Vohburg
Neues Gaskraftwerk in Irsching

Reserve für die Reserve: 300-Megawatt-Anlage entsteht neben Block 5 von Uniper

09.01.2019 | Stand 23.09.2023, 5:35 Uhr
Am Kraftwerk in Irsching soll neben den bestehenen Blöcken ein neues Gaskraftwerk mit 300 Megawatt als Sicherheitspuffer für die Stromversorgung entstehen. −Foto: Horst Richter

Vohburg (DK) Im Vohburger Ortsteil Irsching (Kreis Pfaffenhofen) soll ein neues Gaskraftwerk entstehen und helfen, das Stromnetz in Bayern zu stabilisieren. Die 300-Megawatt-Anlage ist ab 1. Oktober 2022 als Sicherheitspuffer geplant, wenn Isar II als letztes Atomkraftwerk in Bayern abgeschaltet wird. Die Projektfinazierung erfolgt über Netzentgelte, also auf Kosten der Verbraucher.

Noch ein Gaskraftwerk, wo es dort doch schon eines von Uniper gibt? Diese Frage werden sich viele stellen. Die Blöcke 4 und 5 in Irsching, erst 2010 und 2011 gebaut, gelten als modernstes Gaskraftwerk Europas, werden aber nur als Netzreserve bereitgehalten. Die Betreiber wollten die Anlagen 2016 wegen zu geringer Rentabilität abschalten, die Bundesnetzagentur verhinderte das. Uniper klagte dagegen, das Verfahren läuft noch. 2018 soll Irsching nach vorliegenden Informationen keine fünf Mal tatsächlich am Netz gewesen sein. Branchenkenner rechnen indes damit, dass Uniper mit diesen beiden Blöcken nach der Energiewende dauerhafter auf dem Markt sein wird. Denn nach Wegfall der Atomkraftwerke muss fehlender Strom in den Freistaat gebracht werden, was die Leitungen (noch) überfordert. Das Wirtschaftsministerium in München nannte unserer Zeitung eine Lücke von 30 Terawattstunden, wenn nicht gegengesteuert werde.

Hier kommt unter anderem das neue Gaskraftwerk bei Irsching ins Spiel, es soll östlich von Block 5 auf Uniper-Boden entstehen. Übertragungsnetzbetreiber Tennet hat Uniper dafür im Dezember den Zuschlag erteilt. Eine "Open-Cycle"-Gasturbine soll dafür sorgen, dass die Anlage bei Bedarf in acht Minuten am Netz ist und schon nach 25 Minuten volle Leistung bringt. Allerdings handelt es sich bei dem Werk um einen Sicherheitspuffer. Es hängt nicht ständig am Netz und wird als "besonderes netztechnisches Betriebsmittel" nur in Notsituationen zugeschaltet. "Das ist sozusagen die Feuerwehr in der Versorgung", erklärte Ulrike Hörchens von Tennet. Ziel sei es, die Systemsicherheit zu erhalten. Zu den Kosten wollte sie nichts sagen, weil es drei weitere solcher 300-Megawatt-Projekte gibt: in Bayerisch-Schwaben, im Raum Nordbayern-Südhessen und in Baden-Württemberg. "Dort läuft die Vergabe noch bis April, deshalb dürfen wir keine Summen nennen", sagte Hörchens.

Bei Uniper in Irsching gibt es zudem den ölbefeuerten Block3, seine Stilllegung war nach Unternehmensangaben bereits für 2012 geplant. "Aufgrund der Netzsituation in Süddeutschland wird die Anlage seitdem als Reserve vorgehalten", heißt es.

Vohburgs Bürgermeister Martin Schmid steht dem neuen Kraftwerk grundsätzlich positiv gegenüber. Das Thema komme am Dienstag erstmals in den Stadtrat. "Wir machen unsere Zustimmung aber von einer eigenen Zufahrt abhängig, es darf kein zusätzlicher Verkehr durch Irsching fließen. Es läuft bereits eine Machbarkeitsstudie zu drei möglichen Varianten. Ich bin zuversichtlich, dass wir eine Lösung finden."

 

Kommentar

Von Johannes Greiner

Der "Irrsinn von Irsching" ist fast schon zu einem geflügelten Wort geworden. Es ist auch schwer zu begreifen: Da stehen östlich von Ingolstadt zwei hochmoderne, saubere Gaskraftwerke mit rekordträchtigem Wirkungsgrad - dürfen aber keinen Strom produzieren. Der kommt stattdessen von den alten Kohle-Klimakillern, weil die einfach billiger liefern können. So war das mit der Energiewende eigentlich nicht gemeint.

Und nun wird zusätzlich zu den beiden zur Reserve degradierten Vorzeige-Kraftwerken nochmal eines gebaut - die Reserve der Reserve sozusagen. Geht der Irrsinn also weiter? Nicht ganz. Der neue 300-Megawatt-Block spielt in einer anderen Liga. Er soll sozusagen als flexibler Puffer gefährliche Schwankungen im Leitungsnetz ausgleichen. Vor allem aber: Der Neue hängt anders als die älteren Irschinger Kraftwerksblöcke nicht vom liberalisierten Strommarkt ab. Die Kosten tragen einfach die Stromkunden.

Der neue Kraftwerksblock wird dazu beitragen, das Stromnetz in Bayern nach der 2022 anstehenden Abschaltung des letzten deutschen Atomkraftwerks zu stabilisieren. Das ist wichtig. Bis zur Stromversorgung der Zukunft mit einem Mix aus erneuerbaren Energien und Gaskraftwerken ist es allerdings noch ein weiter Weg. Wie es damit weitergeht, wird man auch am Schicksal der bestehenden Irschinger Kraftwerksblöcke ablesen können.  

Horst Richter