Neues Abgas-Problem bei Audi

Dobrindt: Audi hat unzulässige Software verwendet

01.06.2017 | Stand 02.12.2020, 18:01 Uhr
Audi-Chef Rupert Stadler −Foto: Stache/AFP

Berlin (DK/dpa) Audi hat offenbar ein neues Abgas-Problem: Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) teilte am Donnerstagabend mit, der Ingolstädter Autohersteller habe eine unzulässige Abgas-Software verwendet. Die Software habe bewirkt, dass erkannt wurde, wenn das Auto auf einem Prüfstand war – dann wurden die Abgas-Reinigungssysteme angeschaltet. 24.000 Fahrzeuge müssten zurückgerufen werden, sagte Dobrindt. Der Rückruf werde voraussichtlich im Juli 2017 starten, teilte ein Audi-Sprecher am Donnerstagabend mit.

Es geht um den Ausstoß der als gesundheitsschädlich geltenden Stickoxid-Gase (NOx). 14.000 der betroffenen 24.000 Fahrzeuge seien in Deutschland zugelassen, 10.000 auf dem europäischen Markt, teilte Audi mit. Dobrindt will bis zum 12. Juni Lösungsvorschläge sehen für eine Umrüstung.
 
Am Mittwoch seien Auffälligkeiten bei Modellen Audi A8 und A7 mit V6- und V8-Dieselmotoren bekannt geworden. Es handele sich um Fahrzeuge der Baujahre 2009 bis 2013. Dobrindt sprach über die neuen Vorwürfe auch mit VW-Konzernchef Matthias Müller. Dieser habe im Gespräch einen „betroffenen Eindruck“ gemacht, sagte der Minister. Man habe nach seiner Einschätzung bei Volkswagen nichts davon gewusst. 

Nach Informationen aus dem Unternehmen hat Audi in den vergangenen Monaten alle Motor-Getriebe-Kombinationen überprüft. Bei einigen waren offenbar erhöhte Abgas-Werte festgestellt worden. Das habe man dem Kraftfahrbundesamt mitgeteilt, heißt es in Unternehmenskreisen. 
 

Zeitbedarf für das Aufspielen der Software: 30 Minuten

 
"Im Rahmen einer proaktiven, umfassenden Überprüfung von Getriebe-Software in verschiedenen Modellvarianten hat Audi festgestellt, dass es bei etwa 24.000 Autos ... in bestimmten Fahrzuständen zu Auffälligkeiten bei den NOx-Emissionen kommt. Der bis Faktor 2 höhere NOx-Weret wird durch eine neue Getriebe-Software korrigiert", heißt es in einer Mitteilung des Ingolstädter Autobauers. Als Grund der Grenzwertüberschreitung nennt Audi-Sprecher Jürgen De Graeve, dass die Motordrehzahl in manchen Bereichen ungünstig von der Getriebe-Software beeinflusst werde. "Dadurch können sich die Emissionen verschlechtern." Audi hätte mit dem Kraftfahrtbundesamt einen "Rückruf mit aktiver Kundenansprache" vereinbart. Der Rückruf werde voraussichtlich im Juli dieses Jahres starten. Da lediglich eine neue Software aufgespielt wird, betrage der Zeitbedarf "etwa 30 Minuten", teilt der Autobauer mit. 

 

Es wird wieder eng für Stadler


Enger wird es nun auch wieder für Stadler. Erst vor gut zwei Wochen verlängerte der Audi-Aufsichtsrat den Vertrag des in die Kritik geratenen Chefs um fünf Jahre bis Ende 2022. Auch die oberste Riege im VW-Konzern hatte ihm demonstrativ den Rücken gestärkt. Nun steht Audi in der Affäre erneut im Rampenlicht.

„Es ist ein weiterer Schlag“, sagt Branchenexperte Stefan Bratzel vom Institut CAM-Center in Bergisch-Gladbach. „Und der Diesel kommt nicht aus den Schlagzeilen.“ Die neue Qualität sei: Dobrindt werfe nun erstmals auch Audi vor, eine „illegale“ Abschalteinrichtung einzusetzen.

Bei vielen Motoren mit auffälligen Abgaswerten argumentieren die Autohersteller mit dem sogenannten Bauteilschutz: Sie verweisen auf den angeblichen Schutz des Motors, wenn die Abgasreinigung etwa bei bestimmten Temperaturen heruntergedrosselt wird. Zwar war bei den Tests infolge des VW-Abgasskandals im vergangenen Jahr auch ein Audi auffällig gewesen - aber eben nicht rundweg als „illegal“ ins Fadenkreuz geraten. Bisher hatte Dobrindt dies - neben einigen VW-Motoren - vor allem auch Fiat Chrysler vorgeworfen, der italienisch-amerikanische Konzern weist dies allerdings weiter zurück.

Zwar hat es in der komplexen Abgasaffäre seit September 2015 bereits Rückrufe von Millionen Autos von VW in Europa und Deutschland gegeben. Umstritten war aber stets, ob die Abschalteinrichtungen „illegal“ gewesen sind, Bratzel spricht von einer „Grauzone“. VW ist der Auffassung, in Europa gar keine Vorschriften verletzt zu haben - anders als in den USA. Dort hat der Konzern dies unter Verweis auch auf eine andere Rechtslage anerkannt. Dies hat den VW-Konzern Milliarden etwa für Entschädigungen an Kunden gekostet - auch wegen Motoren von Audi.
 

Dobrindt-Vorwürfe mit massiven Auswirkungen?


Die Dobrindt-Vorwürfe an die Ingolstädter, die jetzt in Frage stehenden Abschalteinrichtungen seien „unzulässig“, könnten nun massive Auswirkungen haben. Vor Gericht könnten sich Kunden darauf berufen. Und auch für das Image des Diesel ist es ein weiterer Rückschlag. Immer neue Berichte über mögliche Abgas-Manipulationen sowie eine breite Debatte um drohende Fahrverbote für ältere Diesel-Modelle haben offensichtlich für Verunsicherung gesorgt - seit Monaten sinkt der Diesel-Marktanteil bei Neuwagen.

Im Zentrum der Kritik am Dieselmotor steht der Ausstoß von gesundheitsschädigendem Stickoxid. Stickoxide können unter anderem den Atemwegen und dem Herz-Kreislauf-System schaden. Für Aufsehen hatte vor den Dobrindt-Vorwürfen zuletzt Ende April das Umweltbundesamt gesorgt: Neue Daten zeigten, dass auch moderne Diesel-Autos den EU-Grenzwert auf der Straße um ein Vielfaches überschreiten.

Neben dem VW-Konzern war auch Daimler in den Diesel-Fokus geraten. Vor einer Woche erst durchsuchte ein Großaufgebot an Ermittlern mehrere Daimler-Standorte. Hintergrund: Verdacht auf Betrug im Zusammenhang mit möglicher Manipulation der Abgasnachbehandlung bei Diesel-Pkw. Streitpunkt ist auch hier ein sogenanntes Thermofenster, das in bestimmten Temperaturbereichen die Abgasnachbereitung herunterregelt. Daimler hatte sich wie andere Hersteller auch mit dem Kraftfahrtbundesamt darauf geeinigt, betroffene Fahrzeuge „freiwillig“ zurückzurufen, um die Technik anzupassen.
 

Milliardenschwerer Vergleich in den USA 

Audi und VW hatten bereits in einem milliardenschweren Vergleich mit dem US-Justizministerium eingeräumt, dass sie in den USA rund 83.000 Autos mit Audi-Dieselmotoren und einer dort illegalen Software verkauft hatten, die niedrigere Abgaswerte angibt. Die Diesel-Verfahren hatten Audi im vergangenen Jahr 1,86 Milliarden Euro gekostet.