auch nur Helfertätigkeiten zielorientiert einzusetzen, das ist die Kunst.

Vor allem in Hinblick auf den Faktor Zeit. Sind im Ehrenamt auch moderne Mischformen der Arbeitsteilung denkbar?
Merkel: Das wird die Zukunft sein. Ich bin mir sicher, dass mittelfristig fast alle Vereine von professionellen Vereinsverwaltern geführt werden oder sich immerhin einen Geschäftsführer teilen. Es ist einfach eine Folge aus all den rechtlichen Anforderungen, die Ehrenamtliche nicht mehr alleine leisten können. Das sind die Zeichen der Zeit. Wir können jetzt jammern und klagen - oder aber unsere Vereine fit machen, sich diesen Herausforderungen zu stellen und neue Wege zu gehen. Pilotprojekte gibt es hierzu schon, beispielsweise Nürnberg. Wir werden uns diese genau ansehen, analysieren und dann sicher mit neuen Ideen an unsere Vereine herantreten.

Neue Wege, neue Besetzung der Ämter: Was treibt Sie als Verbandsehrenamtsreferent an?
Merkel: Es ist eine Riesenherausforderung und Ehre für mich. Meine Vorgänger Hermann Güller und Dieter Habermann haben gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen über Jahrzehnte herausragende Arbeit geleistet. Das Ehrenamt im BFV sucht deutschlandweit seinesgleichen. Es zu erhalten, zu modernisieren und in die Zukunft zu führen, erlebe ich als großartige Aufgabe, auf die ich mich sehr freue und stolz bin, dass der Verband mir vertraut und mich unterstützt.

Klingt nach einer echten Herzensangelegenheit.
Merkel: Absolut. Viele Ehrenamtliche haben mein Leben geprägt. Ich habe mit sechs Jahren begonnen, Fußball zu spielen, wurde immer von tollen Menschen betreut und durfte viel erleben. Das möchte ich noch lange zurückgeben. Ich war von klein auf in die Verwaltung meines Heimatvereins TSV Wolkersdorf integriert und wurde 1998 von meinem Freund und Vorgänger Dieter Habermann zu einem Ehrenamtstreff eingeladen. Seitdem bin ich der Aktion Ehrenamt verbunden. Ich möchte mein neues Amt nutzen, um einerseits den Kindern auch heute zu ermöglichen, von motivierten und gut ausgebildeten ehrenamtlichen Trainern zu lernen und in gut organisierten Vereinen die gleichen Erlebnisse zu haben, die ich hatte. Andererseits möchte ich die engagierten Menschen unterstützen und ihnen wertvolle Hilfestellungen für ihre Tätigkeit geben.

Welche Vorstellungen und Ideen bringen Sie für die laufende Wahlperiode mit?
Merkel: Die Organisation muss modernisiert werden, sicher müssen wir uns in den nächsten Jahren auch weiter verjüngen. Gleichzeitig können und wollen wir nicht auf die Erfahrungen der Senioren verzichten. Es gibt viele Baustellen und Ideen, die wir jetzt Stück für Stück angehen werden. Wir haben einen guten Ruf zu verteidigen, denn auch in der Ehrenamtskommission des DFB wird unsere Arbeit geschätzt.

Dennoch sprachen Sie bei der Arbeitstagung der Ehrenamtskommission von notwendigen inhaltlichen und strukturellen Änderungen Was heißt das konkret?
Merkel: Wir werden noch aktiver zu den Vereinen gehen. Und wir müssen dem Ehrenamt im Kreis ein Gesicht geben, das heißt, der Kreisehrenamtsbeauftragte muss in der Öffentlichkeit präsenter sein. Wir wollen auch den Vereinen individueller helfen. Nicht jede Lösung passt zu jedem Verein. Das gemeinsam herauszuarbeiten, wird eine zentrale Aufgabe werden.

Die Fragen stellte Robert Schmitt.ZUR PERSONIm Amt des Verbandsehrenamtsbeauftragten ist Stefan Merkel der Nachfolger von Dieter Habermann aus Heideck, der ab 2014 auf Landesebene für das Ehrenamt verantwortliche war. Der Wolkersdorfer Merkl hat den heutigen Bezirksvorsitzenden aber nicht zum ersten Mal beerbt. 2010 übernahm er von Paul Breuer den Posten des Ehrenamtsbeauftragten im Kreis Neumarkt-Jura. 2014 folgte Merkel dann Habermann als Bezirksehrenamtsbeauftragter nach.

Stefan Merkel stammt aus dem TSV Wolkersdorf und hat dort seit 1985 so gut wie jeden Bereich der Fußballarbeit in einem kleinen Verein kennengelernt. Er war Betreuer, Trainer, Jugendleiter, Kassenwart der Jugendabteilung, Spielleiter der Herrenmannschaft und hat zusätzlich noch viele weitere Aufgaben übernommen. Merkel kennt die ehrenamtliche Arbeit also in- und auswendig. Für ihn gehört das dazu. "Die guten Ehrenamtsbeauftragten sind tief verwurzelt in ihren Vereinen und kennen dort Mann und Maus. " Als eines seiner Hauptziele nennt Merkel die Modernisierung der ehrenamtlichen Strukturen in den bayerischen Fußballvereinen.