Ingolstadt
Natur auf verlorenem Posten

Der Fall Einbogenlohe oder: Wie eine Bausünde die andere nach sich zieht

24.11.2011 | Stand 03.12.2020, 2:07 Uhr

Nah am Wasser gebaut: Auch diese Wohnhäuser an der Hans-Denck-Straße lassen die nötige Distanz zur Lohe vermissen.

Ingolstadt (DK) „Einbogenlohe Teil der Weltausstellung“ – so titelte der DK im Juli 1999 über ein Ingolstädter Umweltprojekt. „Bauhaus-Architektur Einbogenlohe“ – so wirbt eine Immobilienfirma derzeit für ihre Bauplätze. Ist da wirklich die Natur der große Gewinner, wie es OB und Stadtbaurätin darstellen

Die umstrittene Wohnbebauung auf dem ehemaligen Schubert-Grundstück an der Schrobenhausener Straße, die zuletzt auch das Aufregerthema im Stadtentwicklungsausschuss war, lässt viele Fragen offen. Wie der DK berichtete, hatten sich Mitarbeiter der Stadtplanung und des Umweltamtes lange dagegen gewehrt, dass hier Bauplätze ausgewiesen werden. Die rund 3700 Quadratmeter große Fläche mit fünf bis sechs Parzellen liegt im Außenbereich und gehörte dem Unternehmer und Ex-CSU-Stadtrat Henry Schubert.

Referentin Renate Preßlein-Lehle und OB Alfred Lehmann rechtfertigten die Genehmigung mit einem Vorbescheid aus dem Jahr 1998, der dem Eigentümer die Erweiterung einer bestehenden Halle erlaubte. Dass stattdessen Wohnhäuser entstünden, sei ein eindeutiger Gewinn für die Natur.

Doch es hätte auch anders laufen können. „Diese Bauvoranfrage wäre eine Chance gewesen“, glaubt Artur Landes, „die alte Bebauung wegzuräumen und eine normale Auenwiese draus zu machen.“ Was die Stadt natürlich auch einiges gekostet hätte. Der 67-Jährige hat über all die Jahrzehnte die Entwicklung mitverfolgt.

Nicht „an der Einbogenlohe“, darauf legt Landes wert, sondern „in der Einbogenlohe“ müsste es eigentlich heißen, wenn von diesen Baugrundstücken die Rede ist. Der Ruheständler wohnt selbst auf dem Eulerhof bei Oberbrunnenreuth in unmittelbarer Nähe der Sandrach. Seit er und seine Familie das Anwesen 1972 gekauft haben, weiß er noch besser, was es mit den Lohen auf sich hat. Landes, Sohn des früheren Brunnenreuther Bürgermeisters Adolf Landes, lebt in einem über hundert Jahre alten Haus, seine Tochter hat auf dem Hof neu gebaut, mit „Privilegierung“ wegen ihres Pferdezuchtbetriebes, wie das baurechtlich genannt wird.

„So hat’s an der Einbogenlohe ausgeschaut, als ich Kind war“, deutet der sehr naturverbundene Ingolstädter auf ein Foto, das die überschwemmte Rasenfläche vor seiner Terrasse im Januar 2011 zeigt. „Die Einbogenlohe war eine ganz natürliche Retentionsfläche, das Wasser ist raus- und wieder zurückgeflossen.“ Dann kamen die ersten Eingriffe, nicht zuletzt auf Betreiben des Bürgermeisters von Brunnenreuth. „Der Landes, der hat Straßen gebaut“, lobten ihn die Leute. Betonrohre, Aufschüttungen, schließlich wurde die Verbindung der Einbogenlohe zur Sandrach ganz gekappt – dort, wo heute ein Krötentunnel die Georg-Heiß-Straße quert.

Etwa Anfang der siebziger Jahre, erinnert sich Artur Landes, habe die Stadt dann den größten Fehler begangen: Sie genehmigte direkt in der Lohe (also auf dem späteren Schubert-Grundstück) ein Wohnhaus und eine Halle. „Das war der ursprüngliche GAU!“ Und das sei der Beginn eines schleichenden Prozesses gewesen: Bauplätze neben dem Mercure-Hotel, Hallenerweiterung und Bauplätze für Schubert.

„Nach heutigen Kriterien“, erklärte gestern Georgine Müller vom Bund Naturschutz, „wäre eine Gewerbehalle am Rande einer Lohe sicher nicht mehr genehmigungsfähig.“ Für sie ist es „unverständlich“, dass die Fläche später „qua Amtsvollkommenheit ohne Bebauungsplan zur Wohnbebauung freigegeben“ worden sei.

SPD-Fraktionschef Achim Werner fragte gestern per Brief den OB, warum dieser sich im Fall Schubert nicht an die bisherige Praxis der Stadt gehalten habe, „Bauland nur dann auszuweisen, wenn sie zuvor wenigstens einen Teil des Grundstücks in ihren Besitz gebracht hat“. So hätte sie „wenigstens einen Teil des sicher im hohen sechsstelligen Bereich liegenden Planungsgewinns für sich erzielen können“.

Im Ausschuss hatte Referentin Preßlein-Lehle besonders betont, dass der Eigentümer „auf eigene Kosten“ neben den Wohnhäusern eine neue Lohe angelegt habe. Die großzügige Gabe dürfte ihm nicht allzu schwer gefallen sein. Laut Immobilien-Anzeige von vergangener Woche wird dort ein 390-Quadratmeter-Grundstück für ein Einfamilienhaus für 367 800 Euro angeboten.