Ingolstadt
Neues Format für Feier zum Tag der Einheit

2019 soll zum 3. Oktober erstmals eine besondere Stadtratssitzung mit Ehrengast stattfinden

20.11.2018 | Stand 23.09.2023, 5:02 Uhr
Politisches Schwergewicht: Helmut Kohl, "Kanzler der Einheit", sprach im Oktober 2007 (also bereits als Privatmann) anlässlich des Nationalfeiertags in Ingolstadt (rechts der damalige OB Alfred Lehmann, links der damalige BR-Chefredakteur Sigmund Gottlieb). Nach gut 20 Jahren mit "Reden zum Tag der Einheit" sucht die Stadt jetzt nach einem neuen Format für dieses Stück Erinnerungskultur. −Foto: Herbert/Archiv

Ingolstadt (DK) Gut 20 Jahre lang haben in Ingolstadt prominente Zeitzeugen bei "Reden zum Tag der Einheit" Gedanken zum Nationalfeiertag und zur jüngeren deutschen Geschichte ausgebreitet. 2019 soll diese Tradition zwar fortgesetzt werden, aber einen neuen Rahmen bekommen. Im Aufsichtsrat der zuständigen städtischen Veranstaltungsgesellschaft wurden am Dienstag die Weichen für eine Gedenkveranstaltung im Rahmen einer Stadtratssitzung gestellt.

Die Runde aus Rathausspitze und Stadträten mit kulturpolitischer Disposition hatte das Thema schon länger vor der Brust, ohne sich auf eine Richtungsänderung festgelegt zu haben. Allen Aufsichtsräten war immerhin der Wunsch gemein, fast drei Jahrzehnte nach Vollzug der Deutschen Einheit von einem reinen Vortragsabend (mit zuletzt eher überschaubarer Resonanz) wegzukommen.

Tobias Klein, Geschäftsführer der Veranstaltungs GmbH, hatte dem Gremium deshalb ein Handlungskonzept vorgelegt, in das mehrere Elemente aus den bisherigen Diskussionen des Aufsichtsrates aufgenommen worden waren. Allein: Ein neues Format mit Impulsreferat eines prominenteren Gastes zu einem zukunftsträchtigen Thema und anschließender Diskussionsrunde (erst mit geladenen Gästen, dann mit dem Publikum) mochte der Runde dann doch nicht so recht schmecken.

Man begebe sich damit in die Gefahr, sich mit einem bedeutsamen Stück Erinnerungskultur den zahllosen TV-Talkshows anzugleichen, befand OB Christian Lösel - und sah sich mit dieser Einschätzung nicht allein. SPD-Sprecherin Petra Volkwein warnte vor einem thematischen Abgleiten in die Beliebigkeit, von einer letztlich womöglich nicht mehr gegebenen klaren Bezugnahme auf den 3. Oktober und seinen geschichtlichen Hintergrund. Gerd Werding (UDI) wünschte sich sowohl einen Bezug der Feierstunde zur deutschen Geschichte als auch eine klare Ausrichtung auf die deutsche Rolle in einem vereinten Europa: "Das wird unsere zukünftige Heimat sein."

Barbara Leininger (Grüne) hob die Chance hervor, beim Gedenken an die Einheit öffentlichkeitswirksam für demokratische Werte und für einen friedvollen, aufgeklärten Patriotismus jenseits völkischer Ideen zu werben. Man dürfe die Deutungshoheit hier nicht rechtspopulistischen Kräften überlassen, betonte sie mit Hinweis auf die zuletzt relativ guten Wahlergebnisse der AfD in Ingolstadt. Leininger: "Es geht um Werte, und wir müssen zeigen, wie man damit richtig umgeht."

CSU-Sprecherin Dorothea Deneke-Stoll ("Einen würdigen Rahmen wünschen wir uns alle") schlug einen stärkeren Gegenwartsbezug bei den Vorgaben für künftige Redner vor. Man werde sicher immer Anknüpfungspunkte an die Geschichte haben, brauche aber "Themen, die in der Alltagskultur der Menschen verhaftet sind". Fraktionskollege Joachim Genosko appellierte an die Programmplaner, bei der Einladung von Rednern auch mal darauf zu achten, dass ein "distanzierterer Blick" auf die deutsche Vergangenheit gelinge. Es gehe beim Erinnerungstag 3.Oktober auch darum, nicht ausschließlich um die deutsche Einheit zu kreisen, sondern vielmehr "die großen Zusammenhänge" in der Geschichte darzustellen.

Ein Vorschlag von Georg Niedermeier (BGI), die Ausgestaltung der Gedenkfeier Jahr für Jahr in die Regie einer (weiterführenden) Schule zu geben, fand nicht ungeteilte Zustimmung. Man müsse auch den nicht geringen Aufwand der Vorbereitung im Unterricht außerhalb des Lehrplans bedenken, so die Kritik von Barbara Leininger an diesem Vorschlag. Als Lehrerin weiß sie, wovon sie spricht, und Niedermeier, Pädagoge im Ruhestand, mochte diesen Einwand nicht entkräften. Auch Tobias Klein hatte in seinem Konzept angeregt, Schulen im Vorfeld von künftigen Feierstunden einzubinden, doch wurde dieser Gedanke in der Sitzung nicht mehr verfolgt.

Klar wurde in der Diskussion immerhin, dass sich alle Verantwortlichen eine Veranstaltungsform wünschen, die der Bedeutung des Anlasses gerecht wird. OB Lösel: "Es muss würdig sein." Bürgermeister Albert Wittmann attestierte bereitwillig: "Wir sollten bei Vorträgen bleiben und nicht diskutieren." Es gehe darum, so der zweite Mann im Rathaus, zum 3. Oktober öffentlichkeitswirksam einen "Patriotismus der Demokraten" zu zeigen. Wittmann schlug dazu eine Sondersitzung des Stadtrates jeweils am 2. Oktober vor, die möglichst vom Lokalfernsehen live übertragen werden solle. Hauptredner solle weiterhin ein durchaus prominenter Gast sein, der aber nicht unbedingt direkter Zeitzeuge sein müsse.

Kulturreferent Gabriel Engert warf noch ein, dass bei einer Neugestaltung der städtischen Feierstunde eine "Perspektive für die nächsten fünf bis zehn Jahre" gefunden werden müsse: "Man wird nicht jedes Jahr das Format wechseln können." Der OB ist hier aber unbesorgt. Er glaubt, dass mit einer Stadtratssitzung samt Ehrengast, möglichst vielen Besuchern auf den Rängen und einem anschließenden lockeren Zusammensein im Foyer des Sitzungstraktes ein Neustart der Erinnerungsreihe gewagt werden kann. Vielleicht, so sein Wunsch, könne dazu 2019 - immerhin 30 Jahre nach dem Mauerfall - auch ein Film gezeigt werden, in dem die Ereignisse der ersten Tage nach dem 9.November 1989 in Ingolstadt nochmals aufscheinen.

Bernd Heimerl