Kommentar des DK-Chefredakteurs
Neue Strategie in Sachen Corona

16.10.2020 | Stand 23.09.2023, 14:50 Uhr
Eine Mitarbeiterin bereitet Proben von Menschen mit Covid-19 Verdacht für die weitere Analyse vor. −Foto: Sven Hoppe/dpa/Symbolbild

Der Herbstanfang liegt noch nicht lange zurück, da trifft schon ein, was Experten im Frühjahr vorausgesagt haben: Die Zahl der Corona-Infizierten steigt - und zwar rasant.

Die viel beschworene zweite Welle ist da und bringt fast täglich neue Rekordwerte. Die Politik ist längst alarmiert und zeigt mit eilig beschlossenen Maßnahmen, wie blank die Nerven liegen. Denn zur Wahrheit indes gehört, dass die Politik ihre Hausaufgaben nicht gemacht und aus der ersten Welle nur bedingt gelernt hat.

Gewiss, genug Masken und Hygieneartikel sind nun vorhanden. Aber ob sich die personelle Situation in Kliniken und Gesundheitsämtern verbessert hat, darf getrost bezweifelt werden. Wie sonst kann es anders sein, dass die Bundeswehr bei der Nachverfolgung von Infektionen zu Hilfe gerufen wird, um überforderte Ämter zu unterstützen? Berechtigte Kritik muss sich die Regierung auch bei der Warn-App gefallen lassen. Die in sie gesteckten Hoffnungen konnte die Handy-Hilfe bislang nicht erfüllen. Zum Glück ist so mancher anderer Murks wieder beendet worden: Das Beherbergungsverbot hat großen Schaden angerichtet, den wieder einmal die eh schon arg gebeutelte Hotel- und Tourismusbranche ausbaden muss.

Neuer Ärger steht dafür schon wieder bevor: Die Gastronomie muss vorgezogene Sperrstunden verkraften, obwohl das Ansteckungsrisiko in Restaurants Studien zufolge relativ gering ist. Wohl nicht zuletzt deshalb, weil sich die Gastronomie bei den geforderten Hygienekonzepten schnell sehr gut aufgestellt hat.

Dabei ist klar: Die Seuche lässt sich nur mit Rücksicht und Vernunft in den Griff bekommen. Dass Deutschland im Vergleich zu den europäischen Nachbarn gut durch die Pandemie gekommen ist, liegt vor allem am verantwortungsvollen Handeln des überwältigenden Teils der Bevölkerung. Doch Vernunft und guter Wille lassen sich nicht mit Aktionismus und Gutsherrensprech à la "wir müssen die Zügel wieder anziehen" erreichen. Stattdessen muss der Sinn der Maßnahmen erklärt werden. Immer wieder. Das Rumlavieren der vergangenen Wochen jedenfalls, gefährdet das Vertrauen in die Politik zusehends.

Die Infektionszahlen werden in den nächsten Tagen weiter steigen, damit auch der Inzidenzwert. Weitere Verbote werden in Kraft treten und bei ihrer nächsten Zusammenkunft werden die Länderchefs über strengere Maßnahmen beraten. Ein zweiter Lockdown muss dennoch mit aller Macht verhindert werden.

Aber ob es dafür genügt, nur die absoluten Infektionszahlen zu betrachten? Nein, die Situation ist viel zu komplex. Die Lage in den Krankenhäusern und die medizinische Versorgung in den betroffenen Gebieten muss ebenfalls in eine Risikobeurteilung einfließen. Halbherzige Beschlüsse und ein Flickenteppich an Maßnahmen schüren den Unmut in der Bevölkerung. Das Krisenmanagement muss nicht nur hinterfragt, sondern vielmehr mit einer neuen Strategie versehen werden.

 

Stefan König