Eichstätt
Neue Erkenntnisse zu längst vergangenen Zeiten

02.08.2020 | Stand 23.09.2023, 13:18 Uhr
Johann Beck
Der zweite Vorsitzende des Vereins der Freunde des Juramuseums, Helmut Tischlinger, überreicht Frederik Hornung aus Obereichstätt zur Begrüßung als neuestes Mitglied des Vereins den "Archaeopteryx 2020", die neueste Ausgabe der Vereinszeitschrift. −Foto: Hornung

Eichstätt - "Archaeopteryx 2020" - schon wieder ein neuer Fund?

 

Nein, aber es gibt Neues zu lesen über den Archaeopteryx in der Jahreszeitschrift der Freunde des Juramuseums Eichstätt, die den gleichen Namen wie das weltbekannte Fossil trägt. Die kürzlich erschienene 36. Ausgabe des "Archaeopteryx" widmet dem Urvogel einen Schwerpunkt mit mehreren wissenschaftlichen Beiträgen.

Die drei Paläontologen Oliver W. M. Rauhut, Christian Foth und Helmut Tischlinger schreiben über die Geschichte der Funde und der sich verändernden Interpretation im Laufe der Zeit. Moderne Untersuchungsmethoden haben neue Erkenntnisse ermöglicht. Sie hoffen auf weitere Funde und halten das Thema längst nicht für abgeschlossen. Das drücken sie am Ende ihres Artikels mit dem Satz aus: "Auch mehr als 150 Jahre nach dem ersten Urvogel-Fund bleibt die Geschichte der Urvögel des Solnhofener Archipels somit spannend. "

Die Ausrufung des Archaeopteryx in Gestalt des Eichstätter Exemplars zum "Fossil des Jahres 2020" durch die Paläontologische Gesellschaft wurde rechtzeitig bekannt, so dass im aktuellen Heft darüber berichtet werden kann. Der Interimsleiter des Museums, Alexander Nützel, und die Bayerische Staatssammlung für Paläontologie und Geologie konnten eine kleine Sonderausstellung auf die Beine stellen mit zwei hochwertigen Leihgaben aus der Staatssammlung, die noch bis Ende des Jahres im Juramuseum zu sehen sind. In einer gut gesicherten Vitrine ist der recht neue Fund Alcmonavis poeschli zu sehen, der 2017 in einem Steinbruch bei Mühlheim entdeckt worden ist. Er stellt eine neue Gattung unter den Urvögeln dar, die in dem oben genannten Artikel erläutert wird.

Als weiteres Ausstellungsstück aus der Münchner Sammlung kam ein exzellent erhaltener Flugsaurier nach Eichstätt. Wer den dazu gehörenden Artikel von Helmut Tischlinger liest, wird vom Autor auf eine Zeitreise mitgenommen. Über 240 Jahre lang haben sich Forscher mit diesem Fossil abgemüht und Schritt für Schritt die Kenntnisse gewonnen, die uns heute beim Stichwort "Flugsaurier" als selbstverständlich erscheinen. Nebenbei kann man einige Berührungspunkte zur bayerischen Geschichte entdecken. Tischlinger belegt mit Strukturen auf der Fossilplatte, dass dieser Flugsaurier im 18. Jahrhundert mit hoher Wahrscheinlichkeit im Steinbruchgebiet von Zandt-Breitenhill gefunden wurde.

Im zweiten Schwerpunkt der Jahreszeitschrift beschäftigen sich neun Autoren in sechs Artikeln mit verschiedenen Tieren, die im Wasser des Jurameers gelebt haben und als Fossilien überliefert sind. Martina Kölbl-Ebert, die ehemalige Leiterin des Juramuseums, und Martin Ebert hatten schon in früheren Ausgaben des Archaeopteryx von den Funden aus der langjährigen wissenschaftlichen Grabung des Juramuseums im Steinbruch von Ettling berichtet. Viele exzellent erhaltene Fischfossilien haben dadurch die Sammlungen des Juramuseums bereichert. Ein Teil von ihnen wird aktuell im Erdgeschoss des südlichen Burgturms ausgestellt. Die Fülle des Materials ermöglicht es den Autoren, die wissenschaftliche Systematik auszubauen und aus dem Vergleich von anatomischen Merkmalen Schlussfolgerungen auf die Lebens- und Ernährungsweise zu ziehen.

Mit dem Steinbruch in Ettling beschäftigten sich auch Helmut Tischlinger und Günter Schweigert wegen eines Ammoniten, der dort gefunden wurde. Selbst wer sich nur hobbymäßig mit Ammoniten beschäftigt, stößt bald auf den Begriff "Leitfossil". Ein solches hat bisher für die Plattenkalke von Ettling gefehlt. Deshalb war die zeitliche Einordnung der inzwischen zahlreichen geborgenen Fossilien unsicher. Anhand eines gut erhaltenen und dadurch bestimmbaren Ammoniten, der auch aus anderen Plattenkalkvorkommen bekannt ist, führen die Autoren das wissenschaftliche Vorgehen für einen solchen Fall vor und kommen zur Schlussfolgerung, dass die Ettlinger Tierwelt etwa zur gleichen Zeit wie die aus den Plattenkalken um Eichstätt gelebt habe.

Aus aktuellem Anlass, dem Nachweis eines Wolfes im Saupark durch ein Foto, sei noch auf einen Beitrag von Andreas Hecker, Biologe und Museumsmitarbeiter, hingewiesen, der sich nicht mit Fossilien beschäftigt. Er berichtet über seine ehrenamtliche Arbeit als Gutachter, wenn der Verdacht besteht, dass ein Wildtier, zum Beispiel ein Reh, oder ein Haustier wie ein Schaf von einem Luchs oder neuerdings von einem Wolf gerissen wurde. Wenn die Gutachter, die vom Landesamt für Umwelt bestellt sind und über Bayern verteilt tätig werden, dies bestätigen, können der zuständige Jäger/der geschädigte Tierhalter finanziell entschädigt werden.

Ein Bericht von Alexander Nützel über seine Interimsphase als Museumsleiter und die Wiedereröffnung des Juramuseums, die Vorstellung der neuen Museumsleiterin Christina Ifrim und der Inhaberin der neu geschaffenen Stelle einer Geschäftsführerin für das Museum, Stephanie Armer, runden den "Archaeopteryx 2020" ab.

Die Zeitschrift wird einmal jährlich vom Verein der Freunde des Juramuseums herausgebracht und ist im Juramuseum erhältlich. Über die Aktivitäten des Vereins informiert im vorliegenden Heft der Jahresbericht des Vereinsvorsitzenden Gerhard Ruf.

DK

Johann Beck