Neuburg
"Nicht erfunden"

Missbrauchsprozess: Gutachterin glaubt Opfer

17.07.2018 | Stand 02.12.2020, 16:03 Uhr

Neuburg (krk) Hat er sich all das nur ausgedacht oder wurde er tatsächlich Opfer eines sexuellen Missbrauchs?

Eine Frage, mit der sich das Neuburger Amtsgericht gestern erneut beschäftigt hat. Ein 40-Jähriger soll einen heute 20-Jährigen zwischen 2015 und 2017 mehrfach zu sexuellen Handlungen gezwungen, ihm Pornofilme gezeigt und ihn sogar vergewaltigt haben. So steht es in der Anklageschrift. Vergangene Woche sagte das mutmaßliche Opfer aus, schilderte, wie ihn der entfernte Verwandte der Familie immer wieder missbrauchte, wie sehr er darunter litt. Der Mann soll ihm schließlich gedroht haben, den Eltern des 20-Jährigen von all dem zu erzählen, wenn er Widerstand leiste.

Aussagen, an denen Gutachterin Uta Hirschberg gestern nicht zweifelte. "Seine Angaben sind glaubhaft", sagte sie. "Er hat es nicht erfunden. " Auch wenn sich der 20-Jährige an vieles nicht mehr richtig erinnern konnte, habe er nicht gelogen. "Er beschreibt innere Vorgänge, wie er sich fühlt, was er empfindet, das denkt man sich nicht aus", erklärte sie. Zudem sei all das, was er gesagt hat in sich stimmig. "Er hat sich auch selbst belastet, was für seine Glaubwürdigkeit spricht. " So habe der junge Mann zu ihr gesagt, dass er sich dem Angeklagten anfangs noch freiwillig gefügt und erst später gemerkt habe, dass er das nicht mehr will. Parallel entlaste er auch den 40-Jährigen. "Er sagte auch, dass er anfangs sein Freund war", so Hirschberg.

Bevor die Gutachterin mit ihren Ausführungen begann, hatte der Polizist als Zeuge ausgesagt, der die Anzeige des 20-Jährigen aufnahm. "Ich erinnere mich, dass er mir im Vorgespräch gesagt hatte, dass er Neigungen in diese Richtungen hat. " Eine Aussage, auf die auch die Hirschberg einging: "Er dachte, dass ein homosexuelles Interesse in jedem liegen würde, und man es durch Ausprobieren erfährt, ob es einem gefällt oder nicht. " Als der junge Mann gemerkt habe, dass er es nicht mehr wolle, sei der Druck immer größer geworden. Er habe Angst vor seinen Eltern gehabt, dass sie denken könnten, er sei schwul. Er habe sich selbst Vorwürfe gemacht, sich geschämt. "Zusammengefasst sind die Angaben glaubhaft und stimmig", sagte Hirschberg.

Der Prozess fand bereits im vergangenen Jahr statt. Allerdings stellte Verteidiger Marcus Knoller damals den Antrag auf ein neues Glaubwürdigkeitsgutachten, dem Jugendrichter Gerhard Ebener und die beiden Schöffen stattgegeben hatten. Allerdings wurde die maximal dreiwöchige Unterbrechungsfrist der Verhandlung überschritten und der Prozess begann daher von vorne. Vergangene Woche war der erste Verhandlungstag der Neuauflage (wir berichteten). Das Urteil wird kommenden Dienstag erwartet.