Nürnberg
"Neuselsbrunn gehört uns"

Bewohner der Hochhaussiedlung demonstrieren vor Vonovia-Dependance gegen umstrittenen Fassadenabriss

04.02.2019 | Stand 23.09.2023, 5:51 Uhr
Rund 100 aufgebrachte Anwohner aus Neuselsbrunn demonstrieren vor der fränkischen Zentrale der "Vonovia". −Foto: Pelke

Nürnberg (HK) Direkt vor der fränkischen Vonovia-Dependance im Nürnberger Südwestpark haben Bewohner der Hochhaus-Siedlung Neuselsbrunn am Freitag gegen den kostspieligen Abriss ihrer Fassaden demonstriert.

Die Bewohner der Nürnberger Hochhaus-Siedlung Neuselsbrunn fühlen sich von ihrer Hausverwaltung "getäuscht, hintergangen und geschädigt". Am Freitag haben rund 100 aufgebrachte Anwohner vor der fränkischen Zentrale der "Vonovia Immoblilen Treuhand" im Nürnberger Südwestpark demonstriert.

Auch Erika Stuhlmüller reckt ein Protestplakat in den Himmel. "Vonovia! Ihr habt unsere Häuser zerstört" steht darauf geschrieben. "Wir wohnen schon seit 50 Jahren in Neuselsbrunn. Erst waren wir Mieter, jetzt sind wir Eigentümer. Aber was die Vonovia mit uns macht, ist wirklich eine Sauerei", ärgert sich Erika Stuhlmüller. Ihren Mann hat Frau Stuhlmüller nicht lange überreden müssen, mit auf die Demonstration gegen die Hausverwaltung auf die Straße zu gehen. Auf seinem Protestplakat hat Herr Stuhlmüller die ganze Misere um die angeblich brandgefährlichen Hochhaus-Fassaden noch einmal auf folgenden Nenner gebracht: "Gerücht verbreiten, Panik erzeugen und mit freundlicher Unterstützung der Stadt Nürnberg einen Beschluss erfinden." Das sei Brandgefahr "made by Vonovio".

Derweil redet sich Günther Monius am Megaphon ein wenig in Rage. "Herr Maly, handeln Sie endlich und schmeißen Sie die Lügner raus", ruft Mönius den klatschenden und pfeifenden Demonstranten zu und fordert den SPD-Oberbürgermeister der Stadt Nürnberg zum Handeln auf. Danach marschiert der Protestzug direkt vor das Firmengebäude der Vonovia-Dependance.

"Viele von uns betrachten die Vonovia als Hauptschurken in unserem Schauerdrama. Deswegen demonstrieren wir heute direkt vor der Tür der Vonovia", erklärt Frank Rupprecht für die demonstrierenden Bewohner aus Neuselsbrunn, die sich gegen die zwischenzeitlich erfolgte Entfernung der angeblich brennbaren Hausfassade wehren. Der kostspielige Abriss der Fassaden sei ohne die Zustimmung der Bewohner erfolgt. Vielmehr seien die Eigentümer in einer außerordentlichen Versammlung mit Drohungen erpresst worden, den rund 30 Millionen Euro teuren Maßnahme zuzustimmen.

Die Kosten für die angebliche Brandschutzmaßnahme wollen die Neuselsbrunner nicht tragen. Bis zu 50000 Euro müssten die Bewohner pro Wohnung berappen. Nach dem wochenlangen Baulärm durch den Fassadenabriss kämpften die Neuselsbrunner derzeit mit Kälte und Schimmel in ihren unisolierten Wohnungen.

Derweil will jetzt offensichtlich auch die gescholtene Hausverwaltung in die Offensive gehen. "Die Feststellung, dass die Fassaden aus brennbarem Material bestehen, wurden nicht von der Hausverwaltung getroffen, sondern von der Bauordnungsbehörde der Stadt Nürnberg auf Grundlage der Begutachtung durch die Sachverständigen", erklärt Stefan Ollig, Geschäftsführer der Vonovia Immobilien Treuhand (VIT).

Zwischenzeitlich hat Vonovia eine Nürnberger Agentur mit der Krisenkommunikation betraut. Mit knapp 500000 eigenen und für Dritte verwalteten Wohnungen ist das Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen laut Wikipedia das größte Wohnungsunternehmen und der größte private Vermieter in Deutschland. Die Hausverwaltung versucht derweil offensichtlich, den "Schwarzen Peter" anderen Akteuren wie beispielsweise der Stadt Nürnberg zuschieben.

Die Vonovia sei als Hausverwaltung überhaupt nicht in der Lage, eine Einschätzung der Brandgefahr vorzunehmen, argumentiert Stefan Ollig. Stattdessen weist der Vonovia-Geschäftsführer mit dem Finger auf die Feststellungen von Brandexperten und der Stadt. Daher habe die Hausverwaltung im Rahmen der außerordentlichen Eigentümerversammlung im Oktober vergangenen Jahres auch "keine eigenen Behauptungen" aufgestellt, sondern lediglich die Expertenmeinungen und Feststellungen der Stadt wiedergegeben.

Derweil fordert Gerhard Berr die Hausverwaltung bei der Demonstration im Südwestpark via Megaphon auf, endlich die Wahrheit zu sagen und nicht nur über Rechtsanwälte mit den Demonstranten zu kommunizieren. Eine Frechheit findet Berr, dass Vonovia die Errichtung einer neuen Hausfassade plane, ohne Rücksprache mit Wohnungseigentümern zu führen. "Neuselsbrunn gehört uns und nicht der Vonovia", ruft Gehard Berr unter dem Beifall der Demonstranten.

Nikolas Pelke