Schwäbisch Hall
Neue Ziele bei den Ingolstadt Dukes

Headcoach Eugen Haaf nach der begeisternden Vorstellung in Schwäbisch Hall: "Wir wollen nun in die Play-offs"

18.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:56 Uhr

Eine verschworene Gemeinschaft: Die Ingolstadt Dukes glänzten in Schwäbisch Hall. - Foto: R. Kaufmann

Schwäbisch Hall (rks) Normalerweise ist eine Niederlage nicht positiv. Aber es geht auch anders. So gab's bei den Ingolstadt Dukes am Samstagabend ausschließlich glückliche Gesichter zu sehen. Beziehungsweise stolze - denn bei den Serienmeistern der GFL Süd, den Schwäbisch Hall Unicorns, hatten sie einen wahrlich phänomenalen Kampf abgeliefert und nur knapp mit 53:65 das Nachsehen gehabt.

Nein: Wie ein Neuling, für den es rein um den Klassenerhalt geht, traten die "Herzöge" beim erneut haushohen Titelfavoriten nicht auf. "Sie waren bislang unsere schwersten Gegner in der laufenden Saison - und das mit Abstand", sagt Jordan Neuman, der Headcoach der Unicorns, durchaus beeindruckt: "Die Dukes als gewöhnlichen Aufsteiger zu sehen, ist Quatsch. Sie sind ganz klar ein Play-off-Kandidat."

Nur wie passt das mit den sonstigen Aussagen eines Eugen Haaf - seines Pendants bei den Ingolstädtern - zusammen? Der 50-jährige Peutenhausener hatte doch in den vorherigen Wochen und Monaten immer wieder versucht, den Ball flach zu halten. Er wollte die Seinen keineswegs bereits zu den ganz Großen in der GFL Süd zählen. "Unser Ziel war es, als Neuling zunächst einmal überhaupt im Oberhaus anzukommen", so Haaf. Aber jetzt, nach vier Siegen in den fünf ersten Partien sowie dem samstägigen Spektakel in Schwäbisch Hall, legt auch er jegliche Bescheidenheit ab: "So gut, wie wir uns bisher verkauft haben, brauchen wir nicht mehr um den heißen Brei herumzureden. Wir wollen nun in die Play-offs - wollen am Saisonende unter den vier Erstplatzierten im Süden stehen."

Zurück zum Match in Schwäbisch Hall an sich. Den Unicorns geht es in Sachen American Football ja irgendwie so wie Borussia Dortmund im Bereich Fußball: Beide besitzen in nationaler Hinsicht einen schier übermächtigen Kontrahenten, an dem sie einfach nicht vorbeikommen. Für die Schwaben sind dies die Braunschweig Lions, die regelmäßig die German Bowl gewinnen - während sich der BVB am FC Bayern München vergeblich die Zähne ausbeißt. Den deutschen Rest hingegen haben sie nahezu sicher im Griff, eilen gegen ihn von Sieg zu Sieg.

So sind die Unicorns in der GFL Süd nahezu unschlagbar - vor allem auf eigenem Terrain: Für jede Gastmannschaft geht es hier eigentlich nur darum, den Schaden in erträglichen Grenzen zu halten. Peinliche Pleiten für die Auswärtsteams stehen im Optima-Sportpark regelmäßig auf der Tagesordnung. Nur an diesem 17. Juni war alles deutlich anders. Die Dukes kamen nämlich nach Schwäbisch Hall, um selbst Spaß zu haben. Irgendwelche Angst vor dem schier unbezwingbaren Kontrahenten? Angst vor einer Blamage? Mitnichten. Frechheit siegt - so lautete stattdessen das Motto der "Herzöge". Und auf diese Weise sorgten sie vor rund 1600 Zuschauern immer wieder für fasziniertes Kopfschütteln.

Bereits der erste Angriff der Ingolstädter - eine unglaubliche Respektlosigkeit vor dem großen Namen, das Ganze jedoch rein positiv gemeint: So zauberten die "Herzöge" schnell mal einen Trickspielzug aufs Feld, Wide Receiver Jan Hochschild wurde plötzlich zum Passgeber auf Lorenz Regler - und der trug den Football eiskalt in die Endzone. Touchdown also für die Außenseiter aus Bayern, alles nach nicht einmal zwei Minuten Spielzeit.

Die Unicorns waren jetzt also gefordert, und sie stellten sich dieser Aufgabe - mit einem präzise arbeitenden Quarterback Marco Ehrenfried, mit bärenstarken Receivern beziehungsweise Runningbacks. Und da auch die die Dukes nicht nachließen, entwickelte sich eben ein einzigartiges Offensivfeuerwerk von beiden Seiten, wie es in Schwäbisch Hall so gut wie nie zu sehen gibt. Der samstägige American-Football-Wahnsinn - kurz beschrieben anhand von Zwischenresultaten aus Ingolstädter Sicht: 7:0, 7:7, 7:17, 13:17, 13:24, 21:24, 21:31 (Halbzeitpause), 31:27, 27:38, 35:38, 38:45, 38:52, 45:52, 45:59, 53:59,53:65 - wobei die restlichen Touchdowns der "Herzöge" auf die Konten von Dominique Kandolo, Richard Samuel (2), Regler, Hochschild und Sebastian Fürbacher gingen. Zudem schaffte Zoran Sisak ein Fieldgoal.

Wie hoch die Leistung der Dukes einzuschätzen ist, beweist auch ein Blick in die Geschichtsbücher der Unicorns: Seit dem 18. September 2010 (die Dresden Monarchs bei ihrem damaligen 56:45-Erfolg) hatte es kein GFL-Auswärtsteam mehr geschafft, 53 eigene Punkte in Schwäbisch Hall zu erzielen. Dass eine Mannschaft überhaupt 53 Punkte gegen die Unicorns zustande brachte, ist ebenfalls schon wieder über viereinhalb Jahre her (die Kiel Baltic Hurricans bei ihrer 53:56-Pleite gegen Schwäbisch Hall im German Bowl).

Und trotzdem verließen die Dukes den Optima-Sportpark auch ein bisschen traurig - denn mit Keith Hilson (Schultereckgelenssprengung), Jerome Morris (Ellbogenverletzung) und Hochschild (Gehirnerschütterung) verloren sie im Laufe der Partie gleich drei Leistungsträger. Wer von ihnen bis zum nächsten Auswärtsspiel in Stuttgart (24. Juni) wieder fit wird, ist noch fraglich. "Unserem Physiotherapeuten wird es in dieser Woche jedenfalls nicht langweilig", so Haaf abschließend.